Während dunkle Wolken regenbedrohlich am Himmel hängen fahre ich aus Mailand kommend in Richtung Norden. Genau genommen Nord-Westen. Dort, hinter den schon von weitem aufragenden Alpengipfeln, verbirgt sich die kleinste autonome Region Italiens – das Aostatal. Und mit ihr angeblich eines der abwechslungsreichsten Gebirgstäler der Alpen. Obwohl die Einzahl hier nicht ganz stimmt. Tatsächlich besteht das Aostatal aus dem namensgebenden Haupttal und dreizehn davon abgehenden Nebentälern. Da dies allerdings einfach zu viele sind, um ein jedes davon zu erkunden, konzentriere ich mich auf eine kleine Auswahl. Manchmal muss man eben nicht alles haben, da reicht einfach nur das Beste.
Die Festung Forte di Bard im Aostatal
Auf der Straße, entlang des einzig natürlichen Talzugangs unter 1.000 Höhenmetern, komme ich durch das kleine Örtchen Bard. Strategisch äußerst günstig gelegen, thront auf einem Felsen oberhalb des Flusslaufs eine mächtige Festung – das Forte di Bard. Imposant und angsteinflößend erhebt es sich majestätisch über das Tal und seinen Zugang.
Ersten Erwähnungen zufolge soll es bereits im 6. Jahrhundert n.Chr. an dieser Stelle eine kleine Garnison zum Schutz des engen Zugangs gegeben haben. Das macht Sinn. Denn wer in das fruchtbare Tal möchte, muss unweigerlich an dieser Stelle vorbei. Es sei denn, er quält sich gern über Gebirgspässe jenseits der 2.000 Höhenmeter. Was aber zur damaligen Zeit noch eine Anstrengung ohnegleichen gewesen sein dürfte und damit von der Mehrheit sicher gemieden wurde.
Auch Napoleon hat hier seine Spuren hinterlassen. Er tat das, was er am besten konnte – er stürmte die Festung. Die derzeit knapp 400 stationierten Österreicher leisteten so hartnäckig Widerstand, dass sie es schafften, seinen Durchmarsch erheblich zu bremsen. Das Ende vom Lied: die Festung wurde nach der zwei Wochen dauernden Belagerung geschliffen und verlor damit erheblich an strategischem Wert.
Erst der Wiederaufbau um 1830 machte sie zu einem der mächtigsten und massivsten Militärbauten Norditaliens und verlieh ihr die noch heute zu bewundernde Größe. Seit der Renovierung im Jahre 2006 steht sie nun wieder für die Allgemeinheit offen und ist Museum, Veranstaltungsort und Sehenswürdigkeit in Einem. Nicht nur die Geschichte des Ortes und damit auch des Aostatals sind Gegenstand diverser Ausstellungen. Auch Künstler anderer Couleur werden regelmäßig vorgestellt und laden gerade bei schlechtem Wetter zum Verweilen ein.
Ein Ausflug in die Geschichte des Aostatals
So viel ist schon mal klar, Napoleon war hier. Einmal auf dem Hinweg – gebeutelt und geschlagen sicher auch auf dem Weg zurück. Doch lange vor ihm galt das Aostatal schon recht früh als sehr fruchtbarer und idyllischer Ort. Waren es erst die Kelten, rissen sich ab ca. 25 v.Chr. die Römer dieses schöne Stück Land unter den Nagel. Mit der Stadt Augusta Pretoria, zu der es in einem weiteren Artikel noch ausführliche Informationen geben wird, gründeten sie eine der florierendsten und strategisch wichtigsten Orte ihres Reiches. Die mediterrane Lage im Sommer machte es möglich, dass die alten Römer sich auch hoch in den Alpen wie zu Hause am Tiber fühlten.
Später kamen dann noch die Ostgoten, die Langobarden und die Franken. Aber so richtig seßhaft wurden eigentlich nur die aus dem Schweizer Wallis ausgewanderten Stämme, die sich in den höheren Lagen des Aostatals niederließen. In stiller Eintracht mit den Abkömmlingen des Königshaus Savoyen, denen seit dem 11. Jhdt. das Aostatal gehörte, florierte der Handel und erblühte es zu stiller Größe.
Das Leben in den Bergen muss hart gewesen sein. Allerdings half die Abgeschiedenheit in den Wintermonaten und die schwere Arbeit an den steilen Hängen, Sprache und Tradition der Walser bis heute zu überdauern. In einigen Orten kann man noch zumeist ältere Menschen antreffen, die dieser einzigartigen Sprache mächtig sind. Überrascht stolpere ich beim Besuch des Fotogeschäfts Fotoguidani in Gressoney-Saint-Jean über eine ältere Dame, die das Walserdeutsch noch immer mit Bravur beherrscht. Mit aller Herzlichkeit spricht sie zum Teil klar verständlich Dialekt, den ich erst auf Nachfragen einzuordnen weiß. Hin und wieder versucht sie, das Walserdeutsch an die Enkel weiterzugeben. So kann das alte in der nächsten Generation weiter leben. Auch wenn es diese wahrscheinlich nicht mehr überdauern wird.
Überhaupt scheint in Gressoney-Saint-Jean die Zeit still zu stehen. Ob das jedoch am mittlerweile einsetzenden Starkregen oder der altertümlichen Eintracht dieses verschlafenen Örtchens liegt, wage ich nicht abschließend zu beurteilen. Einen Ausflug in die Geschichte ist es allemal wert. Wie fast überall im Aostatal – der kleinsten autonomen Region Italiens.
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Weitere und ausführliche Informationen findet man auf der Webseite des Tourismus-Portals vom
Aostatal – Valle d’Aosta, bei denen ich mich gleichzeitig für die Unterstützung auf
Reise & Wanderung bedanken möchte.
[…] Aufmerksame Leser werden wissen, dass ich gern ausführlich und ausschweifend berichte sobald Geschichte ins Spiel kommt. Hier jedoch versuche ich mich in Kürze zu üben: Im Jahr 25. vor Christus wurde das heutige Aostatal von Augustus Terentius Varro Murena, einem römischen Kaiser mit Hang zu weitschweifenden militärischen Feldzügen, erobert und die ehemaligen Bewohner in die Sklaverei verkauft. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich das eigentliche Legionslager zu einer florierenden Stadt, dank Zöllen und Steuern und einer traumhaften Lage. An der von Karl dem Großen gegründeten Hauptverkehrsachse Via Francigena gelegen war dies nicht nur ein perfekter Ort für Wegezoll sondern auch um Durchreisende zu überwachen und Fremde abzuhalten. In diese Blütezeit fällt wohl auch die Gründung des Forte di Bard. […]
[…] Grundmauern oder eingefallene Dachschindeln übrig sind – verlassen, von der Zeit geschluckt. Wie in Gressoney-Saint-Jean bereits erfahren, sind auch hier nur noch einzelne Reste dieser einst kraftstrotzenden Kultur übrig geblieben. Und […]
[…] Grundmauern oder eingefallene Dachschindeln übrig sind – verlassen, von der Zeit geschluckt. Wie in Gressoney-Saint-Jean bereits erfahren, sind auch hier nur noch einzelne Reste dieser einst kraftstrotzenden Kultur übrig geblieben. Und […]