Zur Hütte am Wildseeloder – WaiWi, Tag 2

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AnzeigeDie zweite Etappe des WaiWi hat es ganz schön in sich. Um am Ende auf dem Gipfel des Wildseeloder zu stehen, müssen vorher jede Menge Höhenmeter überwunden werden. In Summe sogar 2.400 auf und ab! Ein Wanderbericht.
Sven Becker
  Inhalt
Das Jakobskreuz auf der Buchensteinwand bei St. Jakob in Haus ist weithin sichtbar
Das Jakobskreuz auf der Buchensteinwand bei St. Jakob in Haus ist weithin sichtbar

Von St. Jakob in Haus zum Wildseeloder (17km)

Kurz vor der Dämmerung werde ich wach. Einfach so. Weder habe ich schlecht geträumt, noch irgendetwas gehört – ich schlage die Augen auf und bin ausgeschlafen. Der Blick aus dem Fenster, welches direkt nach Osten ausgerichtet ist, lässt mich staunen. Auf der Buchensteinwand, die sich direkt hinter dem Hotel Unterlechner erhebt, leuchtet das Jakobskreuz als einzige Lichtquelle auf dem Gipfel. Direkt dahinter beginnt sich der Himmel zu färben: erst dunkelblau, dann lila, später blutrot. Vom Bett aus habe ich einen fantastischen Blick und beobachte ein Spiel der Farben wie ich es nur selten sah. Erst als Wolken aufziehen und beginnen, Kreuz und Berg im Nebel zu verstecken, stehe ich auf und bereite mich auf einen weiteren Wandertag auf dem WaiWi vor.

In der Ferne: Der Pillersee inmitten der Berge
In der Ferne: Der Pillersee inmitten der Berge

Zum Jakobskreuz auf der Buchensteinwand

Die Buchensteinwand sieht von St. Jakob betrachtet harmloser aus als sie ist. Die knapp vier Kilometer bis auf ihren Gipfel ziehen sich steil, ab der Hälfte sogar als Steig die gut 600 Höhenmeter hinauf. Sind im Tal gut 2,5 Stunden bis zum Gipfel angegeben, erlaufe ich die Strecke um eine Stunde weniger. Die Zeitangaben auf den Schildern sind wohl eher für moderate Wanderer gedacht. Trainierte sollten die gut ausgeschilderten Strecken schneller schaffen.  

Dank der Seilbahn, die offenbar gern und häufig genutzt wird, bin ich auf dem Abschnitt des WaiWi jedoch fast komplett allein. Das aber nur kurz. Auf dem Gipfel dagegen herrscht reges Treiben. Das kann zum Einen an eben jener Seilbahn liegen, zum anderen aber auch am Wandertag diverser Schulklassen. Als beliebtes Ausflugsziel zieht es an diesem Mittwoch Morgen gleich zwei von ihnen auf den Berg. Da ist die gipfeleigene Berghütte schnell gefüllt und der Geräuschpegel etwas lauter.

„Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.“

Zitat von Mahatma Gandhi auf einer Wand im Jakobskreuz

Ich dagegen verziehe mich auf das imposante und bereits weithin sichtbare Jakobskreuz. Direkt oberhalb der Buchensteinwand erbaut, thront es mit seinen 29 Metern wie ein Monolith über dem Geschehen. Von seinen Plattformen, die in wirklich alle Himmelsrichtungen führen, habe ich einen fantastischen Blick. Nicht nur das Pillerseetal im Norden, sondern auch den Wilden Kaiser im Westen und sogar den schneebedeckten Gipfel des Großglockner im Süden kann ich erspähen. Und natürlich Fieberbrunn, knapp 600 Höhenmeter tiefer, welches mein nächstes Ziel auf dem WaiWi ist. Steil gings herauf und genauso steil geht es jetzt wieder hinunter.

