Dunst hängt über dem Lago Maggiore. Seit Tagen schon, sagen die Einheimischen. Die Hitze drückt, alles wirkt irgendwie milchig. Wie durch den Schleier einer Braut erblicke ich, mit dem Auto von Mailand kommend, den zweitgrößten See Norditaliens von seiner eher gemütlichen Seite. Bedächtig und träge schunkeln Segelboote über das spiegelglatte Wasser und versteckt sich das gegenüberliegende Ufer hinter der Dunstglocke. Scheinbar endlos wirkt das Gewässer.
In Baveno angekommen, drückt die Hitze offenbar nicht nur auf die Sicht. Auch die Einwohner kommen mir gelassen vor. Am öffentlichen Stadtstrand entspannen Erwachsene im weißen Sand und toben Kinder im kristallklaren Wasser. Durch eine Mauer von der Promenade getrennt und direkt hinter dem Stadtpark gelegen, finden an dieser Stelle Touristen und Einheimische gleichermaßen Erholung. Auch ich stelle mich kniehoch ins Nass und stelle fest: das Wasser ist angenehm warm. Augenblicklich verspüre ich den Drang, hineinzuspringen. Doch die Zeit drängt, Baveno will erkundet werden und bietet schließlich noch so viel mehr.
Baveno und der Granit
Am Stadtrand, direkt gegenüber eines riesigen Supermarkts mit großflächigen Parkmöglichkeiten, werde ich von Marcello Marchi in seinem Atelier empfangen. Was auf den ersten Blick wie ein herkömmlicher Steinmetz von Grabsteinen ausschaut, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als kunstaffiner Versteher seines Fachs. Durch die Halle einer modernen Anlage zur Bearbeitung des robusten Materials führt er mich in ein kleines, verstecktes Gebäude, bei dessen schief hängender Tür ich den Kopf einziehen muss. Es braucht einen Moment, bis meine Augen sich an den dunklen, dafür angenehm kühlen Raum gewöhnt haben.
Die unverputzten und weiß verkalkten Wände sind übersät mit Fotografien aus längst vergangenen Zeiten. Auf ihnen abgebildet sind Monumente, Statuen, Gebäude. Alles erbaut und geschaffen mit Hilfe des berühmten Raffaele Polli aus Baveno. Von den Nachkommen übernahm Marcello 2001 den Betrieb aus dritter Generation. Und damit auch die Tradition, für die er stand.
Um die Geschichte des Steins am Lago Maggiore zu verstehen, muss man wissen, dass in den hochaufragenden Bergen rund um Baveno eine Seltenheit vorkommt. Die nennt sich rosa Granit und ist mittlerweile so rar wie die blaue Mauritius. Und Polli war ein Meister seines Fachs. Skulpturen aus seiner Werkstatt stehen noch heute in Frankreich, Brasilien, Amerika, ja weltweit. Und natürlich in Italien. In den Steinbrüchen der Umgebung abgebaut wird er in diesem Betrieb seit über 100 Jahren von Meisterhand bearbeitet. Auch wenn heutzutage die Kraft des Wassers hilft, Wünsche der Künstler umzusetzen, ist es doch nach wie vor kunstvolle Handarbeit, die erst formvollendete Werke schafft. Und auf die Marcello Marchi zurecht sichtlich stolz ist.
Kirche & Museum – ein Steinrundgang durch Baveno
Vom Steinmetz am Stadtrand führt mich mein weiterer Weg direkt ins Zentrum von Baveno. Immer mit Blick auf den Lago streife ich die Landungsbrücken anlegender Fähren zu den Borromäischen Inseln, verweile kurz vor dem lieblich-idyllischen Rathaus im Zentrum und bleibe schließlich vor der Kirche „Chiesa dei Santi Gervaso e Protaso“ stehen. Auch diese, wie könnte es anders sein, aus dem Granit des nahen Steinbruchs von Baveno erbaut.
Mich beeindruckt die romanische Architektur mit ihrer scheinbar verspielten Einfachheit. Während ich langsam durch den Kreuzgang schlendere, lasse ich die Ruhe und Besinnlichkeit dieses Ortes auf mich wirken. Der Trubel der Uferpromenade bleibt dabei zum Glück außen vor.
Ausflug in die Geschichte des Steins
Direkt neben der Kirche steht recht unscheinbar der ehemalige Palazzo Pretorio. Darin ist heute neben dem Tourismusbüro auch das Museo Granum untergebracht, eine Art Heimatmuseum für Stein. Auf zwei Etagen verteilt entführt mich Enrico, seines Zeichens Geologe, in die Geschichte des Steinbaus rund um Baveno. Von ihm erfahre ich, dass Abbau und Verarbeitung des Granits in dieser Region eine sehr lange Tradition besitzen. Gerade der rosa Granit war in seiner Färbung so einzigartig und heiß begehrt, dass er sich noch heute in Bauwerken überall auf der Welt finden lässt. So zum Beispiel in der Kathedrale von Mailand, die vornehmlich aus dem Granit Bavenos gebaut wurde, dem Parlament in Zürich oder der Christoph-Kolumbus-Statue in New York.
