Bei Temperaturen knapp um den Gefrierpunkt hat es über Nacht neuen Schnee gegeben. Und da der in den nächsten Tagen auch in den höheren Lagen zu schmelzen droht, habe ich mich entschlossen, noch schnell eine Runde zu drehen. Bevor er weg ist, bevor der Winter für mich Großstädter schon wieder vorbei ist. Die Wolken hängen tief und je höher ich mich in den Thüringer Wald hinauf begebe, desto dichter werden sie. Den Großen Finsterberg als Ziel habe ich rausgesucht, war ich doch zuletzt mit meinem Bruder hier. Was schon eine gefühlte Ewigkeit, wenn nicht gar in meiner Kindheit gewesen sein muss. Grund genug also, die Wanderung erneut zu versuchen. Auch wenn das Wetter jetzt nicht ganz so einladend ist. Aber hey! Es ist Winter. Und wer weiß schon, wie lange noch…
Vom Bierfleck zum Großer Finsterberg
Start der Wanderung ist auf dem Wanderparkplatz Bierfleck. Normalerweise bevorzuge ich ja eine Anreise mit dem ÖPNV, aber der fährt hier eigentlich so richtig nur am Wochenende. Und dann auch noch so ungünstig, dass ich fast schon von einer Nutzung abraten würde. Wie wärs da also mal mit einer Fahrgemeinschaft? Oder gleich einem Gruppenausflug? Genau das machen wir. Wir, das sind meine werte Frau Mutter als auch mein jüngerer Neffe, der mittlerweile gar nicht mehr so jung ist. By the way: Happy birthday, Großer! Oh well. Am Ende besteht unsere Fahrgemeinschaft aus drei Generationen ein und derselben Familie. Gemeinsam auf Erkundungstour. Gab es so bisher auch noch nicht…
Kurz hinterm Parkplatz führt der Weg gemächlich bergan und stößt wenig später auf die Alte Tränke. Diese Lichtung mitten im Wald liegt recht idyllisch und diente vermutlich mal als Rastplatz bei einer Kutschfahrt durch oder über den Thüringer Wald. Ein kleiner Bach windet sich durch die schneebedeckte Wiese und verführt als Ort mit Schutzhütte und Sitzmöglichkeit zu genau solch einer kurzen Auszeit. Machen wir aber nicht. Das ist gesetzt: es geht erst hoch auf den Gipfel. Dann gibts ‘ne Pause.
Gerade warm gelaufen wird uns beim Anstieg auf den Großen Finsterberg jetzt so richtig warm. Der Weg zieht sich nämlich schnurgerade auf den Gipfel. Auf den letzten Metern sogar steil bergan. Da kommen wir ins Schwitzen und – ja, auch ins Schwärmen. So allein unterwegs in einem tief verschneiten Wald ist schon auch ganz schön magisch. Zum Verzaubern schön. Für den Ausblick vom frei zugänglichen Turm braucht es dann aber jede Menge Fantasie. Wir sind mittlerweile in den Wolken und sehen keine 30 Meter weit. Schonmal ganz allein auf der Welt gefühlt? Das wäre solch ein Moment. Komplett in die Stille eines eisigen Windes eingehüllt, gelangt kein Geräusch an unsere Ohren. Kein Vogel, keine Autogeräusche, nichts. Beängstigend schön.
Großer Finsterberg Ade – Hallo Blauer Stein
Nachdem wir uns die Finger ordentlich am Geländer des Aussichtsturms auf dem Großer Finsterberg verkühlt haben – nie gut zu berühren, was komplett vereist ist –, verbringen wir eine kurze Pause in der Schutzhütte auf dem östlichen Teil des Gipfels. Die ist wunderbar, verfügt sogar über Fensterläden die wir gegen den kalten Wind schließen können und obendrein noch über eine Lichterkette. Die hat vermutlich jemand schon vorab für eine bevorstehenden Feier hier hoch gebracht. Nicht auszudenken, dass diese fest installiert wäre und zum Inventar gehört. Gerade jetzt sind wir jedoch sehr dankbar dafür, müssen wir doch bei geschlossenem Schutz nicht im Dunkeln sitzen. Nach dem wärmenden Tee gibt es noch einen Eintrag ins Gipfelbuch, anschließend machen wir uns auf den weiteren Weg.
Der führt uns unterhalb des Gipfels auf einer großen Runde rund um den Großen Finsterberg herum. Der Forstweg ist breit und lässt sich wunderbar laufen. Auch ist er komplett geloipt und begegnen wir unterwegs immer mal wieder freundlichen, aber auch nicht so freundlichen Skifahrern oder Langläufern. Alter, wenn Du mit Deinem Köter nochmal die gesamte Wegbreite für Dich allein beanspruchst, hau ich Dir eine!
Schnell und gemütlich kommen wir voran und kreuzen wenig später den Mordfleck. Um den ranken sich Mythen und wird seit Jahrhunderten versucht, dessen etymologische Bedeutung zu klären. Naheliegend scheint bisher der Zusammenhang mit einer Greueltat. Die soll sich auch tatsächlich zugetragen haben, aber in einiger Entfernung davon. Viel einleuchtender ist wohl aber der Erklärungsversuch über das Volksbildliche. Demnach wurden Sumpfstellen wie diese gern als Muurflak oder Moorfleck bezeichnet. Der Entwicklung des Lautklangs bis hin zum Mordsfleck ist da sicher nur ein paar Jahrhunderte weit. Wer sich darüber hinaus weiterbilden möchte, findet auf der Hinweistafel vor Ort noch weitere Deutungsversuche.
