Auf dem Rennsteig – Tag 4

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Sobald die Schmerzen nachlassen, es mit dem Knie besser wird, wandere ich. Zwar nicht auf dem Rennsteig, aber abseits davon. Und mit dem Ziel, ihn am Abend doch noch zu erreichen...
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Und tatsächlich: am nächsten Morgen schmerzten die Knie nur noch ein wenig. Die Sonne strahlte vom Himmel und ich stieg voller Zuversicht in meine Alpinstiefel. Allerdings nur, um nach wenigen Metern festzustellen, dass es vielleicht doch die falschen Schuhe waren. Also verabschiedete ich mich abermals von Daniel, der sich schon voller Ungeduld in Richtung Rennsteig aufmachen wollte. Erneut ging ich in die Stadt, um mir in einem nahe gelegenen Sportgeschäft völlig überteuerte Wanderschuhe zu kaufen.

Hinweisschilder
Das muß man sagen. Auch wenn die Kilometerangaben auf den Wegweisern nicht immer stimmen, in der Menge gibt es genug davon.

Auf dem Rennsteig von Oberhof zum Großen Inselsberg.

Da ich noch etwas Zeit hatte bis der Bus nach Tabarz nahe des Großen Inselsberg fahren sollte, schlüpfte ich in meine Neuerwerbung und lief gemächlich durch den Ort. Oberhof an sich war eine rein touristische Angelegenheit. Hotels, Cafés, Restaurants und kleinere Geschäfte säumten die einzige Hauptstraße und boten alles, was ein Tourist hier im Sommer oder auch im Winter brauchen könnte. Wirklich sehenswert jedoch war das zu DDR-Zeiten erbaute Panorama-Hotel, welches von der Ferne wie eine riesige Sprungschanze aussah und in einem Park am Ortsausgang lag.

Die Pausen des Aufstiegs zum Großen Inselsberg werden mit richtig schönen Panoramen gewürzt. Ist allerdings auch kein Schnellimbiß. Knappe 8km geht es stetig bergauf.

Nachdem ich mir den Ort betrachtet hatte und nebenbei nicht nur die neuen Schuhe einlief sondern gleichzeitig auch merkte, wie anders es sich mit dem entsprechenden Schuhwerk lief, ging ich zurück zum Busplatz, auf welchem der Fahrer schon auf mich wartete. Ich wäre wohl der einzige Fahrgast an diesem Tag und so bot sich mir die Gelegenheit, mit dem Busfahrer ins Gespräch zu kommen.

Landschaft 2
Wenn dann auch mal die Sonne rauskommt, hüpft das Wanderherz ganz besonders, schmeckt die mitgbrachte Stulle gleich doppelt so gut.

Immer weiter hinauf

Erst zurückhaltend und vorsichtig, dann doch immer offener und auch ein wenig stolz berichtete er mir von den verschiedenen Fahrten, die man als Busfahrer abwechselnd auf unterschiedlichen Strecken fahren würde. Von seiner Frau, die hochschwanger bald entbinden würde und von seiner Freude darüber, nun endlich Vater zu werden.

Von mir nach seinem bisher schönsten Erlebnis als Busfahrer gefragt, berichtete er von einer Schulbustour an einem letzten Schultag vor den großen Ferien. An jeder Schulhaltestelle ihm die Kinder freudig und zum Teil stolz beim Einsteigen in seinen Bus ihre Zeugnisse vorzeigten. Er meinte, in diesem Moment fühlte er sich nicht nur als Fahrer eines Schulbusses, sondern als Mensch, dem eine Wichtigkeit zukäme. Denn oft wurde er als Erster noch vor den Eltern oder Freunden um Rat gefragt. Besonders wenn es um Probleme in der Schule, die erste große Liebe oder eben darum ging, was wohl die Eltern von dem Zeugnis halten würden. Viel zu schnell verflog die Zeit und gegen Mittag verabschiedete ich mich von ihm und begab mich von Tabarz aus in Richtung des heutigen Etappenziels.

