So genau weiß ich nicht, wo ich hänge. Aber alles andere, denke ich, wäre auch schlimm. Denn wenn man sich schon mal solch eine lange Auszeit bzw. den Jakobsweg gönnt, dann sollte davon auch etwas hängen bleiben. Sonst wär es wohl eher schade um die Zeit.
Rückblick auf den Jakobsweg
Als hätte es so sein sollen, begann es am Abend des 03. Oktober, des Tages an welchem ich Santiago erreichte, zu regnen und zwar so heftig, dass es die nächsten 3 Tage noch anhielt. Damit war mein Ausflug nach Finisterre natürlich gestorben. Ein paar Mutige machten sich zwar trotzdem auf den Weg, ich dagegen setzte mich mit Freunden in ein Café oder eine Bar und amüsierte mich ein wenig. Eigentlich das Beste, was man an einem Regentag so machen konnte. Und dabei entdeckte ich, dass die Alstadt Santiagos eigentlich ziemlich jung ist. Hippe Szenekneipen, die es so ähnlich auch am Berliner Helmholtzplatz gibt, reihen sich an schicke Café´s, die sich auch gut am Hackeschen Markt machen würden. Und das hat auch seinen Grund. Santiago gilt als eine der begehrtesten Studienorte Spaniens. Um die 30.000 Studenten hinterlassen hier ihre Spuren und tragen da natürlich erheblich zum jungen Stadtbild bei. Hätte ich so nicht gedacht.
Rückweg vom Camino Frances, vom Jakobsweg
Die Rückfahrt – natürlich mit dem Zug, ich hasse das Fliegen – führte genau an den Orten vorbei, die ich unterwegs alle zu Fuß abgeklappert habe. Somit konnte ich die Strecke nochmals Revue passieren lassen, den Weg nochmals verinnerlichen. Auch Abschied nehmen. Je länger ich darüber nachdenke, was ich da eigentlich gemacht habe, desto stolzer werde ich. Nicht nur auf die Leistung, auch wenn es nicht der gesamte Weg war, sondern vor allem darauf, dass ich ihn doch tatsächlich bis zum Ende gegangen bin. Das hätte ich mir niemals zugetraut und ich habe es wirklich getan. Wow. Einfach nur wow.
Den Umweg über Paris hätte ich mir allerdings schenken sollen. Frühmorgens mit den Nachtzug aus Hendaye in Paris ankommend, stellte die Lebendigkeit dieser Stadt ein abolutes Kontrastprogramm zu den letzten Wochen dar. Die Stadt ist laut, hektisch, unruhig und … habe ich schon erwähnt dass sie verdammt laut ist? Sirenengehäul aus allen Richtungen, hektische, rennende Menschen, das Gebruell der Motoren, Maschienen der Bauarbeiter. 5 Wochen haben gereicht, um das alles, das Großstadtleben, komplett zu vergessen. War das eine Ruhe in der Zeit.
Wer will schon nach Paris?
Ich wagte mich dennoch in dieses Getümmel und bereute es zutiefst. Was für ein Kulturschock. Nicht dass man mich falsch versteht, Paris ist toll und wahnsinnig beeindruckend, man sollte diese Stadt gesehen haben, war aber leider nach den 5 Wochen einfach eine Nummer zu viel. Ich habe zwar den Eiffelturm gesehen, und viel schlimmer noch die Menschenmassen zu seinen Füßen, aber das wars dann auch. Den Rest der Zeit verzog ich mich mit meinem Buch in eine stille Ecke des Bahnhofs und wartete auf die Abfahrt des Nachtzugs nach Berlin. Das war nicht wow – das war um Gottes Willen…
„Der Weg ist das Ziel“ ist ein genauso blöder Spruch wie „Allein der olympische Gedanke zählt“. Irgendwie haftet ihnen ein Beigeschmack von Zweitrangigkeit an.
Tja, und nun hat mich Berlin wieder. Selbst diese Stadt ist im Vergleich zu Paris ruhig. Wie kann man da nur leben? Aber ich tue es nicht und muß es auch nicht, ich lebe in Berlin. Obwohl ich diese Stadt gerade im Winter nicht ausstehen kann, ist sie mir doch um einiges lieber als Paris.
Gedanken am Schluss
Viele sagten mir, der eigentliche Weg beginne zu Hause und meinten damit nicht, dass ein wahrer Pilger von zu Hause losläuft, sondern dass das Erlebte in den Alltag integriert werden möchte. Ich bin gespannt, wie das gelingen soll. Der Camino ist so eine ganz eigene Welt und ich beginne zum ersten Mal zu begreifen, warum so viele ihn wieder und wieder gehen.
Er ist Magie. Ein Freund.
So. Und jetzt bin ich wieder da.
PS: Als kleines Dankeschön für die aufmunternden Worte, die Kommentare und unzähligen Emails habe ich den Blog überarbeitet und alle Beiträge den Jakobsweg betreffend mit neuen, aber vor allem bearbeiteten Bildern versehen. Quasi ein Bilderbuch. Nur, falls es jemanden interessiert…
Hi Sven,
ein sehr schöner Blog, der meine Sehnsüchte weckt. 2015 war ich auf dem Frances und seit dem lässt mich der Camino nicht mehr los. Ich freue mich jetzt auf den Primitivo und Deine Bilder und Berichte verstärken die Vorfreude sehr.
Danke und buen camino
Hallo Holger,
ja, der Camino. So richtig lässt er einen nicht mehr los. Auch in meiner Erinnerung ist er noch stark präsent. Freut mich, wenn Dir mein Blog gefällt. Komm doch mal öfter vorbei.
Bis dahin: buen camino.
Sven
Hi Sven,
danke, das Lob kann ich nur zurück geben!
