Sanft raschelt von der Sonne getrocknetes Laub im seichten Wind und laut zirpen Grillen im öden Gras. Von weit entfernt dringt rauschender Autobahnverkehr unterhalb des Berges leise bis zum Gipfel empor. Je nachdem aus welcher Richtung der warme Sommerwind kommt, mischt er sich mit dem kraftvollen Plätschern des Toce, der smaragdgrün in der Sonne glitzert und wasserreichster Zuflusses des Lago Maggiore ist. In der Nähe von Mergozzo mündet er kraftvoll und kalt in den See, der schon jetzt im Frühsommer angenehm warm und Ausgangspunkt vieler Wanderungen ist.
In mir macht sich Friede breit. Ich stehe auf dem Gipfel des Mont‘Orfano der trotz seiner niedrigen Höhe von knapp 800 Metern jede Menge toller Ausblicke bereit hält. Selten stand ich so glücklich auf einem Berg und atmete Freiheit fast grenzenlos. Weit lasse ich den Blick vom Lago di Mergozzo bis in den Dunst des Lago Maggiore schweifen. Letzterer verschwindet in scheinbar endloser Weite und wirkt dadurch sehr viel größer als er eigentlich ist. Noch ein, zwei Atemzüge dieser friedlichen Stimmung – dann heißt es für mich weitergehen.
Frühchristliche Geschichte in Montorfano
Unterhalb des Gipfels komme ich in eine kleine und verschlafene Siedlung, die den gleichen Namen wie der Berg trägt: Montorfano. An ihrem südlichen Ende schläft ein kleines Juwel, das die Jahrhunderte schadlos überdauert hat. Durch die engen aber gepflegten Gassen voll altertümlicher Wohnhäuser und Gehöfte schlängelt sich der steinerne Weg bis an ihre Pforte. Die niedrige und schlichte Basilika stammt zwar neuesten Schätzungen zufolge aus dem 11. Jahrhundert. Viel interessanter sind jedoch die in den 1970ern gemachten Funde. Die dabei ausgegrabenen Grundmauern weisen auf christliche Vorgängerbauten schon im 5. Jahrhundert hin, was – wie ich von einer Einheimischen erfahre – ungewöhnlich ist. Denn damit zählen diese Entdeckungen mit zu den ältesten der gesamten Christenheit.
Wer meinen Blog aufmerksam liest, kennt mein Faible für frühzeitliche Ausgrabungen. Umso weniger darf es daher verwundern, dass ich hier sofort Feuer und Flamme bin. Der Innenraum der Basilika ist schlicht und besteht zum großen Teil aus weißem, grob geschliffenem Granit. Der stammt selbstredend aus dem Steinbruch in der Nähe. Auch das Taufbecken im Boden erregt meine Aufmerksamkeit. Offenbar, so werde ich aufgeklärt, war es im frühen Christentum üblich, bei einer Taufe den ganzen Körper unter Wasser zu tauchen. Grob geschätzt stelle ich fest: zwischen Taufbecken und Swimmingpool bestand damals nur ein klitzekleiner Unterschied.
Entlang des Steinbrecherwegs bis nach Mergozzo
Von Montorfano führt der Wanderweg entlang eines alten Steinbrecherpfads. An ihm ist auch heute noch gut zu erkennen, wie der gehauene Stein früher ins Tal geschafft wurde. Der mit Wackersteinen ausgelegte Weg weist an vielen Stellen Abschürfungen auf. Damals wurden die grob geschlagenen Brocken mittels Hanfseil und Manneskraft aus dem Steinbruch langsam ins Tal hinab gerutscht. Eine Mauer zur linken bot den Handwerkern Halt und sicheren Tritt, während es zur rechten steil zum Lago di Mergozzo hinab geht. Der schimmert immer häufiger glasklar durch die Büsche und so langsam merke ich, dass es auch heute wieder ein warmer Sommertag werden wird.
Vorbei an kleinen Wasserquellen, die damals wie heute für Abkühlung und Erfrischung sorgen, führt der Wanderweg immer weiter in Richtung Mergozzo, welches ich auch nach knapp einer Stunde erreiche. In größter Mittagshitze ruht der Ort und hält scheinbar Siesta. Mittlerweile sind die Temperaturen erneut über 30 Grad geklettert und merke ich beim Verlassen des Waldes jedes einzelne davon.
