Von Dresden aus ist man – eins, zwei, drei – ganz schnell in der Sächsischen Schweiz. Einfach am Hauptbahnhof in die S-Bahn steigen und 30 bis 40 Minuten später ist man mitten im Sandsteingebirge. Und weil das so schnell und einfach geht, ist die Region gerade an Feiertagen oder am Wochenende auch entsprechend – ich sag mal wohlwollend – gefüllt. Obwohl eigentlich überfüllt.
Aber wenn man die Geheimwege kennt, die nicht jeder Tourist oder Influencer auf seiner To-Do-Liste hat, dann kann man in den Bergen der Sächsischen Schweiz ganz entspannt und ruhig wandern. Gerade bei der heutigen Tour, die ich gemeinsam mit meiner noch sehr rüstigen Frau Mutter unternehme, ist das besonders von Vorteil. Denn der spannendste Aufstieg zum Oberen Terrassenweg führt über den Klettersteig an der Rotkehlchenstiege. Und die kann – wenn zu viele Leute drauf sind – bei Überfüllung ganz schön ungemütlich werden. Zu unserem Glück: das ist sie nicht. Weder ungemütlich noch überfüllt.
Und so starten wir unsere Wanderung im Bio-Ökodorf Schmilka, das sich in den letzten Jahren zu einem wahren Kleinod entwickelt hat. Allein das selbstgebraute Bier ist eine Pause wert! Aber die heben wir uns für den Rückweg auf. Denn hier, wo wir starten, kommen wir auch wieder an.
Übrigens: Bis nach Schmilka braucht man mit der S-Bahn vom Dresdner Hauptbahnhof genau 50 Minuten. Dann kommt die Grenze und Deutschland ist zu Ende. Nicht aber das Elbsandsteingebirge. Das erstreckt sich noch bis Děčín und bietet auch dort allerhand schöne Wanderungen. Wer welche rund um Děčín kennt, kann sich gerne bei mir melden. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Abenteuern.
Von Schmilka durch den Falkoniergrund zur Rotkehlchenstiege
In Schmilka setzen wir mit der Fähre über. Sofern man tatsächlich mit der S-Bahn anreist, kostet die Fährfahrt nichts extra und ist im Fahrpreis enthalten. Von der Elbe aus führt der Wurzelweg zunächst durch den Ort, dann durch dichten Wald. Doch der lichtet sich mit jedem Meter. Die Wälder der Sächsischen Schweiz leiden stark unter dem Befall des Borkenkäfers und so werden vorsorglich viele der befallenen Nadelbäume gefällt. Kein schöner Anblick von den Tafelbergen und ich fürchte, der Kampf gegen den winzigen Feind ist längst verloren.
An der Zwieselhütte folgen wir kurz dem Elbleitenweg, bevor uns ein Kletterschild nach Osten zur Rotkehlchenstiege weist. Zuerst steigen wir über Sandboden und weiche Wurzeln, wenig später über Holzbohlen und steinige Stufen. Nach kurzer Zeit stehen wir auf der ersten Anhöhe im Falkoniergrund. Zwischen den noch kahlen Bäumen erhaschen wir einen ersten Blick auf das hintere Schrammsteingebiet. Sofort zieht mich die Sandsteinwelt wieder in ihren Bann. Immer, wenn ich in der Sächsischen Schweiz unterwegs bin, brauche ich nur wenige Meter, um alle Alltagssorgen zu vergessen. Auch wenn ich beim Anblick der steilen Wand, die vor uns in den Himmel ragt, schon ins Grübeln komme. Ob das nicht doch ein bisschen zu viel für meine liebe Frau Mama ist?
Als ich ihr meine Befürchtungen mitteile, lächelt sie ihr typisches wissendes Lächeln und gibt mir damit unausgesprochen zu verstehen, dass ich mal wieder ängstlicher bin als sie. Na gut, versuchen wir es. Noch eine Anmerkung am Rande: Irgendwie habe ich den auf der Karte eingezeichneten Treppenaufstieg nicht gefunden. Allerdings würde ich die Schwierigkeit des hier beschriebenen Klettersteigs – wenn überhaupt – auf Grad A schätzen und ist er auch ohne Sicherung sehr gut zu meistern.