1.456m über Null und nochmal 29 obendrauf: das Jakobskreuz auf der Buchensteinwand
1.456m über Null und nochmal 29 obendrauf: das Jakobskreuz auf der Buchensteinwand
Bei gutem Wetter reicht die Sicht vom Chiemsee im Norden bis zum schneebedeckten Großglockner im Süden
Bei gutem Wetter reicht die Sicht vom Chiemsee im Norden bis zum schneebedeckten Großglockner im Süden
Ebenfalls sehr gut vom Jakobskreuz aus zu erkennen: der Wildseeloder oben rechts, direkt daneben die Henne.
Ebenfalls sehr gut vom Jakobskreuz aus zu erkennen: der Wildseeloder oben rechts, direkt daneben die Henne.
29 Meter hoch und das größte begehbare Gipfelkreuz der Welt mit Rundumblick
29 Meter hoch und das größte begehbare Gipfelkreuz der Welt mit Rundumblick

Im Tale: Fieberbrunn

Fieberbrunn war einst weltberühmt und trug irgendwie auch zum eigenen Nachteil bei. Von hier stammte eine lange Zeit der beste Stahl der Gegend, der sogenannte Pillerseestahl. Bereits im 16. Jahrhundert wurde mit der Entdeckung von Silber und anderen Erzen der Grundstein für die Weiterverarbeitung gelegt. Jahrhundertelang wusste er mit Qualität zu überzeugen. Selbst auf der Weltausstellung 1851 in London wurde er mit höchstdotierten Preisen ausgezeichnet. Das Ende kam mit der Eisenbahn. Zwar stieg die Nachfrage für die Produktion von Schienen, aber waren die erst einmal verlegt, ließ sich günstigerer Stahl aus anderen Regionen schnell beschaffen und vor allem transportieren. Das Gipfelkreuz des Wildseeloder ist eines der wenigen, letzten, noch existierenden Beweise Fieberbrunner Schmiedekunst.

Mag sein, dass Fieberbrunn ein sehenswerter Ort ist, aber den Teil, den der Waiwi gerade durchquert, ist laut. Und hektisch. Zum Einen durch die stark befahrene Hauptstraße, zum anderen aber auch, weil jede Menge Baustellen ihren ganz eigenen Anteil daran haben. Ursprünglich wollte ich kurz ins Zentrum abzweigen, da dort ein bezauberndes Schloss steht, das sich anzuschauen lohnt. Aber auf diese Betriebsamkeit war ich nicht eingestellt. Daher: der schnellste Weg ist der beste und der führt mich direkt an der Talstation der Fieberbrunner Seilbahn vorbei und somit wieder aus dem Ort heraus.

Auf entgegen gesetzter Talseite geht es wieder hinauf in Richtung Wildseeloder
Auf entgegen gesetzter Talseite geht es wieder hinauf in Richtung Wildseeloder

Steile Anstiege und lohnenswerte Aussichten 

Ab hier kennt der Weg nur noch eine Richtung: bergan. Das mal abwechselnd moderat oder streckenweise ziemlich steil. Zum Glück aber größtenteils durch Wald. So sehe ich wenigstens die grauen Regenwolken nicht, die sich immer dichter über dem Tal zusammen ziehen und aus denen es wenig später leicht regnet.

Als es wieder aufhört bricht dann doch noch die Sonne durch. Unmerklich hat sich auch die Vegetation verändert. Während ich geduldig einen Schritt vor den nächsten gesetzt habe, bin ich auch schon wieder ein paar Höhenmeter weiter und damit über die Baumgrenze gekommen. Ab nun heißt es Sonne satt – mit all ihrer frühherbstlichen Wärme bringt sie mich noch zusätzlich ins Schwitzen. Da ist das Bier auf der Lärchfilzhochalm wohlverdient.

Die Alpen ohne ihre Kühe? Unvorstellbar.
Die Alpen ohne Kühe? Unvorstellbar.

„Auf der Alm, da gibts koa Sünd.“ Ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber Almen gibt es auf dem Weg en masse. Aus allen Richtungen bimmelt und bammelt es von den Glocken, die das ein oder andere Tier um den Hals gebunden bekam. Wär‘ ich eine Kuh, würde mich das ja irgendwann mal verrückt machen. Aber so seelenruhig wie die Tiere währenddessen vor sich hingrasen, scheinen sie sich entweder daran gewöhnt zu haben oder sie täuschen diese Gelassenheit nur vor und laufen Amok, sobald man ihnen den Rücken zudreht. Wer weiß das schon.

