Frühlingserwachen im Forst Jungfernheide

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Im Berliner Nordwesten liegt nicht nur der ehemalige Flughafen Tegel, sondern auch der Forst Jungfernheide. Dort kann man der Großstadt auf einer gemütlichen Wanderung recht abwechslungsreich entfliehen.
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Was bleibt von einer Großstadt, wenn es nichts mehr gibt, was hilft abzulenken? Keine Theater oder Kinos offen sind, keine Partys stattfinden, ja selbst der Restaurantbesuch ausbleiben muss? In guten Zeiten ist Berlin alles davon. Ohne jedoch ist es groß, laut und schmutzig. Gerade im letzten Jahr schälte sich auf diese Frage eine äußerst unangenehme Antwort heraus: ohne vielfältige Zerstreuungsmöglichkeiten verkommt die Großstadt zu einer Ansammlung von viel zu vielen Menschen auf viel zu engem Raum. Aber zum Glück ist Berlin obendrein noch richtig grün. Viel grüner zumindest als vergleichbare Großstädte. Hin und wieder kann man dieser Enge dann durch die Nähe zu großen Waldgebieten ganz gut entfliehen. Zum Beispiel in den Grunewald, auf die Müggelberge oder eben – ganz neu für mich – in den Forst Jungfernheide. Im Bezirk Tegel gelegen lädt der nämlich zu einer abwechslungsreichen Wanderung ein. Und Abwechslung tut bei all den Beschränkungen ja nun wirklich mal gut…

Rundwanderung im Forst Jungfernheide

Von der Bushaltestelle führt mich der Weg fast augenblicklich in Richtung Tegeler See. Was aber genau genommen gar kein eigenständiger See ist sondern eine Bucht der Havel. Die mäandert etwas weiter westlich an Berlin vorbei und schickt ihr sauberes Wasser bis in diese Einbuchtung. Zur Übersetzung für Freunde Skandinaviens: in Norwegen würde das ganze schonmal als Fjord bezeichnet werden. Auch wenn die kühle Brise vom Wasser noch Reste des Winters in sich trägt: das ist immer noch Berlin, Babe.

Während meiner Wanderung auf sandigen Pfaden entlang des Ufers, dringen vom Wasser zaghafte Rufe eines balzenden Erpels. Gepaart mit den trommelnden Lauten eines mir unbekannten Vogels aus dem Schilf, wäre das dann der erste Frühlingsgruß von Mutter Natur nach diesem kurzen aber kalten Winter. Nur die hin und wieder über den See schallenden Anweisungen eines Trainers, der mittels Megafon seine Schützlinge anspornt, gleichmäßiger zu rudern, unterbricht für kurze Momente die natürliche Ruhe. Wenig später gleiten dann die Ruderboote fast lautlos an mir vorüber.

Am Reiswerder Strand im Forst Jungfernheide trifft Natur auf Mensch. Egal ob zum Angeln, für den Rudersport oder zum Baden – der Tegeler See ist beliebt.
Am Reiswerder Strand im Forst Jungfernheide trifft Natur auf Mensch. Egal ob zum Angeln, für den Rudersport oder zum Baden – der Tegeler See ist beliebt.

Vorbei am Spandauer Schiffahrtskanal

Nach den Villen und Bungalows am Saatwinkel, folgt der Weg auf einem kurzen Stück dem Fahrradweg entlang des Spandauer Schifffahrtskanals. Der ist zwar an den Wochenenden von Ausflüglern ziemlich gut besucht, verläuft aber abseits großer Straßen und ist damit dennoch erstaunlich ruhig. Am Rand des Wegs blühen Kirsch- und Magnolienbäume in den schönsten Farben. Aus angrenzenden Schrebergärten dringen die Rufe spielender Kinder, während die Eltern mit kühlem Bier in der Hand die ersten Würste auf dem Rost durchgaren. In der Luft liegt somit der typische Duft eines deutschen Frühlings. Auch am Rande des Forst Jungfernheide wabert somit eine gesunde Mischung aus Bratwurst und Kirschblüte. Möchte man doch am liebsten abfüllen und für die Ewigkeit aufbewahren.

An der Tegeler Brücke wird es beim Überqueren der Hauptstraße nochmal kurz laut, bevor der Wanderweg oberhalb eines Übungsgeländes in Richtung ehemaliger Flughafen abzweigt. Durch hohen Laubwald folge ich erst dem Trampelpfad, wenig später einem breiten Forstweg und stehe kurz danach am Zaun des Flughafens. Im Schatten hoher Fichten verrottet in Sichtweite der Korpus einer alten Boeing 707. Als Geschenk des Herstellers an die Lufthansa wußte die nach dem Ausmustern nicht so richtig was mit ihr anzufangen. Seitdem wird das gute Stück immer mal wieder für Feuerlöschübungen in dieser äußersten Ecke, direkt neben Start- und Landebahn mißbraucht.

Was nun aber nach Schließung des Flughafens mit dem Flugzeug geschieht, bleibt offen. Ziemlich cool anzuschauen ist es trotzdem. Auch wenn der über zwei Meter hohe Zaun ein Hinkommen unmöglich macht.

Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel steht in unmittelbarer Nähe zum Forst Jungfernheide der Korpus einer alten Boeing 707.
Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel steht in unmittelbarer Nähe zum Forst Jungfernheide der Korpus einer alten Boeing 707.

