Stadtbummel durch Ferrara am Vortag des Palio

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Anzeige In der östlichen Po-Ebene gelegen lädt die italienische Stadt Ferrara zum Entdecken und Verweilen ein und bietet darüber hinaus einmal im Jahr ein Spektakel besonderer Güte. Ein Stadtbummel durch den ehemaligen Erzbischofssitz.
Sven Becker
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Egal wie bequem oder unbequem man nun tatsächlich fliegt, man weiß definitiv, dass man in Italien gelandet ist, lässt man seine aufmerksamen Blicke durch den Ankunftsbereich des Flughafens schweifen. Frauen unterschiedlichen Alters, die wie Hollywood-Diven ausschauen, und Männer jeglichen Alters als metrosexuelle Ausgabe eines David Beckhams. Dicht gedrängt stehen sie in schickster Garderobe an der Absperrung und verströmen einen mir äußerst angenehmen Hauch italienischer bella vita. Schilder werden hochgehalten. Je nach Wert und Stil der Kleidung mal digital oder handgeschrieben. Auf einem davon steht mein Name und in großen Lettern daneben die mir unbekannte Stadt. Zu dieser wird mich der Herr, der das Pappschild trägt, entführen: Ferrara.

Fahrt in die östliche Po-Ebene

Vor dem Flughafen vollzieht sich das gleiche Bild wie schon im Flieger. Dichte, dunkelgraue Wolken türmen sich qualvoll langsam über das flache Land. Das wartet platt wie eine Flunder sehnsüchtig auf den sommerlichen Regen. Nur im äußersten Norden türmen sich schemenhaft, versteckt hinter dunstigen Wolken, die Alpen auf und machen mich neugierig auf das Kommende, das Unbekannte, das jetzt vor mir liegt. Den startenden Fliegern hinter mir trauere ich somit keine einzige Sekunde nach. Wird es sie doch in den nächsten Minuten genauso beuteln wie mich, der endlich wieder festen Booten unter den Füßen hat. Im Moment fühle ich mich noch wie ein Seemann auf Landgang.

Doch das soll sich schnell ändern. Wer nämlich in der Tiefebene des Po-Deltas auf die Idee kommt, die Erde wäre eine Scheibe, läge hier scheinbar genau richtig. Die einzigen Erhebungen, die mit wiederholender Beständigkeit in den Himmel stechen, sind die Telefonmasten des italienischen Mobilfunks. Wirklich überall, selbst im hintersten Winkel meiner Reise, genieße ich den Komfort mobilen Datenempfangs. Da ist das oft verspottete Land meiner Heimat bereits einen großen Schritt voraus.

Einen wunderbaren Blick auf die Alstadt von Ferrara hat man von den Türmen des Castello Estense
Einen wunderbaren Blick auf die Altstadt von Ferrara genießt man von den Türmen des Castello Estense.

Stadtbummel durch Ferrara

Ferrara empfängt mich als Ort der Entschleunigung. Hinter kargen Mauern aus Lehmziegeln und geschlossenen Fensterläden, verstecken sich grün und schattig mediterrane Hinterhöfe. Auf den Straßen spielen Kinder Räuber und Gendarm, ein schwules Pärchen flaniert Händchen haltend und lachend durch die Gassen, in denen sich Restaurants und Bars befinden und Familien und Freunde auf ein Glas Wein einladen. Über den Dächern kreisen Mauersegler und bringen dem Nachwuchs das Fliegen bei. Wo könnte Leben friedvoller sein?

In Ferrara gibt es richtig viel zu entdecken. Ich leihe mir ein Fahrrad und starte auf meine Reise in die Vergangenheit. Als eine der ganz wenigen Städte Italiens, die nicht auf eine römische Gründung zurückgehen, weiß der Ort mit dem Charme einer Stadt am Fluß zu überzeugen. Auch wenn Ferrara seit dem 12. Jahrhundert nicht mehr direkt am Fluß, dem alles bestimmenden Po der norditalienischen Tiefebene, liegt. Der mäandert mittlerweile und aufgrund natürlicher Verschiebung in seinem neuen Flussbett nördlich an der Stadt vorbei. Zurück blieb ein kleiner Seitenarm, der Po of Solano, dessen Wasser recht eindrucksvoll das immer noch stehende Castello Estense umfließt. Direkt gegenüber lasse ich mich für einen Kaffee in einer Osteria nieder und beobachte das Treiben auf dem Platz davor.