Aussicht
Ja. Der Aufstieg hat sich gelohnt. Was für ein Blick. Und das in alle Himmelsrichtungen.

Endlich eine Lösung?

Fürwahr: die neuen Wanderschuhe und die Salbe wirkten Wunder. Langsam ging es immer steil bergan auf den Großen Inselsberg und damit zurück auf den Rennsteig. Den erreichte ich dann auch nach gut 8km am frühen Abend. Wer also seine Wanderung auf dem Rennsteig plant, sollte diesen Ort als Übernachtung unbedingt berücksichtigen. Das Panorama, welches sich auf dem freien Gipfel bot, war wirklich atemberaubend und wunderschön.

Auf dem Gipfel
Wenn man sich dann von der Aussicht einmal löst und die Gipfelbebauung genauer betrachtet, fragt man sich schon, warum hier jemand soviel Beton hochgeschleppt hat. Der ein oder andere Bau weniger wären sicher eine Bereicherung gewesen.

Wenn man sich dann von der Aussicht einmal löst und die Gipfelbebauung genauer betrachtet, fragt man sich schon, warum hier jemand eigentlich soviel Beton hochgeschleppt hat. Der ein oder andere Bau weniger wären sicher eine Bereicherung gewesen.

Gipfelglück
Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass Daniel nach seinen 29 km nur halb so fertig aussieht, wei ich nach 8. Müssen die Endorphine sein…

Wenig später traf dann auch Daniel ein. Der wußte abermals von einer Wanderung auf dem Rennsteig in fast gänzlicher Einsamkeit zu berichten und schwärmte im Besonderen vom Ausblick des Großen Beerbergs. Als ich ihm zeigte, wo er heute morgen losgegangen war – am Horizont zeichneten sich die Schanzen des Oberhofer Panorama-Hotels ab – begannen wir beide zu begreifen, welche Entfernungen der Mensch in der Lage ist, zu Fuß zurückzulegen. Auf der Terrasse der Jugendherberge ließen wir den Abend bei einem kühlen Bier ausklingen, schauten dem Farbspiel des Sonnenuntergangs zu und fieberten der letzten Etappe unserer Rennsteigerfahrung entgegen.

Auf dem Inselsberg
Das Tolle auf dem Gipfel des Inselsbergs ist nicht nur die Aussicht bis weit ins Thüringer Becken, sondern sind auch die beiden Restaurants. Leider schließen beide schon um 20 Uhr. Und wenn die Pommes bei dem Einen mal nicht schmecken, geht man einfach nach nebenan. Vielleicht hat man da ja mehr Glück. Da gibt es nämlich genau die gleiche Speisekarte. Das sich das rentiert grenzt an ein Wunder.

Der Große Inselsberg

Den Namen Großer Inselsberg verdankt der einstige Vulkan wohl des an seiner Nordseite entspringenden Baches Emse. Von diesem sind schriftliche Zeugnisse bereits schon 1330 als Emmiseberg vorhanden. Spätere Abkömmlinge waren 1378 Enseberg, 1505 Enselsberg und letztlich seit 1528 Inselsberg. Aufgrund seiner isolierten Lage wird er von vielen auch als größter Berg des Thüringer Waldes bezeichnet. Tatsächlich nimmt er mit seinen 916m jedoch nur den 7.Platz ein. Herzog Ernst der Fromme ließ bereits 1649 auf dem Gipfel ein Jagdhaus erbauen, welches auch Goethe bei seiner „Mineralogischen Wanderung“ 1784 aufsuchte. 1836 fiel es jedoch einem Unwetter zum Opfer. Kurz darauf wurde ein neuer Gasthof errichtet, dessen Tradition sich bis heute hält. Eine Bauernregel bestätigt den Berg zudem als Wetterpropheten: „Trägt der Inselberg einen Hut, so wird das Wetter gut; steckt er in einer Mützen, so gibt es nasse Pfützen.“

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