Schramm, schrammer, Schrammsteine! Tagestour zur beliebten Aussicht

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Wer in Bad Schandau wandern möchte, dem stehen viele Wege offen. Ein schöner führt über Ostrau auf die Schrammsteine und durch die ehemaligen Steinbrüche an der Elbe zurück.
Sven Becker
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Meine Freundschaften pflege ich stets so, dass es sich selbst bei längerer Abstinenz auch immer ein Stück wie nach Hause kommen anfühlt. Keine Schüchternheit, keine Skepsis, keine Hemmungen. Einfach direkt mit der Tür ins Haus fallen. Das macht es mir einfacher, ohne Umwege wieder einzusteigen, und gar nicht erst so richtig zu realisieren, dass dann doch eine ganze Weile zwischen dem letzten und dem heutigen Treffen vergangen ist. In diesem Falle sogar ein halbes Jahr. Die Grenzen zu den tschechischen Nachbarn waren geschlossen, die Freunde im europäischen Ausland verteilt. Alles nicht so einfach zur Zeit…

Anlass genug, langjähriger Freundschaft neues Leben einzuhauchen. Und parallel dazu gleich noch einen Wandertag einzulegen. Der bringt uns von Bad Schandau auf die Schrammsteine und über die alten Steinbrüche an der Elbe zurück in den Ort. So haben wir genug Möglichkeiten, Vergangenes zu erörtern, uns auszutauschen, zu hören was im Leben des Anderen in der Zwischenzeit so alles passiert ist. Nach einem kurzen Hallo noch ein gut platzierter Flachwitz und schon ist das Eis gebrochen. Es kann also losgehen.

Startpunkt: Bad Schandau wandern. Mit der Fähre wird vom Bahnhof in die Stadtmitte übergesetzt.

Von Bad Schandau wandern über Ostrau in den Zahnsgrund

Die Freunde und ich treffen uns auf dem Park & Ride direkt am Nationalparkbahnhof Bad Schandau. Der liegt zwar am anderen Ufer, aber wer mit dem Zug anreist genießt den Vorteil eines kostenlosen Transfers über die Elbe. Die Fährfahrt ist nämlich im Verbundticket inkludiert und dauert genau 7 Minuten. Trotzdem der Kapitän des Schiffs sympathisch zurückhaltend, vermutlich aber so früh am Morgen einfach nur noch etwas verschlafen ist, chauffiert er uns fachmännisch ans andere Elbufer. Genaue Peilung 30° wird der Anlegewinkel gehalten, dann rumpelt es kurz, quietschen die Gummipuffer zwischen Boot und Anlegestelle und schon dürfen wir wieder von Bord.

Direkt daneben überwintert die „Kurort Rathen“. Das ist kein weiterer Ort, sondern der Name eines der ältesten Schaufelraddampfer der Dresdner Flotte. Im Sommer kann man damit seit nunmehr 1896 wunderbar dekadent von Dresden aus über die Elbe schippern. Ein Hauch Titanic im Elbsandsteinland.

An der Fähranlegestelle startet dann auch der Weg zu Fuß. Einmal quer durch den Ort, dessen Hauptstraße trotz Nebensaison ziemlich stark frequentiert ist, und dann weiter hinterm Hotel Lindenhof hinauf zum Lutherdenkmal bis nach Ostrau. Hier zeigt sich, wer zuletzt trotz geschlossener Fitnessstudios genug Ausdauer trainiert hat, um sich neben den Treppen- und Aufstiegen noch weiter zu unterhalten. Ich geb‘s gleich zu: ich nicht. Während meine Freunde noch fröhlich über Anekdoten sinnieren, bleibe ich ein paar Meter zurück und täusche Fotografieren vor, aber vor allem über mangelnde Fitness hinweg. Na das kann ja heiter werden. Noch immer liegen 15 der insgesamt 16 Kilometer vor uns…

Dafür entlohnen erst die Aussicht von der Plattform des Historischen Personenaufzugs und später vom mittlerweile fertiggestellten Skywalk. Zwar sind beides künstlich in die Landschaft gebaute Attraktionen, die dann aber doch wirklich schöne Ausblicke ins Umland bereithalten. Ersterer in perfekter Tradition industrieller Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, letzterer sehr umstritten mit jeder Menge Fördergeldern. Trotzdem: der Panoramablick ans südliche Elbufer lohnt sich. Zschirnstein, Papststein, Lilienstein – sie alle sind sehr gut zu erkennen. Und bereits von mir erwandert. Kann man andernorts dann gern nachlesen.