Durchs jüdische Viertel von Ferrara

Auf meiner Weiterfahrt mit dem Drahtesel begegne ich recht häufig Gleichgesinnten. Was nicht verwundern darf. Ferrara zählt zu den 30 Cities of Cyclists und stellt sich damit in eine Reihe großer Städte Europas wie Copenhagen, Amsterdam und Wien. Selbst der Bürgermeister und die Stadträte vor Ort bekommen für die Dauer ihrer Tätigkeit ein Fahrrad gestellt.

Mein Weg führt mich über die Viale Cavour hinüber ins jüdische Viertel. Zu Zeiten des heutzutage immer noch verehrten Adelsgeschlechts d‘Este zählte Ferrara in der Renaissance knapp 30.000 Einwohner von denen ca. 2.500 Juden waren und in diesem Viertel lebten. Es wurden Universitäten gegründet, die Stadt wuchs und gedieh. Erst die Machtübernahme durch die katholische Kirche Ende des 16. Jahrhunderts setzte der Blüte Ferraras ein Ende. Das jüdische Viertel wurde zu einem Ghetto umfunktioniert, die Zugänge mit Toren verschlossen und den Menschen jüdischen Glaubens Handel und Besitz verboten. So, wie zu diesem Zeitpunkt fast überall in Europa. Wo diese Ablehnung Jahrhunderte später hinwuchs, wissen all jene, die im Geschichtsunterricht aufgepasst haben.

Ein Großteil Ferraras ist auch heute noch von einer mehr oder weniger intakten Stadtmauer umgeben. Die ist auf insgesamt 9 Kilometern entweder per Fuß oder mit dem Fahrrad zu erkunden und lockt auch mich an den Rand der Altstadt. Beim Fahren bemerke ich, dass sich die Straßen hier rasterförmig kreuzen. Und das hat seinen Grund. Schon im 14. Jahrhundert hatten die Stadtplaner Ferraras eine Wegführung im Kopf, die einfache und unkomplizierte Orientierung ermöglichen sollte. So entstand die Altstadt nahezu geradlinig entlang dieses Rasters und könnte somit fast als Vorlage für die Insel Manhatten der US-Metropole New York herhalten.

8.500 Marmorblöcke in Diamantenform schmücken die Fassade des  Palazzo dei Diamanti, welches heute als Museum dient.
Der einstige PalastPalazzo dei Diamanti dient heute als Museum.
Die Stadtmauer trennt die Altstadt vom Rest Ferraras und lässt sich auf 9 Kilometern erwandern oder beradeln.
Die Stadtmauer trennt die Altstadt vom Rest Ferraras. Auf 9 Kilometern kann sie mit dem Fahrrad erkundet werden.

Empfehlung am Rande

Da es bereits Abend geworden ist, halte ich Ausschau nach einem Restaurant. Nordöstlich und innerhalb der Stadtmauer gelegen, entdecke ich ein äußerst charmantes Agriturismo, das von hohen Pinien und liebevoll gestalteten Beeten umgeben ist. Also genau das richtige nach einem langen Tag auf dem Drahtesel und in Überbrückung der Zeit bis zum eigentlichen Highlight des heutigen Tages.

Das Menü des Restaurants Principessa Pio kann sich dabei sehen lassen. Von herzhaft bis vegetarisch und mitunter auch vegan, bietet die abwechslungsreiche Speisekarte alles, um auch anspruchsvolle Gaumen zu verwöhnen. Warum ich das so eindeutig erwähne? Die Lage und der Service sind wirklich außerordentlich gut. Zudem genügt die Auszeichnung als Agriturismo auch noch den Ansprüchen der Nachhaltigkeit. Denn: fast alles, was als Beilage auf die Teller kommt, stammt von den eigenen Beeten vor der Tür und wird selbst zubereitet. Fleisch und Fisch dagegen stammen ausschließlich von Bauern aus der direkten Umgebung und sind ebenfalls meist Bio. Ganz große Empfehlung.

Hinter der Mauer verbirgt sich das Agriturismo Principessa Pio.
Hinter der Mauer verbirgt sich das Agriturismo Principessa Pio.

Zeit für den Palio in Ferrara

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Noch während ich das letzte Glas Wein trinke, strömen immer mehr Menschen auf die Stadtmauer. Ich folge ihnen einfach, da sie sich zum Teil schick gemacht und zum großen Teil in wunderbare Kostüme gekleidet haben. Ihr Ziel ist das Porta degli Angeli, das Tor der Stadtmauer im Norden. Dort sammelt sich die Menschentraube für den diesjährigen Umzug, den sogenannten Corteo Storico. Denn das sollte man unbedingt wissen und seinen Besuch in der Stadt Ferrara dementsprechend planen: seit 1279 treten alljährlich gegen Ende Mai die einzelnen Stadtteile Ferraras in einem Pferderennen gegeneinander an. Dem Palio.

