Berlin und Wandern – geht das? Na ja, irgendwie schon. Aber es kommt darauf an, wie man den Begriff interpretiert. Darüber diskutieren mein guter Freund Daniel und ich ständig. Er versteht den Begriff mehr im Sinne eines längeren Spaziergangs. Für mich hat Wandern auch immer etwas mit Abwechslung zu tun, mit Höhen und Tiefen, mit Ausblicken. In dieser unterschiedlichen Sichtweise kann der 66-Seenweg also beides sein: eine abwechslungsreiche Wanderung und ein längerer Spaziergang.
Vom Start weg anders – Der 66-Seenweg in Potsdam
Am Luisenplatz inmitten der Potsdamer Altstadt beginnt die erste Etappe des 66-Seenweges. Und endet auch die letzte. Denn wer hier startet, kommt am Ende auch hier wieder an. Insgesamt ist der Rundweg 416 Kilometer lang, verbindet auf seinem Weg um Berlin und durch Brandenburg die schönsten Seen miteinander und ist der längste Fernwanderweg der Region.
Doch er macht es einem nicht leicht. Denn ein Wanderzeichen oder gar einen Wegweiser finde ich am Luisenplatz nicht. Zum Glück habe ich mir aber vorsichtshalber den GPS-Track der ersten von den insgesamt 17 Etappen auf mein Smartphone geladen und lasse mich nun navigieren. Dumm gelaufen. Eigentlich wollte ich beim Wandern nicht ständig auf mein Handy schauen.
Vom Luisenplatz gehe ich in eine kleine Seitengasse und durch ein imposantes Tor. Gleich dahinter beginnt ein wirklich schöner Landschaftspark. Der Allee folgend erahne ich an ihrem Ende etwas, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gerechnet habe. Als ich aus dem Schatten der Bäume trete, stehe ich direkt vor dem wunderschönen Schloss Sanssouci. Was für ein Anblick. Auch wenn sich jetzt am Wochenende viele Touristen auf der Freitreppe und um den Springbrunnen tummeln – es ist wirklich schön hier. Aber auch hier gibt es immer noch keine Spur von einem Wanderzeichen.
Ein Höhepunkt nach dem anderen
Erst auf dem Weg zum Ruinenberg entdecke ich es. Inzwischen von allen Witterungen gezeichnet, finde ich es auf einem Baumstamm: ein blauer Kreis auf weißem Grund. Daran werde ich mich auf meinem weiteren Weg durch Potsdams Gärten und Parks orientieren. Doch schon an der nächsten Weggabelung fehlt er wieder und bin ich erneut auf die GPS-Navigation angewiesen. Das muss ich an dieser Stelle erwähnen (und dann rede ich auch nicht mehr davon): Der Weg ist beschissen schlecht ausgeschildert. Meine Fresse.
Inmitten der Säulen des Ruinenbergs genieße ich den ersten wirklich schönen Ausblick. Mitte des 18. Jahrhunderts ließ Friedrich der Große diese Wasseranlage anlegen. Sie diente vor allem der Wasserversorgung der im Park und am Schloss verteilten Springbrunnen und gilt als die früheste Landschaftsgestaltung englischen Einflusses auf dem Kontinent. Märchenhaft schön hier.
Weiter geht es in die Vordere Neustadt und damit zum ersten der 66 Seen. Der Heilige See ist nur durch einen schmalen Kanal mit der Havel verbunden und bietet von dieser Uferseite einen wirklich schönen Blick auf die Villen der Potsdamer Reichen. Zwischen den Bäumen kann ich sogar die Villa Kellermann erkennen, ein Sternerestaurant, das von Günter Jauch und Tim Raue betrieben wird. Hier mache ich meine erste Pause und lasse mir meine mitgebrachte Stulle ala Sven Becker schmecken.
Vom Belvedere in den ländlichen Raum
Der Weg führt weiter am Belvedere vorbei, dessen Fertigstellung der Bauherr leider nicht mehr erlebte und das daher nie richtig fertiggestellt wurde. Heute dient es als Museum und Veranstaltungsort und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Das Ensemble ist wirklich beeindruckend und lasse ich den imposanten Prachtbau auf mich wirken.
Denn auf dem weiteren Weg wird es hektisch. Vorbei am jüdischen Friedhof folgt der Wanderweg der Nedlitzer Straße. Das ist gleichzeitig die Bundesstraße 2 und für genau zwei Kilometer nicht ganz so toll. Immerhin liegt der kombinierte Fuß-/Radweg abseits der Straße und bin ich so wenigstens ein bisschen weg vom Schuss.
Daran schließt sich der Radweg nach Nedlitz an, der auf der einen Seite echt schön ist, weil komplett verkehrsberuhigt, auf der anderen Seite aber auch nicht ganz so schön, weil er durch ein ziemlich langweiliges Stück komplett auf Asphalt führt. Da fangen die Füße schnell an, an den Sohlen zu brennen. Was wiederum den Spaß an der Tour wirklich so ein kleines bisschen schmälert. Denn insgesamt halte ich die Kombination von Rad- und Wanderwegen für keine gute Kombination. Wanderer und Radfahrer haben nunmal ganz unterschiedliche Ansprüche an den Untergrund.