Von Bad Schandau wandern zum Historischen Aufzug Ostrau mit Blick über den Ort und auf den Lilienstein
Von Bad Schandau wandern zum Historischen Aufzug Ostrau mit Blick über den Ort und auf den Lilienstein

Auf die Schrammsteine

Nach Ostrau folgen wir dem gemütlichen Weg oberhalb der Elbe, der erst durch Ostrau führt und später einer ganz besonderen Bank gewidmet ist. Emmabank heißt die hölzerne Sitzgelegenheit und bietet einen tollen Blick in den tschechischen Teil des Elbsandsteingebirges. Da kaum frequentiert und vermutlich nur Kennern dieses Gebiets bekannt, genießen wir für einen Moment die Stille.

Ab hier führt uns die Wanderung wieder ins Tal. Nur um auf der gegenüberliegenden Seite erneut bergauf zu führen. Nächster Stopp: Schrammsteintor. Das ist mächtig überfüllt und wird von Familien jeglicher Größe und Kindern aller Altersstufen nicht nur als Rastplatz sondern auch als Klettergebiet genutzt. Uns ist hier einfach viel zu viel los und wir wandern schnell weiter.

Bevor es in den Zahngrund und auf der anderen Seite hinauf auf die Schrammsteine geht, bietet die Emmabank noch diesen fabelhaften Ausblick
Bevor es in den Zahngrund und auf der anderen Seite hinauf auf die Schrammsteine geht, bietet die Emmabank noch diesen fabelhaften Ausblick

Auch wenn sich die Massen auf dem Weg zum Wildschützensteig ganz gut verteilen, bündeln sie sich dann doch an den Eisenleitern und engen Stellen des Aufstiegs. Stößt man an den wirklich schmalen Passagen dann auch noch auf Gegenverkehr, staut es sich bis zum Stillstand. Und bildet sich eine Schlange wie im Hochsommer bei meiner Lieblings-Eispatisserie in Berlin Prenzlauer Berg. Aus genau diesem Grund steht auch auf den Wegweisern, dass der Steig nur im Aufgang zu benutzen sei. Nicht nur, weil er im Abstieg um einiges gefährlicher ist, sondern eben auch, damit es sich an den Engstellen weniger staut. Daher gern mein dezenter Hinweis: Wer beabsichtigt, diese Wanderung von Bad Schandau wandern zu wollen, tut gut daran, an dieser Stelle bis zur Schrammsteinaussicht etwas mehr Zeit einzuplanen.

Gratweg & Breite Kluft

Tja, was soll ich sagen. Was sich auf dem Weg schon erahnen ließ, findet auf der Schrammsteinaussicht Bestätigung. Mächtig was los auf den Felsen. Was man aber auch spätestens beim Ausblick verstehen kann. Nicht umsonst ist dieser Spot nicht nur bei den Touristen ein beliebtes Ausflugsziel. Auch Kenner und Einheimische suchen diese Aussicht bei entsprechender Witterung gern mal auf. Und will man den Freunden natürlich nicht vorenthalten. Zu schön ist das Panorama, zu weit reichen die Blicke. Bei guter Sicht sogar bis an die Elbschlösser und weiter nach Dresden.

Von Bad Schandau wandern heißt Schrammsteinwandern. Zu schön ist der Weg und entlohnen die Ausblicke für entstandene Mühen.
Von Bad Schandau wandern heißt Schrammsteinwandern. Zu schön ist der Weg und entlohnen die Ausblicke für entstandene Mühen.
Elbsandsteinland ist Kletterland – fast jeder der Gipfel kann mit entsprechender Ausrüstung und Können erklettert werden.