In einem kurzen Exkurs schildert Enrico unter welch unwirtlichen Bedingungen der Stein seit Jahrhunderten hier abgebaut wurde. Und wird! Noch immer sind 15 der einstmals weit über 90 bewirtschafteten Steinbrüche intakt und wird aus ihnen das begehrte Material gewonnen. Wobei sich die Art der Gewinnung mittlerweile modernen Methoden angepasst hat. Wurde der Stein anfänglich mit einfachen Eisenwerkzeugen und viel Körperkraft aus dem Berg geschlagen, hilft heutzutage eine wohldosierte Sprengung, die bis weit über den See zu hören sein soll.
Spaziergang durch die Zeit
Das Museum verlassend tauche ich tiefer in die Geschichte Bavenos ein. Direkt dahinter beginnt nämliche die eigentliche Altstadt, die mit einfachen aber reich verzierten Häusern aufzuwarten weiß. Durch enge und verwinkelte Gassen stromere ich ein wenig durch die Gegend und fühle mich tatsächlich in die Geschichte zurückversetzt.
Als ich erneut am Vorplatz der Kirche ankomme biege ich dieses Mal kurz vorher in die nördliche Nebenstraße ein. Deren Ende verbirgt ein künstlerisches Highlight, das auf normalen Touristenpfaden eher ungesehen bleiben dürfte. Denn der Abzweig zum Piazza Giacomo Matteotti, einem Parkplatz, lohnt sich. Auf der Rückseite wartet ein riesiges Kunstwerk auf seine Betrachter.
Der Maler Gilberto Carpo huldigt an dieser Stelle in seinem 1979 geschaffenen und über 12 Meter großen Gemälde dem Abbau und der Verarbeitung des Steins in Baveno. Detailliert und überlebensgroß wird der anstrengende Vorgang von der Gewinnung bis zur endgültigen Bestimmung abgebildet und gewinnt der Betrachter so einen malerischen Einblick in dieses umfangreiche Handwerk.
Zurück in die Gegenwart
Lange bleibe ich davor stehen und beginne langsam zu erfassen, dass die Verarbeitung von Granit, vielmehr dem Stein insgesamt, mehr als nur das Zerlegen und Schaffen von Baumaterial bedeutet. Um letztlich solch großartigen Skulpturen zu kreieren, wie sie von Baveno aus in die Welt gegangen sind, braucht es nicht nur Verständnis vom Fels und Feingefühl für das Führen der Instrumente. Es braucht vor allem Geduld. Und ganz viel Liebe.
An dieser Stelle schließt sich mein Kreis, den ich beim Steinmetz Marcello Marchi begonnen habe und der mich einmal quer durch das bezaubernde Baveno führt. Vom riesigen Gemälde laufe ich direkt zurück an den Strand. Zu verlockend habe ich das Wasser des Lago Maggiore in Erinnerung und eine Erfrischung tut nach solch einem Stadtrundgang sicher gut. Morgen sind dann eh geplant, Rucksack und Wanderschuhe zu schnüren und die umliegende Bergwelt ein wenig näher zu betrachten. Doch für heute heißt es erst einmal: Baden und Relaxen.
Na dann: Willkommen in Baveno. Willkommen am Lago Maggiore.
Anreise nach Baveno
MIT DEM AUTO
Die kürzeste Strecke führt am Bodensee vorbei durch die Schweiz bis nach Baveno. Die Strecke Berlin-Baveno umfasst ca. 1.000 Kilometer.
ACHTUNG: gebührenpflichtige Abschnitte!
MIT DEM ZUG
Von Deutschland aus am günstigsten über Basel oder Zürich. Von München aus mit Umstiegen in Verona und Mailand. Baveno hat einen Bahnhof und kann direkt erreicht werden.
MIT DEM FLUGZEUG
Direktflüge aus allen großen deutschen Städten nach Mailand. Von dort mit der Bummelbahn weiter bis nach Baveno. Die Bummelbahn fährt durch, ein Umsteigen ist nicht erforderlich.
ACHTUNG: wegen des ökologischen Fußabdrucks empfiehlt sich wenigstens eine Kompensation des dabei verursachten CO2 bei atmosfair.
Übernachten in Baveno
HOTEL ALPI
Kleines, gemütliches und familiengeführtes Hotel mit dem Charme typischer Bäderarchitektur. Preisniveau: mittel.
Weitere Informationen ->
NOCH MEHR INFOS gibt es auf der Webseite des Tourismusbüros von Baveno am Lago Maggiore.
Hinweis in eigener Sache (Disclaimer)
Meine hier beschriebenen Eindrücke durfte ich im Rahmen einer Pressereise sammeln, eingeladen und veranstaltet von Maggioni Tourist Marketing. Dabei sind mir Anreise, Unterkünfte und Verpflegung zur Verfügung gestellt worden, wofür ich mich recht herzlich bedanken möchte. Auf meine abschließende Meinung oder redaktionelle Freiheit wurde keinerlei Einfluss genommen. Diese entspricht ausschließlich meiner persönlichen Sicht.