Von Nedlitz weiter auf dem 66-Seenweg
Nach dem Landgut Nedlitz, das von außen zwar verschlossen ist, aber ein Co-Working-Space im Grünen sein soll, führt der Weg endlich wieder in den Wald. Ab hier ist es ein richtig schöner Wanderweg. Umgefallene Bäume, die bereits von Kletterpflanzen zurückerobert werden und ein schmaler Trampelpfad lassen mein Wanderherz höher schlagen. So bin ich gerne unterwegs.
Nach diesem kurzen Waldstück zweigt der Weg vom Sacrow-Paretzer-Kanal ab und folgt wieder dem Radweg Richtung Marquardt. Was erneut heißt, Asphalt unter den Füßen zu haben. Dafür bricht jetzt die Sonne kräftig durch die bisher geschlossene Wolkendecke und es wird richtig warm. Das treibt auch mir den Schweiß auf die Stirn. Aber dafür bin ich seit dem Verlassen Potsdams ganz allein unterwegs und treffe niemanden. Ist ja auch mal schön, die eigenen Gedanken zu Ende denken zu können, den Kopf wieder etwas von gedanklichem Ballast zu befreien und insgesamt wieder mehr in den Flow, in den eigenen Rhythmus zu kommen.
Ankunft der Etappe 1 vom 66-Seenweg in Marquardt
Kurz vor dem Schlänitzsee wird es noch einmal gefährlich. Denn hier muss wieder eine Bundesstraße überquert werden. Und auf der ist richtig viel los. Wenn man hier nicht aufpasst, kann es richtig ungemütlich werden. Aber dafür ist es gleich dahinter wieder ruhig. Weiter auf dem 66-Seenweg erreiche ich nach 18 Kilometern schließlich Marquardt und damit das Ende der ersten Etappe.
Auf Schloss Marquardt wird Hochzeit gefeiert. Ich erreiche den Schlosspark und den Weststrand der Wublitz, des nördlichen Schlänitzsees. Die Sonne ist gerade durchgebrochen und macht das Ende meiner Wanderung zu einem richtig warmen Sommerwandertag. Einfach herrlich. So lege ich mich in den Schatten der Bäume und während vom Schloss leise Hochzeitsmusik herüberweht, rauscht ein lauer Wind durch die Baumkronen und lässt die Blätter rascheln. Auf dem See tuckern ein paar Motorboote gemächlich dahin. Eine friedliche, entspannte Ruhe umgibt mich. Der perfekte Abschluss meiner heutigen Wanderung.
Zum krönenden Abschluss springe ich in die kühlen Fluten des gefühlt vierten Sees auf dem 66-Seen-Weg. Schließlich sind es von hier aus nur noch 10 Minuten bis zum Bahnhof. Und so chille ich noch ein wenig, bevor mich der Zug zurück ins urbane Leben und damit nach Berlin bringt.
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
↠ Mit der S-Bahn S7 des ÖPNV von egal wo in Berlin nach Potsdam, Hauptbahnhof und anschließend die Tram 94 bis zur Haltestelle Potsdam, Luisenplatz-Süd/Park Sanssouci nehmen. DVon dort sind es nur noch 200 Meter bis zum Luisenplatz.
ZURÜCKKOMMEN.
↠ Von Marquardt fahren stündlich Züge zurück. Einmal direkt bis Berlin, Gesundbrunnen (immer 10 min vor der vollen Stunde) oder über Potsdam, Hauptbahnhof (immer kurz nach der vollen Stunde). Der Navigator des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg hilft den richtigen Zug zu finden: VVB Fahrinfo.
ESSEN & TRINKEN.
Da ich unterwegs nirgendwo eingekehrt bin, kann ich auch nicht sagen, wo es sich lohnt zu speisen. Auf jeden Fall würde ich bei entsprechendem Wetter empfehlen, Pausenbrote einzupacken und unterwegs irgendwo Rast zu machen. Tolle Spots wären hier der am Heiligen See, hinter dem Schloss Cecilienhof und entlang des Kanals. Um zu diesem zu gelangen, muss man den 66-Seenweg allerdings kurz verlassen.
BESONDERER TIPP.
Wer richtig viel Zeit mitbringt, für den lohnen sich die Besuche der Museen, die unterwegs ja nur gestreift werden. Aber Vorsicht! Da kann man sich auch ganz schön vertrödeln…
!!! WICHTIG !!!
Unbedingt den GPS-Track downloaden und in seine eigene Wanderapp laden. Der Weg ist so schlecht ausgeschildert, dass man das, was da ist, eigentlich nicht als Ausschilderung bezeichnen kann. Andernfalls wäre ein Verlaufen vorprogrammiert.
GPS-Track