Und das wird richtig groß gefeiert. Am Vorabend eben mit diesem Umzug. Da ich das große Glück habe und dabei sein darf, schmuggle ich mich heimlich unter die Besucher und staune über die historischen Kostüme, die ausgelassene und friedvolle Stimmung und die große Anzahl an Kindern, die zu so später Stunde – es ist bereits nach Mitternacht – noch immer zwischen den Umzugsteilnehmer umher tollen. Ein riesiger Spaß, den ich wirklich jedem Ferrara-Besucher dringend ans Herz legen möchte.

Den Abend lasse auch ich in einer kleinen Bar in der Stadtmitte ausklingen. In der trinken sich einige der Reiter des morgigen Pferderennens noch den letzten Mut an oder wird geflirtet was das Zeug hält. Italien ick liebe Dir. Und ja, ausgelassene Stimmung geht auch ohne elektronische Musik und Berghain. Eros Ramazotti trällert noch sehr lange in meinem Ohr nach und wiegt mich erst im Morgengrauen in den Schlaf.


PS: Wie beschrieben findet einmal im Jahr der Palio statt. Wenn man einen Urlaub nach Ferrara plant wäre das ein echte Gelegenheit, diesem Spektakel beizuwohnen. 2020 und aktuell 2021 wurden die Rennen jedoch wegen der Einschränkungen abgesagt. Normalerweise findet das Rennen jedoch Ende Mai statt. Ausführliche Informationen gibt es hier: Palio die Ferrara.

Sehenswürdigkeiten in Ferrara

1. Castello Estense
Mitten in der Altstadt gelegen bietet die massive Backsteinfestung einen wunderbaren Blick über Ferrara und das Po-Delta. Auf dem Wasser des Burggrabens kann man mit einem Boot gondeln und italienisches Flair genießen. Im Gebäude selbst ist ein Museum untergebracht.
Adresse: Largo Castello

2. Kathedrale Di San Giorgio
Vom frühen 12. bis ins späte 16. Jahrhundert lassen sich hier die unterschiedlichsten Baustile entdecken. Aufgenommen in die UNESCO-Liste steht die Kathedrale für das typische architektonische Stadtbild Ferraras.
Adresse: Piazza della Cattedrale

3. Palazzo dei Diamanti
Die Fassade wird von 8.500 Marmorblöcken verziert, die wie Diamanten ausschauen. Im ehemaligen Herzogssitz sind heute die Nationalgalerie und die Gallerie d’Arte Moderna e Contemporanea untergebracht.
Adresse: Corso Ercole I d’Este 21

4. Via delle Volte
Kein Stadtbummel ohne den Besuch der Via delle Volte. Diese mittelalterliche Straße ist noch heute (fast) komplett in ihrem Ursprung erhalten und bietet einen Gesamteindruck frühester Besiedlung Ferraras.
Adresse: Via delle Volte 35

5. Stadtmauer (Mura di Ferrara)
Wie erwähnt lässt sich die Stadtmauer auf insgesamt 9 Kilometern erwandern oder mit dem Rad erkunden. Sie säumt noch heute sehr gut erhalten das historische Stadtzentrum Ferraras.
Adresse: Mura di Ferrara

6. Chiesa di San Christoforo alla Certosa
Park und Garten des ehemaligen Kartäuserklosters laden zu einem entspannten Spaziergang ein. Im 15. Jahrhundert erbaut dient die Kirche heute wieder religiösen Zwecken und ist einer der schönsten Friedhöfe Ferraras auf dem Klostergelände untergebracht.
Adresse: Via Borso 1

Das ehemalige Kartäuserkloster mit der Kirche San Cristoforo alla Certosa
Das ehemalige Kartäuserkloster mit der Kirche San Cristoforo alla Certosa
Der Friedhof von Ferrara liegt direkt in der Altstadt
Der Friedhof von Ferrara liegt direkt in der Altstadt

Hinweis in eigener Sache (Disclaimer)
Meine hier beschriebenen Eindrücke durfte ich im Rahmen einer Pressereise sammeln, eingeladen und veranstaltet von Maggioni Tourist Marketing. Dabei sind mir Anreise, Unterkünfte und Verpflegung zur Verfügung gestellt worden, wofür ich mich recht herzlich bedanken möchte. Auf meine abschließende Meinung oder redaktionelle Freiheit wurde keinerlei Einfluss genommen. Diese entspricht ausschließlich meiner persönlichen Sicht.

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