Wir folgen dem Gratweg, auf dem sich die Massen dann auch wieder ganz gut verteilen. Über Eisentreppen, Steinstufen und kurze, aber ungefährliche Kletterpartien führt der Wanderweg mal über, mal unter den Sandsteinfelsen hindurch. Kurz vor der Breiten Kluft finden wir ein schattiges Plätzchen und machen es uns gemütlich. Aus dem Tal zieht das Rauschen eines vorüberfahrenden Zuges herauf und über die Felsen streift ein mildes Lüftchen. Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der Magen knurrt. Zeit also für eine Rast, schließlich ist es schon weit nach Mittag.

Abstieg über Elbleitenweg und Postelwitzer Steinbrüche

Vorbei an einer wunderbaren Aussicht, die ich bereits auf einer anderen Wanderung beschrieben habe, geht es wieder hinab. Über die Breite-Kluft, welche zwar der längste Aufstieg auf die Schrammsteine ist, dafür aber im Auf- und im Abstieg begangen werden kann, stoßen wir wenig später auf den Elbleitenweg. Unterhalb der Felsen, auf denen wir gerade noch standen, führt der breite Forstweg zurück in Richtung Bad Schandau.

Wenig später wird es dann spannend. Der Wanderweg unterhalb der Postelwitzer Steinbrüche ist nämlich nicht ausgeschildert und nur Ortsansässigen wirklich bekannt. Versteckt und unter dem ganzen Laub kaum zu erkennen, führt ein Pfad erst weiter hinab ins Tal, nur um danach in westliche Richtung abzuzweigen. Warum der Weg nicht ausgeschildert ist und scheinbar nur noch in Böhms Wanderkarten auftaucht, erschließt sich mir irgendwie nicht so richtig. Wir folgen ihm trotzdem und stoßen ähnlich dem Sandsteinbruchpfad bei Wehlen, auf kleine und versteckte Häuser, glatte und meterhohe Wände sowie jede Menge herumliegender Sandsteinbrocken – Zeitzeugen längst vergangener Tage.

Denn wenn man diesem Trampelpfad folgt, wandert man auf fast 800-jähriger Geschichte. Bereits im 12. Jahrhundert wurde begonnen, Elbsandstein als Baumaterial abzubauen. Die steinerne Elbbrücke, der Zwinger und die Frauenkirche in Dresden aber auch der Dom in Meißen sind größtenteils aus dem Sandstein erbaut, der entlang der Elbe zwischen Wehlen und Postelwitz gewonnen wurde. Der Transport auf dem Fluss machte es sogar möglich, das teure Gut über Hamburg bis nach Skandinavien oder Leningrad zu verschiffen.

Dabei war die Arbeit schwer und müßig. Mit extra dafür hergestellten Werkzeugen wurden von Hand tiefe Scharten in die Felswand geschlagen, die – je breiter und tiefer der Spalt wurde – vorerst mittels Holzbalken gestützt wurden. War der Spalt dann tief genug, manchmal sogar bis zu 15 Meter tief, wurden die Stützbalken abgebrannt, der Sandsteinblock brach aufgrund seines Eigengewichts ab und stürzte auf ein vorher bereitetes Holzbett in die Tiefe, wo er unter einer riesigen Staubwolke liegen blieb. Dort konnte er dann von den Arbeitern zu Quadern weiterverarbeitet und anschließend über die Elbe an seinen Zielort transportiert werden. Eine harte Arbeit. Nur selten wurden die Ausschläger und Hacker älter als 40 Jahre.

Von Bad Schandau wandern zur Aussicht über die Breite Kluft
Von Bad Schandau wandern zur Aussicht über die Breite Kluft
Zurück nach Bad Schandau wandern über den Trampelpfad entlang der alten Steinbrüche

