Vom Forst ins bunte Treiben – Marienbad im Kaiserwald (4/4)

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Der vierte Tag meiner Wanderung durch den Kaiserwald führt von Kladska bis nach Marienbad. Ein letztes Mal tiefe Wälder und satte Wiesen, bevor es in das bereits im 12. Jahrhundert besiedelte Mariánské Lázně geht.
Sven Becker
  Inhalt
Das Hochmoor von Kladska ist Startpunkt meines letzten Tages durch den Kaiserwald
Das Hochmoor von Kladska ist Startpunkt meines letzten Tages durch den Kaiserwald

Von Kladksa nach Marienbad (14,5 km)

Die Wolken hängen tief und grau über dem Hochmoor bei Kladska. Es sieht nach Regen aus. Und es riecht auch so. Eine kühle Brise ist aufgezogen und führt die typische Mischung aus frischer Luft und modrigem Unterholz mit sich. In solchen Momenten fühle ich mich immer ganz heimelig. Lieb gewonnene Erinnerungen an meine Kindheit werden dabei wach. Der verregnete Sommerurlaub an der Ostsee roch genauso. Nur ein bißchen salziger.

In passende Kleidung gehüllt mache ich mich auf den Weg. Mein heutiges Tagesziel ist dann auch schon das letzte auf meiner viertägigen Wanderung durch den böhmischen Kaiserwald. Marienbad heißt es und ist eines der ältesten Heilbäder Tschechiens. Doch dazu später mehr. Erst will der kurze Schauer unter einer riesigen Kastanie abgewartet werden. Ich muss den Wandertag ja nicht pitschenass beginnen.

Jetzt, im Frühling, scheint das Örtchen Kladska noch zu schlafen. Nur an wenigen Villen herrscht reger Betrieb, werden für die kommende Saison fein gemacht.

Als der Schauer wenig später von einer Sturzflut in einen leichten Nieselregen übergeht, schnüre ich Rucksack und Schuhe nochmals fest und wandere los. Entlang des Weges ducken sich kleine, meist leerstehende Häuser unter großen Tannen und verstecken sich hinter meterhohem Gestrüpp. Jetzt, im Frühling, scheint das Örtchen Kladska noch zu schlafen. Nur an wenigen Villen herrscht reger Betrieb, werden für die kommende Saison fein gemacht.

Historischer Kaiserwald – gestern und heute

Der Weg führt vorbei am Grab von Otto von Sigismund von Schönburg-Waldenburg (ja, der hieß wirklich so), einem waschechten Prinzen, der mitten im Wald seine allerletzte Ruhe gefunden hat. Jener verliebte sich nämlich 1896 bei einer Jagd mit seinem adligen Vater so sehr in das Gebiet rund um Kladska, dass er kurzerhand beschloss, zukünftig hier seßhaft zu werden. Obwohl man ihm eine aristokratische Kälte nachsagt, galt er als aufrechter Naturfreund. Auch wenn die Jagd scheinbar größeren Zuspruch fand als Flora und Fauna, trug sein Handeln zum touristischen Aufschwung des Gebietes bei. Vermutlich aus genau diesem Grund wird das Grab auch heute noch liebevoll gepflegt und liegt auf der Steinplatte im Boden ein kleiner Blumenstrauß.

Auf einer breit angelegten Lichtung umgeben von dichten Tannenwäldern ist der Förster schwer am Werkeln. In traditioneller Kleidung sitzt er unter dem Vordach seines Hauses, schraubt und putzt an seinem Gewehr. Als er mich wahrnimmt blickt er kurz auf und widmet sich anschließend wieder konzentriert seiner Tätigkeit. Während hinter dem Forsthaus jemand lautstark den Rasen mäht, kommt ein Mütterchen in Kittelschürze mit einer großen Schüssel durch die breite Holztür. Sie nickt mir zu, lächelt, entleert die Schlüssel neben der Veranda und verschwindet wieder. Jeder an diesem Ort erfüllt seine Tätigkeit gemächlich, trotzdem herrscht rege Betriebsamkeit. Ich fühle einen beruhigenden Frieden. Als ob die Zeit seit Jahrhunderten stehen geblieben ist. Unter einer dichtgewachsenen Kastanie in der Nähe der Baude mache ich es mir bequem und warte den nächsten Regenschauer ab. Frühling halt.

Kaplička Lasky
Ödipus ick hör dir trapsen: Die Kapelle bei Marienbad wurde 1909 vom örtlichen Theater-Regisseur Julius Laska zum Gedenken an seine verstorbene Mutter erbaut.

Ankunft in Marienbad

Marienbad kommt nicht plötzlich sondern kündigt sich ganz langsam an. Vorbei an einer kleinen Kapelle, die etwas abseits des Weges ruht und in ihrer gotischen Einzigartigkeit sehr sehenswert ist, führt mich der Wanderweg immer weiter zurück in die Zivilisation. Schon von Weitem blinken Dächer und Giebel durch den Wald, beleuchtet die herausgekommene Sonne das Heilbad. Vom Aussichtspunkt, dem Pavillon des böhmischen Freiherrn von Mescery, etwas oberhalb Marienbads gelegen, genieße ich einen letzten wundervollen Blick in das Tal. Denn ab hier wird es laut. Erste Motorengeräusche ziehen herauf, das Bimmeln einer Bahn ertönt, Kinder die schreien – städtisches Treiben eben. Und da begebe ich mich nun hinein.

Der Ort hat bestimmt schon bessere Zeiten gesehen. Die ersten Häuser, die ich sehe sind entweder piekfeine Hotels oder unbewohnte Bruchbuden kurz vorm Einsturz. Und riesige noch dazu. Entlang der Hauptstraße formen sie einen abwechslungsreichen Weg und bieten ungewohnte Anblicke. Vorbei an der Singenden Fontäne, einem Springbrunnen der jede ungerade Stunde Musikstücke spielt, gelange ich wenig später zur bekannten Ferdinandquelle. Sie gilt als erste große Heilquelle Marienbads und wurde ab dem 16. Jahrhundert auch zur Salzgewinnung genutzt. Hier trinke ich ein letztes Mal das mineralhaltige Wasser, das warm und dampfend aus einem Brunnen direkt im Boden sprudelt. Irgendwie bin ich auch ein wenig froh, jetzt endlich am Ziel angekommen zu sein. So richtig will mir dieses angeblich gesunde Wasser immer noch nicht schmecken. Macht aber auch nix. Irgendetwas Gutes wird’s schon bewirkt haben. Das Wandern durch den Kaiserwald hat es auf jeden Fall.

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