Wo früher getreidelt wurde, kann heute wahlweise getrödelt, geradelt oder, wie in meinem Falle, gewandert werden. Und das in Tradition! Bereits 1605 wurde der Finowkanal im Barnimer Land erbaut und bietet seitdem eine Möglichkeit, Waren, Güter und Gäste aufs Einfachste durchs Land zu schippern. Damit ist er der älteste künstlich angelegte Wasserweg Nordeuropas. Nur die Römer hatten noch früher welche. Aber die haben ja auch nicht getrödelt. Also, los gehts auf den Treidelweg nach Eberswalde.

Auf dem Treidelweg von Zerpenschleuse nach Eberswalde (23km)
Anführend sollte ich kurz erklären, dass das Treideln im ausgehenden Mittelalter eine durchaus beliebte Idee war. Kähne, Boote und Schiffe, denen auf kleineren Flüssen die antreibenden Winde ausgingen, wurden in Ermangelung der noch zu erwartenden Erfindung der Dampfmaschine stattdessen von Ochsen, Eseln oder Pferden gezogen. Für diese Lasttiere legte man am Ufer extra Wege an, was die Kosten für den Bau eines solchen Kanals natürlich in exorbitante Höhe trieb, dafür aber eine idyllische Variante der Fortbewegung ermöglichte. Diese Wege nannte man, dank der Namensgebung jener Tätigkeit (treideln) eben Treidelwege. Und weil das so schön historisch klingt, bekam der neu angelegte Rad-/Wanderweg entlang des Finowkanals ebenfalls diesen Namen verpasst.

In seiner Gesamtlänge von 35 Kilometern, die wirklich idiotensicher ausgeschildert sind, widme ich mich auf meiner heutigen Wanderung dem Teilstück von Zerpenschleuse bis nach Eberswalde. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen, kann er sowohl flussauf- als auch flussabwärts begangen, befahren und betrödelt werden. Nur betreidelt leider nicht mehr. Nach gut 8 Kilometern biegt der Weg nämlich vom Kanal in Richtung Süden ab, um der Rekonstruktion der sich hier ursprünglich befindlichen Moorlandschaft Platz zu machen. Und das merkt der Wandersmann dann auch direkt anhand zahlreicher Mückenstiche. Dass diese Mistviecher aber auch überall hinkommen. Wer da also mal pinkeln muss, sei hiermit gewarnt.

Zwischenstopp in Finowfurt
Nach weiteren 3km führt der Umweg über die Autobahn und an ruhigen Sandbrachen zurück an den Kanal und voila: herzlich willkommen in Finowfurt. Zeit für eine erste Pause. Nach gut 14 km in reichlich zwei Stunden brennen mir jetzt doch die Füße. Außer einem völlig überteuerten Restaurant-Schrägstrich-Imbiss gab es auf der gesamten Strecke leider keinerlei Sitzmöglichkeiten. Naja, bei der Anzahl der Mücken wahrscheinlich auch besser so.

In der Idylle der Grafenbrücker Mühle versteckt sich Kunsthandwerk. Oder nur ne als Kunsthandwerk getarnte Hippie-Kommune. So genau ist das nicht zu erkennen.

Über Finowfurt nach Eberswalde
Auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals geht es weiter in Richtung Finow. Dieser kleine und verschlafene Ort wartet, entgegen aller Befürchtung, dann doch mit einer kleinen Sensation auf. Im ehemaligen Messingwerk, welches über die mehrmals versetzte und gekürzte Teufelsbrücke zu erreichen ist, befindet sich der für alle Öffentlichkeit ausgestellte Eberswalder Goldschatz. Der 1913 gefundene und wahrscheinlich aus dem 9. Jahrhundert v. Christus stammende Schatz, der zum Großteil aus Goldschalen und -schmuck besteht, bringt sage und schreibe 2,54 Kilogramm Gesamtgewicht auf die Waage. Damit gilt er als größter Goldfund Deutschlands und ist hier in Finowfurt zu bewundern.

Das Messingwerk hinter mir lassend, dessen ehemalige Fabrikhallen heute Büros und Wohnungen beherbergen, komme ich wenig später am Familiengarten und damit in Eberswalde an. Wer noch etwas Zeit übrig hat, kann auf dem einstmaligen Gelände der Landesgartenschau Bauwerke und technische Anlagen aus drei Jahrhunderten bewundern, wie zum Beispiel die größte Taschenuhr der Welt, die es sogar zu einem Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde brachte. Und da sage noch einer, Eberswalde habe nichts zu bieten außer Würstchen. Pah! Hier auf dem Treidelweg, werde ich eines Besseren belehrt.