Habe dich ebenfalls verlinkt in der neuen Rubrik Jakobsweg Erfahrungsberichte.
Beste Grüße, Jürgen
Geiler Titel „ich bin dann mal wieder da..“ , da musste ich wirklich schmunzeln. Überhaupt, netter Bericht zum Jakobsweg!
Wer Infos zum Jakobsweg mag, kann ja mal bei meiner neuen Seite vorbei schauen. Dort sammel ich fleißig Themenrelevantes…
Gruß,
Jürgen
Hallo Jürgen, habe mir Deine Seite mal angesehen und finde sie großartig. Lohnt einen Besuch. Hab Dich mal verlinkt und würde mich ebenfalls über eine Verlinkung freuen. 🙂
Beste Grüße. Sven
Hallo Sven,
ich fand Spanien und das Pilgern im April schon ganz gut. Die blühenden Wiesen haben so stark geduftet, dass ich dachte: ich kann nur im Paradis sein.
Für dieses Jahr hatte ich mir die Wahl zwischen „Via de la Plata“ Teil 2 oder Cornwall gestellt. In Anbetracht des heiligen Jahres, wird es dann doch eben Cornwall. Aber nächstes Jahr ist ja auch wieder Zeit…
Von Cornwall werde ich auf jeden Fall berichten. Die Route, die ich gefunden hab, ist auch noch nicht so bekannt. Von daher wird es echt spannend. Wenn ich es noch schaffe einen eigenen Blog zu dem Thema auzumachen, sag ich Dir auf jeden Fall bescheid. Ansonsten eben auf meinem bisherigen. Die Vorfreude ist groß!
Bis dahin alles Gute,
danni
@ Louise: Herzlich willkommen. Das sollte es auch. Der Jakobsweg ist schließlich einer der Königswege unter den Wanderwegen. 😉
@Daniela: Den Herbst würde ich zumindest im September auf jeden Fall empfehlen, solange braune Erdtöne einen nicht in tiefe Depressionen reißen. Denn wer blühende Felder und sattes Grün bevorzugt, für den ist der Frühling besser geeignet. 😉 Vom Wetter hatte ich letztes Jahr absolutes Glück. Nur zwei Tage von den 40 an denen mal nicht die Sonne schien, oder es gar regnete. Aber warm wars trotzdem noch. Bis zu 36 Grad im Schatten.
Von Cornwell mußt du unbedingt berichten. Bin immer auf der Suche nach neuen, spannenden Trekkingrouten.
Also, bis bald.
Sven
Großes Kompliment: ein wirklich ganz großartiger Blog! Im Gegensatz zu vielen anderen Blogs erscheinen Deine Reiseberichte in tollem, übersichtlichen Design. Bin sehr froh Deinem Blog über den „Freiluftblog“ gefunden zu haben.
Dein Bericht über den Jakobsweg hat eigene Erinnerungen aufleben lassen. Ich bin letztes Jahr einen Teil der „Via de la Plata“ im April gelaufen. Wenn ich Deine lange Reise so betrachte, bekomme ich wieder Reiselust. So eine lange Zeit unterwegs zu sein ist schon toll… Aber dieses Jahr auf den Jakonsweg ist glaub ich nicht so vorteilhaft. Beim heiligen Jahr muss man sich dann wohl um die Unterkünfte prügeln.
Wie war es denn vom Wetter her im Herbst zu laufen? Würdest das so weiterempfehlen? Oder würdest Du doch lieber im Frühling laufen?
Werde jetzt hier mal weiterstöbern. Dein Blog macht Lust darauf einen eigenen in der Art aufzumachen. Mitte Mai geht´s nach Cornwall für 18 Tage zum Laufen. Da hätte ich einen Anlass dafür…
Liebe Grüße aus Düsseldorf,
danni
Bin hier gerad so rein geschneit. Also wirklich toller Blog!! Sowohl vom Design als auch von den Inhalten her!
Macht auch mächtig Lust auf den Jakobsweg!
Grüße,
Lousie
Hallo, Sven!
Nun sind’s doch schon rund 2 Monate, dass Du von Deiner Reise zurück bist. Wie geht es einem nach einer solchen Zeit wieder daheim. Sehnsucht auf das nächste Projekt? Würde mich sehr interessieren, mehr darüber zu erfahren. 🙂
Hallo Andersreisender,
hat lange genug gedauert, hier (damit meine ich im Alltag) wieder Fuß zu
fassen. Rückblickend war es das großartigste, aber auch anstrengendste was
ich je unternommen habe. Das wird schwer zu toppen sein. So richtig habe ich
noch keinen Plan, was man nächstes Jahr machen könnte. Aber vielleicht bin
ich bei Dir genau an der richtigen Adresse, da ich denke Du einen weit
umfassenderen Blick auf die Ziele dieser Welt hast: Was gibt es denn, was
einen ähnlich herausragenden Charakter hat und nicht „nur“ der
Maximiliansweg in den Alpen ist…?
Im Übrigen habe ich jetzt seit einem halben Jahr den RSS-Feed Deines Blogs
abonniert und finde ihn richtig klasse. Immer wieder schön zu lesen, was es
alles für unterschiedliche Arten des Reisens gibt. Mach weiter so.
Viele Grüße aus Berlin
Sven
Wow, viele interessante Berichte. Habe gerade zwei Bücher über den Jakobsweg gelesen. Absolut interessant!!! Freue mich schon auf weitere Berichte
Hi Sven,
dein Reisebericht ist wirklich klasse, habe großen Respekt für solch eine große Tour. Da wirkt meine 600km Ostsee-Radtour im Sommer eher klein gegen ;-)! Freue mich, wenn wir uns wieder im heißgeliebten Plex sehen und du mir noch mehr erzählen kannst.
LG,
Matthis