Auch hier folgen wir dem breiten Forstweg ein ganzes Stück bergab, bevor ein kleines, fast übersehbares Hinweisschild in den Wald entführt. Der Trampelpfad verläuft steil bergab und rutschen wir immer wieder auf dem teils gefrorenen Schnee aus. Gegenseitig machen wir uns Mut („so weit kann es laut Karte gar nicht mehr sein“) und achten ganz besonders darauf, wo wir hintreten. Wer hier stürzt und sich was tut, hat schlechte Karten. Das ist schon auch etwas abenteuerlich hier.
Vom Blauen Stein zurück zum Bierfleck
Unterhalb des Blauen Steins machen wir dann endlich Rast. Inmitten des Walds thront der runde, von Gestrüpp und Bäumen bewachsene Stein. Angeblich sollen an dieser Stelle mal Hexenprozesse stattgefunden und die Höhle jahrelang einem Einsiedler als Unterschlupf gedient haben. Gerade letzteres ist durch historische Tatsachen belegt. Ein gewisser Christian Herrgesell soll zu Beginn des 19. Jahrhunderts desertiert sein und sich hier über 20 Jahre lang verschanzt haben. Zumindest findet sich dieser Eintrag tatsächlich im betreffenden Kirchenbuch. Das mit den Hexenprozessen eher weniger. Aber etwas unheimlich ist es hier schon so ein bißchen. Auch wenn ich mich ganz kurz zu Hause in der Sächsischen Schweiz wähne.
Was auf dem Hinweg runter gegangen wurde, muss nun wieder rauf. Im großen Bogen zieht sich der Forstweg (diesmal ungeloipt und nicht befestigt) wieder den Hang hinauf. Da wir die ersten nach dem letzten Schnee sind, die diesen Weg gehen, finden wir jede Menge Spuren im frischen Weiß. Von Hasen, die im Zick-Zack den Weg kreuzen bis hin zu Rehspuren, die es wohl sehr eilig hatten. Dicht gefolgt davon Spuren, die wir nicht ohne weiteres zuordnen können. Wir könnten nur vermuten, dass sie vielleicht zu zwei jungen Wölfen gehören. Sind diese doch in letzter Zeit wieder im Thüringer Wald heimisch geworden. Sehr zum Ärger der Bauern, die um ihr Vieh fürchten.
Vom Mordsfleck folgt der Weg etwas abseits zwar aber hauptsächlich doch den Windungen der Straße. Da diese aber nur sehr wenig befahren ist, ist es auch hier still und einsam. Nur der mittlerweile tauende Schnee, der wie eisiger Regen von den Bäumen tropft, macht das Laufen etwas anstrengend. Warm ist es geworden und ließ sich auch ganz kurz die Sonne blicken. Meine Befürchtung, dass der Winter in den kommenden Tagen wegtauen wird, bestätigt sich bei jedem Schritt. Um so besser, dass wir uns doch hinaus gewagt haben. Denn in Summe ist das eine richtig tolle Tour, die unbedingt und auch im Winter richtig viel Spaß macht. Nur die Aussicht auf dem Großen Finsterberg hätte rückblickend etwas besser ausfallen können…
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
↠ Mit der Buslinie R des ÖPNV gelangt man am Wochenende sowohl von Zella-Mehlis, Suhl als auch dem Bahnhof Gräfenroda zum Mordfleck. Die Rundwanderung kann auch von dort starten.
↠ Besser ist es aber leider, mit dem Auto anzureisen. Aber Achtung! Die beiden Parkplätze Mordfleck und Bierfleck sind nur sehr klein und gerade im Winter nicht immer sofort geräumt. Zudem werden sie bevorzugt von Ski-Langlaufenden genutzt.
AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es keinerlei besondere Ausrüstung. Die Aufstiege sind auch im Winter moderat und gut präpariert.
ESSEN & TRINKEN.
Da es sich durchaus um eine Tageswanderung handelt, wäre es nicht verkehrt, Essen und Trinken dabei zu haben. Denn: unterwegs gibt es keine Möglichkeiten zur Einkehr. Eine Thermoskanne Tee wäre anzuraten, da man bei kalten Temperaturen nicht so schnell Durst verspührt, der Körper aber trotzdem auf den gut 12 Kilometern recht viel Flüssigkeit über die Atemluft verliert.
BESONDERER TIPP.
Bei guter Sicht lohnt sich der Aussichtsturm auf dem Großen Finsterberg. Der ist frei zugänglich und kostet keinen Eintritt. Die Schutzhütte direkt auf dem Gipfel empfiehlt sich außerdem für eine längere Pause. OBENDREIN sollte man im Winter den Schlitten mitnehmen. Liegt genug Schnee macht die Abfahrt vom Gipfel megamäßigen Spaß. Egal in welche Richtung.