Entdeckungen in Mergozzo
Mergozzo liebt seine Besucher. So zumindest nehme ich die Stimmung wahr. Ich werde von Wildfremden freundlich in den Gassen gegrüßt, ein Kellner versucht mich mit einem Wink in sein Café direkt am See zu locken und auch die Hochzeitsgäste vor der Kirche nicken mir wohlgesonnen zu. Meine Neugier jedoch zieht ein kleines Atelier direkt gegenüber auf sich. Die Tür steht weit offen und verspricht dunkle aber angenehme Kühle. An den Wänden hängen abstrakte Kunstwerke, verschiedene Skulpturen stehen auf Simsen und Kommoden, unterhalb des einzigen Fensters steht ein großer Tisch mit benutzten Malerutensilien darauf. Daran sitzt ein alter Mann mit schlohweißem Haar über seine Arbeit gebeugt.
Als er bemerkt, dass ich ungefragt den Raum betrete, steht er auf, begrüßt mich und lächelt mich zahnlos aber spitzbübisch an. Seine wachen und neugierigen Augen folgen aufmerksam meinen Lippen, er scheint schwerhörig. Noch während ich mich versuche, gestikulierend zu verständigen, kommt seine Tochter mit gefüllten Beuteln vom Einkauf zurück. Zufälligerweise spricht sie ein wenig deutsch und übersetzt für mich. So erfahre ich, dass Mergozzo, dieses scheinbar verschlafene Nest im Norden des Lago Maggiore, mehr Künstler beherbergt als viele andere Orte Italiens. Auf die knapp 1.600 Einwohner kommen hier mehr als 50 Künstler und ihr Vater, Giuseppe Lusetti, ist einer davon.
Steinerne Berühmtheit
Und ein berühmter noch dazu. In mühevoller Arbeit schuf er nämlich die längste Steinkette der Welt, die – man höre und staune – als Ganzes aus einem einzigen Block Granit gefertigt wurde. Jedes Glied davon – in Summe 249 – wurde von ihm aus diesem einen Block gehauen und nicht, wie scheinbar sonst üblich, nachträglich miteinander verklebt. Mit ihrer Gesamtlänge von fast 30 Metern und einem Eigengewicht von über 400 Kilogramm schaffte sie es 2011 sogar ins Guiness-Buch der Rekorde. Und zur Zeit ebenfalls auf die Biennale in Venedig. Dort wird sie nämlich 2019 ausgestellt und kann von jedermann bewundert werden.
Auch wenn Giuseppe seit einem Herzinfarkt vor einigen Jahren die Finger, die er so dringend für seine Kunst benötigt, nicht mehr richtig bewegen kann, werkelt und tüftelt er weiter. Mit seinen 82 Jahren lässt sich noch so vieles mit Pinsel und Farbe entdecken, meint er. Ich wünsche ihm alles erdenklich Gute und bin dankbar für den Einblick in das kleine Atelier an der Via Sempone und damit in die Künstlerwelt von Mergozzo.
Manchmal muss man eben einfach nur seiner Neugier folgen und aus einer kleinen Wanderung wird eine große Entdeckung.
Übernachtung in der Nähe von Mergozzo
Zwischen dem Lago Maggiore und dem Lago di Mergozzo und direkt in der Nähe der Mündung des smaragdgrünen Flusses Toce gibt es eine wunderbare Möglichkeit der Übernachtung: Camping Village Conca D‘Oro. Auf einer Gesamtfläche von über 36.000 Quadratmetern kann man nicht nur sein Zelt aufschlagen, den Van oder Camper abstellen sondern auch in zum Teil luxuriös ausgestatteten Tiny Houses sowie im ganz neu angelegten Village mit Swimmingpool übernachten.
Direkt davor lockt ein wunderbarer Sandstrand zum sommerlichen Bad, das Restaurant überrascht mit lukullischer Vielfalt auf hohem Niveau und auch für Selbstversorger findet sich ein Markt unter schattigen Bäumen.
Eine dringende Empfehlung für all jene, die Abenteuer gern mit Komfort und Anspruch verbinden.
Weitere Informationen gibt es direkt auf der Webseite des Camping Village Conca D‘Oro.
Hinweis in eigener Sache (Disclaimer)
Meine hier beschriebenen Eindrücke durfte ich im Rahmen einer Pressereise sammeln, eingeladen und veranstaltet von Maggioni Tourist Marketing. Dabei sind mir Anreise, Unterkünfte und Verpflegung zur Verfügung gestellt worden, wofür ich mich recht herzlich bedanken möchte. Auf meine abschließende Meinung oder redaktionelle Freiheit wurde keinerlei Einfluss genommen. Diese entspricht ausschließlich meiner persönlichen Sicht.