HeiHo: Hippokrates auf Kos
Da sage einer, die griechischen Inseln besäßen nur Mittelklasse-Hotels und jede Menge Strände. Weit gefehlt! Zu den genannten Eigenschaften gesellt sich noch ein Haufen Geschichte, der auf fast jeder dieser Inseln zu finden ist. Zumindest solange man sich auf die Suche nach ihr begibt. So wie auf Kos. Einer gemeinhin bekannten Insel, auf der es auch im Oktober noch angenehm warm ist. Stichwort: Hippokrates.
Die Überredungskünste meiner Freundin tragen zuweilen Früchte und so verschlägt es sie und mich auf dieses Kleinod der Antike. Und – na klar – auch an den Strand. Doch zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass hier nicht nur der Urlauber Erholung und sonnengeschönte Bräune findet, sondern auch den Beginn des modernen Gesundheitswesen, den Anfang der heutigen Medizin. Und seinen berühmtesten Vertreter obendrein, auf den noch heute jeder Mediziner seinen Schwur, ja seinen Eid leistet. Herzlich willkommen im Reich des berühmtesten Einwohner Kos‘, herzlich willkommen bei Hippokrates.
Ausflug ins griechische Gesundheitswesen und zu Hippokrates
Im Osten der Insel wird der geneigte Inselbesucher nämlich fündig. Durch dichtes Gestrüpp und entlang schattiger Pfade schlängelt sich der Weg hinauf zum Plateau urgriechischer Geschichte. Auf einer kleinen Anhöhe, knapp 4 Kilometer vom Hafen und der Stadtmitte Kos‘ entfernt, staune ich nicht schlecht, als sich Treppen und Säulen ein harmonisches Stelldichein inmitten des dichten Kiefernwaldes liefern. Nach Zahlung des Eintritts werden wir auf eine Lichtung entlassen, die – zumindest geschichtlich gesehen – historisch von größter Bedeutung ist. Oder vielmehr war. Denn heute lassen lediglich Reste der Mauern und Wände die Grundrisse und einstige Größe erahnen. Dennoch: imposant ist es allemal.
Leise schlängeln wir uns vorbei an chinesischen, englischen und französischen Touristengruppen, die all das mündlich erfahren, was wir in schriftlicher Form unserem Wander-/Reisefüher entnehmen. Benannt nach dem altgriechischen Gott der Heilkunst – Asklepios – wurde die terrassenförmig gehaltene Anlage mit Beginn des 1. Jahrhunderts nach Christi erbaut und etwa im 4. Jahrhundert fertig gestellt. Im unteren Teil lebten und wohnten die Patienten, wogegen im mittleren Teil die medizinischen Behandlungen stattfanden.
Der obere Teil der Anlage gehörte – ganz nach dem Vorbild in Epidauros – den Göttern. Nein, das ist kein Witz, noch heute sind die gefundenen Grundrisse typisch religiöser Natur und deuten auf eine Vielzahl an Tempeln hin. Da konnte also dem Gott gehuldigt werden, wenn der bisherige Wissensstand nicht zu gesunden half.
Okay. Jetzt wirds ernst.
Doch was hat das alles mit Hippokrates zu tun? Geboren in Kos gilt er als Mitbegründer der Vier-Säfte-Lehre und umstrittener Autor der Epidemien I und III des Corpus Hippocraticum, einer nach ihm benannten Sammlung medizinischer Texte. Das Asklepieion von Kos war mehr oder weniger ihm, dem berühmtesten Sohn Kos‘, gewidmet und setzte seine Lehre und sein Wissen fort. Bis hinein ins Mittelalter hielt sich der Grundsatz seiner Theorie, dürfte heutzutage jedoch als widerlegt gelten. Oder wird irgendwo noch mit Aderlass kuriert? Dann bitte eine Meldung an mich. Dem würde ich gern nachgehen…
Wie alles auf der Welt ging das Wissen im Trubel der Geschichte unter und die Anlage geriet in Vergessenheit. Dem deutschen Archäologen Rudolf Herzog ist es jedoch zu verdanken, dass wir heute wieder durch die historische Zeit wandeln dürfen. Er ging Anfang des 20. Jahrhunderts Hinweisen nach und entdeckte die Ruinen 1902, die er mehr als zwei Jahre ausgrub und somit der Öffentlichkeit zugänglich machte. Und da sagen wir: Danke, lieber Rudolf Herzog. Zumindest blieb mir so der sechste Tage in Folge am Strand erspart und ich durfte wieder etwas lernen. Wer also seinen Urlaub auf Kos verbringt, sollte diesem wirklich beeindrucken Ort unbedingt einen Besuch abstatten.