Zurück nach Bad Schandau wandern

Mit diesem Wissen im Hinterkopf wandern wir den Trampelpfad gemächlich zurück nach Bad Schandau. Es soll ja hinterher nicht heißen, dass man auf meinen Wanderungen nicht auch noch was lernen könnte. Kurz bevor wir wieder auf die Hauptstraße stoßen, der wir anschließend ein paar Meter folgen, zweigt am Zahnsberg linkerhand eine kleine Treppe zu einer Kneipp-Badestelle ab. Da wir lang und ausgiebig gewandert sind, nutzen wir die Gelegenheit, um unseren geschunden Füßen etwas Erholung zu bieten. Dumm nur, dass so früh im Jahr das Wasser noch extrem kalt ist. Nichtsdestotrotz; den Mutigen gehört die Welt. Auch wenn sie morgen mit einer Erkältung im Bett liegen. Wir steigen in das kleine Becken, umrunden die Haltestange in der Mitte und spüren schon auf halber Strecke die Füße nicht mehr. Na, wenns schee macht…

Entlang des Radwegs an der Elbe führt uns die Wanderung zurück in die Stadt Bad Schandau. Die Sonne steht tief und scheint uns direkt ins Gesicht. Ein laues Lüftchen weht vom Fluss herüber und versetzt uns fast augenblicklich in sommerliche Stimmung. Und in Wehmut. Wer weiß, wann es das nächste Mal eine gemeinsame Zeit, eine gemeinsame Wanderung geben wird. Die Fallzahlen steigen wieder und der nächste Lockdown scheint bereits vor der Tür zu stehen. Digital kann man zwar Kontakt halten, aber persönlich ist dann doch immer noch etwas ganz anderes. So viel Einsicht in das Leben meiner Freunde habe ich ungewohnt lange nicht mehr bekommen. Danke für diesen wunderbaren Tag. Danke, dass ihr dabei ward. ◆

Informationen

HINKOMMEN.
S-Bahn S1 bis Bahnhof Bad Schandau, von dort mit der Fähre zur Stadtmitte übersetzen. Der Fährpreis ist im S-Bahn-Ticket inkludiert.
Mit dem Auto bis zum kostenlosen P+R-Parkplatz am Bahnhof und ebenfalls mit der Fähre übersetzen. Dann kostet die Fähre allerdings 2,50 € (Hin- und zurück, Stand 2021).

AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es schon ein wenig Ausdauer, Schwindelfreiheit auf den Schrammsteinen und festes Schuhwerk. Nur mit Turnschuhen könnte es auf dem Sandstein etwas glatt werden.

UNTERKUNFT.
Empfehlenswert und als Ausgangspunkt für diese Wanderung sind das Parkhotel Bad Schandau bzw. das Hotel Lindenhof.

ESSEN & TRINKEN.
Da es sich um eine Tageswanderung handelt, wäre es auf jeden Fall gut, etwas zu Trinken (vor allem im Sommer) dabei zu haben. Unterwegs gibt es keine Einkehrmöglichkeiten. Lediglich in Bad Schandau gibt es jede Menge unterschiedliche Restaurants bzw. in der Pension Schrammsteinbaude, die aber auf dieser Wanderung eigentlich nur gestreift wird.

Tipps

BESONDERER TIPP.
Es empfiehlt sich ein Picknick unterwegs entweder auf den Schrammsteinen oder den Sandsteinbrüchen einzuplanen. Die Aussicht auf ersteren ist wirklich wunderbar und es lohnt sich, hier eine längere Pause zu machen.

GUT ZU WISSEN.
Die Schrammsteine gehören zu einem der touristischen Hotspots des Elbsandsteingebirges. Gerade an Wochenenden oder zur Hochsaison sind sie teilweise sehr überlaufen und benötigt es an den Zuwegen und den Aussichtspunkten Geduld und Zeit.

AUCH GUT ZU WISSEN.
Hin und wieder kann es passieren, dass inmitten des Nationalparks Wege gesperrt sind. Das sollte aber niemanden davon abhalten, diese Tour zu wandern, da es meist eine gut ausgeschilderte Umgehung gibt. Weitere und vor allem tagesaktuelle Infos gibt es hier.

GESCHICHTE TO GO.
Zu den Sandsteinbrüchen entlang der Elbe gibt es auf der Webseite von Andreas Bartsch jede Menge Infos. Zudem bietet er darüber hinaus auch noch geführte Wanderungen an, die sehr unterhaltsam sind und sich echt lohnen: steinbruchfuehrungen.de

Wanderkarte

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