An den Seen des Forst Jungfernheide

Entlang des besagten Zauns windet sich der Weg um die Start- und Landebahn des Flughafens herum. In weiter Ferne glitzern Tower und Hangars gespenstisch und verlassen in der Sonne. Aus dem Wald dringt ein erstes Rauschen zu mir herüber, auf dem Weg begegne ich Ausflüglern: Eltern, die voller Stolz Kinderwägen schieben, Fahrradfahrer und andere Wanderer. Der Forst Jungfernheide scheint beliebt, ist er doch nur einen Katzensprung von der quirligen Zivilisation entfernt.

Am nördlichen Ende zweigt der Weg ab in Richtung Nordbecken. Das ist nicht nur ein kleiner See sondern gleichzeitig ornithologisches Biotop und steht unter Naturschutz. Auch hier trommelt und zirpt es im Schilf, balzen die Männchen um die Gunst der Weibchen. Frühling halt. Von einer Bank etwas oberhalb des Sees genieße ich einen wunderbaren Blick und lasse mich von den Geräuschen für einen Moment einlullen.

Um das Nordbecken herum führt mich der Wanderweg zum Flughafensee. Der war ursprünglich mal ein Kiestagebau und wurde nach dessen Schließung 1978 geflutet. Was ihn ganz nebenbei mit seinen über 34 Metern zum tiefsten See Berlins macht. Heute verfügt er über mehrere Badestrände, die zumeist, wie der im Nordwesten, sandig und an heißen Sommertagen dementsprechend stark frequentiert sind. Aktuell liegt der Strand aber verhältnismäßig ruhig und glitzert das Wasser einladend in der Sonne.

Der Flughafensee im Forst Jungfernheide lädt im Sommer zum Baden ein und an allen anderen Tagen zum Wandern oder Spazierengehen
Der Flughafensee im Forst Jungfernheide lädt im Sommer zum Baden ein und an allen anderen Tagen zum Wandern oder Spazierengehen

Vom Flughafensee zurück durch den Forst Jungfernheide

Über dem See weht eine samtweiche Brise, während am Ufer Kinder im Sand spielen. In sicherer Distanz schwimmt ein Paar Schwäne stolz aber neugierig vorbei. Ich nutze die Möglichkeit, setze mich auf einen sandigen Vorsprung und halte mein Gesicht in die hochstehende Sonne. Die Wärme, die sie auf meiner Haut erzeugt, ist wunderbar. Es ist nicht mehr die Wärme eines kalten Wintertags, die einen daran erinnert, dass man eigentlich friert, aber auch noch nicht die Hitze eines viel zu heißen Sommers, die einen zwingt, kühleren Schatten aufzusuchen. Es ist die Wärme eines Frühlings, eine Art Erlösung aus winterlicher Starre, die einen deutlich spüren lässt, dass man am Leben ist.

Der Rückweg ist schnell erzählt. Vorbei am Jungfernheideteich, der in seiner Senke eigentlich wie ein kleines Moor ausschaut und vom kriminellen Charme eines Tatorts umweht wird, führt der Weg durch hochgewachsene Bäume zurück in Richtung Bushaltestelle. Auf diesem letzten Kilometer lasse ich meine Gedanken noch einmal frei laufen, bevor es wieder zurück in die städtische Enge geht. Zu schön war dieser kurze Moment des Entfliehens und bin ich immer wieder dankbar, dass es in Berlin trotz aller Enge und Einschränkungen so viele Zufluchtsorte gibt.

Und obendrein: Es ist Frühling. Endlich.

Die Vögel des Schutzgebiets lasen sich von zahlreichen Aussichtsplattformen am Flughafensee im Forst Jungfernheide beobachten.
Die Vögel des Schutzgebiets lasen sich von zahlreichen Aussichtsplattformen am Flughafensee im Forst Jungfernheide beobachten.

Tipps, Infos & Karte

Achtung: Diese Tour ist nicht ausgeschildert, da aus unterschiedlich markierten Wanderwegen miteinander verbunden. Es empfiehlt sich, die Karte auszudrucken oder auf dem Smartphone zu speichern.

HINKOMMEN.
Mit dem Bus Nr. 133 bis zur Haltestelle Wasserwerk Tegel.
Mit dem Auto gibt es entlang der Bernauer Straße jede Menge Abstellmöglichkeiten. Aus Gründen der Nachhaltigkeit empfehle ich aber trotzdem den ÖPNV.

AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es keine besondere Fitness oder Ausrüstung. Einfach nur Lust am Laufen und Entdecken mitbringen.

ESSEN & TRINKEN.
Da es sich bei entsprechender Witterung auch um eine Tageswanderung handeln könnte, wäre es vor allem im Sommer nicht verkehrt, Essen und Trinken dabei zu haben. Wer dennoch unterwegs speisen möchte kann das im Bootshaus Seeblick, dem Kiosk im Saatwinkel oder dem Jägerhäuschen tun. Ist zwar alles deftige Kost, liegt aber gebündelt auf ungefähr halber Strecke.

KLEINER TIPP.
Im Sommer einfach mal mit der Fähre auf die Insel Reiswerder übersetzen und eine längere Pause an der Inselbaude machen. Dort gibt es unglaublich leckeres, vor allem aber selbstgebrautes Bier.

SOMMER-TIPP.
Bei entsprechenden Temperaturen unbedingt Badesachen einpacken! Entlang des Tegeler bzw. des Flughafensees gibt es jede Menge Strandbuchten, in denen man wunderbar baden kann. An Sommer-Wochenenden sind die jedoch meist restlos überlaufen.

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