Von der Rotkehlchenstiege über den Oberen Terrassenweg zur Breiten Kluft
Jo, das ist dann doch ne ganz wunderbare Kletterei und ärgere ich mich ein bisschen, dass ich diese Wanderung erst jetzt entdeckt habe. Oben angekommen machen wir nämlich eine ausgiebige Rast, erholen uns von den viel zu hohen Stufen für viel zu kurze Beine und genießen den Blick ins Tal.
Ist. Das. Eine. Wucht!
Es ist zauberhaft schön hier und die Mühe wert. Sagt sogar meine Mutter. Genüsslich beißt sie dabei in die mitgebrachte Stulle. Lange harren wir an dieser Stelle aus und genießen die Stille und – ja, fast schon Einsamkeit. Nur wenige Wanderer kommen uns entgegen oder überholen uns. Und das am Osterwochenende!
Ab hier geht es nicht mehr so sehr bergauf und bergab, sondern auf zum Teil schmalen und ausgesetzten Pfaden immer haarscharf am Abgrund entlang. Meine Mutter geht tapfer voraus, was ich sehr begrüße. So sieht sie wenigstens nicht meine Besorgnis, die mir beim Blick in die zwanzig Meter Tiefe doch ziemlich ins Gesicht geschrieben steht. Auch wenn es immer nur kleine Abschnitte sind, die sich auf einem halben Meter Breite zwischen erlebnisreicher Wanderung und nicht zu unterschätzendem Risiko bewegen, ist der Weg wirklich abenteuerlich. Megastark! Das macht richtig Spaß. Inzwischen nicht nur meiner Mutter, sondern auch mir.
Für die 1,5 Kilometer von der Rotkehlchenstiege bis zur Breiten Kluft sollte man unbedingt viel Zeit einplanen. Immer wieder bieten sich fantastische Ausblicke ins Elbtal und weit darüber hinaus. In einer windgeschützten Ecke legen wir deshalb eine zweite Rast ein und genießen die frühlingshaft warme Sonne. Über den Felsen kreist ein Falkenpaar auf Beutejagd, von weitem hören wir die dumpfen Schiffshörner der Raddampfer, die auch schon wieder auf dem Fluss unterwegs sind.
Durch die Breite Kluft zur Kleinen Bastei
Der Aussichtspunkt über der Breiten Kluft ist gut besucht. Teenager auf Klassenfahrt, Familien mit Kindern, Paare, Gruppen und Lonesome-Wanderer – sie alle treffen sich auf diesem Sandsteinplateau und genießen die Wärme der sonnenverwöhnten Sandsteine und – wie mir scheint ganz besonders – das Leben. Es ist so wunderbar schön auf diesen Felsen. Auch wenn sich hier mehrere Bergwege kreuzen, unter anderem der Malerweg von den Schrammsteinen kommend, und dementsprechend viel los ist.
Über Holzbohlen und Treppen geht es wieder hinunter in den Wald. Wir folgen dem Elbleitenweg in östlicher Richtung bis zur Abzweigung zur Kleinen Bastei. Jetzt ist es kein breiter Waldweg mehr, sondern ein schmaler Pfad durchs Unterholz. Über einige Stufen erreichen wir wenige Meter später unser Zwischenziel.
An dieser Stelle gerne ein wenig Klugscheißerei: Nicht überall, wo Bastei draufsteht, ist auch eine steingemauerte Brücke wie bei Rathen drin. Vielmehr war Bastei früher einfach die Bezeichnung für einen befestigten Felsen. Auf dem stand vielleicht mal eine Behausung oder eine ganze Burg (Stichwort: Neurathen) oder einfach nur ein Wachposten, der nicht einmal überdacht gewesen sein muss. Bei dieser Kleinen Bastei hier ist es dann auch nur ein Geländer und eine Bank auf einem hohen Felsen über dem Elbtal. Allerdings mit einer wirklich verlockenden Aussicht. Mann, so habe ich das auch noch nicht gesehen.
Zurück nach Schmilka
Die restlichen Kilometer sind schnell erzählt. Dichter Wald, steinerne und zum Teil ausgesetzte Stufen, ein breiter Waldweg und schon sind wir wieder am Ausgangspunkt. Naja, was heißt hier schon. Dank der Kletterei über die Rotkehlchenstiege und den unzähligen Ausblicken auf dem Oberen Terrassenweg haben wir auf der knapp neun Kilometer langen Tour einen ganzen Tag verbracht. Die Sonne neigt sich bereits langsam dem Horizont zu, als wir uns in Schmilka mit Tee und Kaffee belohnen. Auch das Ökodorf ist bezaubernd schön und längst kein Geheimtipp mehr. Dementsprechend ist hier viel los und die Zivilisation hat uns fast wieder.
Mit der Sonne im Gesicht genießen wir die letzten warmen Strahlen und lassen die doch recht abenteuerliche Tour noch einmal Revue passieren. Meine anfängliche Besorgnis hat sich schnell in helle Freude über die Abenteuerlust meiner lieben Frau Mutter verwandelt. Auch jetzt lächelt sie wieder und schimpft mich einen viel zu ängstlichen Hasen. Tja, was soll ich sagen. Sie kennt mich eben. Und das schon mein ganzes Leben lang… ◆
Tipps, Infos & Karte
HINKOMMEN.
↠ Am einfachsten mit dem ÖPNV. Genauer mit der S1 der Bahn. Die fährt stündlich und dann in knapp 50 Minuten von Dresden Hauptbahnhof bis nach Schmilka. Das Übersetzen mit der Fähre ans andere Ufer ist bereits im Fahrpreis inkludiert.
↠ Mit dem Auto bis zum Parkplatz in der Ortsmitte. Der ist allerdings nicht kostenlos und gerade an Wochenend- und Feiertagen überfüllt. Es gibt eine Ausweichmöglichkeit am alten Grenzübergang, die aber auch schnell gefüllt ist.
AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es festes Schuhwerk mit einer guten Profilsohle und Schwindelfreiheit auf den Felsen und dem Oberen Terrassenweg. Der ist mitunter sehr schmal und nicht ganz ungefährlich.
↠ TIPP: Für wen die Rotkehlchenstiege zu gefährlich ist, der kann einen kleinen Umweg über die Heilige Stiege machen. Die ist um einiges einfacher und liegt direkt im Nachbartal. Von dort gelangt man ebenfalls auf den Oberen Terrassenweg.
UNTERKUNFT.
In Schmilka gibt es jede Menge Möglichkeiten zum Übernachten. Von einer einfachen Pension über Gasthäuser bis zu Hotels. Ich empfehle jedoch das Hotel Zur Mühle direkt gegenüber der Braumanufaktur. Das liegt nicht nur äußerst idyllisch mitten im Ort sondern ist zudem nachhaltig unterwegs.
↠ TIPP: Wer länger bleiben und sich selbst versorgen möchte, dem empfehle ich die Apartments bzw. Ferienwohnungen im Alten Forsthaus. Die liegen auf dem Mühlenhof und sind sehr idyllisch.
ESSEN & TRINKEN.
Da es sich durchaus um eine Tageswanderung handelt, wäre es nicht verkehrt, vor allem im Sommer, Essen und Trinken dabei zu haben. Denn: unterwegs gibt es keinerlei Möglichkeit einzukehren. Allerdings empfiehlt sich das Café Richter direkt an der Elbe oder ein Bierchen auf dem Mühlenhof als Abschluss der Wanderung.
BESONDERER TIPP.
Schmilka ist in den letzten Jahren zu einem richtigen Ökodorf herangewachsen. Alle Lebensmittel kommen direkt aus der Umgebung und aus nachhaltiger (Bio-)Produktion. Größtenteils werden die auch direkt im Ort verarbeitet, zum Beispiel in der Bio-Braumanufaktur und der Mühlen-Bäckerei. Bei beiden werden auch Führungen angeboten und kann man sich bei einer kleinen Rast gleich noch bilden.