Kurze Rast auf dem Lärchfilzkogel mit Blick in Richtung Norden
Kurze Rast auf dem Lärchfilzkogel mit Blick in Richtung Norden

Hinauf zum Wildseeloder (2.118m)

An dieser Stelle verlasse ich den WaiWi für die nächsten Kilometer. Auf der Karte habe ich gesehen, das unweit der Alm ein weiterer Gipfel eine großartige Panorama-Aussicht bereithält, die ich mir gern anschauen möchte. Also heißt das für mich noch ein paar Höhenmeter mehr. In Summe sind mir das heute offensichtlich noch nicht genug. Und in der Tat. Die Aussicht vom Gipfel des Lärchfilzkogel (1.654m) ist fantastisch. Auf bereitgestellten Liegestühlen lässt es sich aushalten und für einen kurzen Moment vergessen, dass da ja noch weitere Höhenmeter bis zum Wildseeloder auf mich warten. Doch diesen Augenblick der Ruhe gönne ich mir. Sobald die nahegelegene Seilbahn abgefahren ist, habe ich das Plateau komplett für mich allein. 

Aber noch ist das Ziel nicht erreicht. Auch wenn es nur noch zwei Kilometer sind, gilt es auf der kurzen Strecke weitere 300 Höhenmeter wett zu machen. Nach den knapp 1.400, die nun schon hinter mir liegen, spüre ich die so langsam in den Beinen. Doch wie sagt man so schön: nur die Harten kommen in den Garten. Auch wenn der heutige Garten Wildseeloderhütte heißt und ich nicht mehr so hart bin wie einst: auf früheren Wanderungen mit meinem Bruder waren mir Anstrengung und Höhe meist scheißegal. Mittlerweile jedoch bin ich da etwas milder geworden. Ach so, und nicht dass das zu kurz kommt: hin und wieder einen Blick zurück zu werfen kann sich auch im Aufstieg lohnen. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter werden die Häuser im Tal, die Bäume an den Hängen und die Almhütten unmerklich kleiner. Weite tut sich auf. Ein berauschender Anblick. 

Vom Lärchfilzkogel geht es zwar erst einmal kurz bergab, aber danach auch gleich wieder bergauf.
Vom Lärchfilzkogel geht es zwar erst einmal kurz bergab, aber danach auch gleich wieder bergauf.

Als ich endlich auf der Wildseeloderhütte ankomme traue ich meinen Augen nicht. Spiegelglatt und glasklar liegt der kleine See zu ihren Füßen zwischen den Gipfeln der Henne und des Loders, wie der Einheimische den Wildseeloder nennt. An seinem Ufer stehen Holzbänke und am Steg, der nur wenige Meter ins Wasser ragt ist ein blaues Ruderboot festgemacht. Eine Idylle zum Verweilen. Auch die auf einem erhöhten Felsen erbaute Hütte passt perfekt mit ihren rot-weißen Fensterläden und rundum verzierten Holzschindeln in das verträumte Ambiente. Wenn sich je ein Aufstieg gelohnt hat, dann dieser. 

Namensgleichheit zum Merken: Der Wildsee zu Füßen des Wildseeloder und seiner Wildseeloderhütte.
Namensgleichheit zum Merken: Der Wildsee zu Füßen des Wildseeloder und seiner Wildseeloderhütte.

Sonnenuntergang auf dem Gipfel

Nachdem ich mich in einem der Zimmer eingerichtet und zu Abend gegessen habe, überlege ich, ob es vielleicht eine gute Idee wäre, den Sonnenuntergang vom naheliegenden Gipfel des Wildseeloders aus zu betrachten. Noch bleiben mir knapp 30 Minuten. Das sollte für die gut 600 Meter und noch einmal knapp 250 Höhenmeter, die es ebenfalls zu überwinden gilt, reichen. Tolle Idee; ich mache mich auf.

Doch schon unterwegs kommen mir erste Zweifel. Die Wolken, die da recht schnell über den Gipfel der Henne und runter zum See ziehen, versprechen nichts Gutes. Ach egal, denke ich bei mir, wird schon schiefgehen. Als ich endlich oben auf dem Sattel ankomme, von dem der Weg zum Gipfel abzweigt, habe ich den Wettkampf allerdings verloren. Die Wolken waren dann doch schneller. Während vom Wildseeloder schon gar nichts mehr zu sehen ist, verliert sich auch der Pfad zu ihm im Grau des Nichts. So ein Mist aber auch. Idee: 1, Ausführung: 6. Danke, setzen.

Auch auf 2.000 Höhenmetern grasen Schafe leise bimmelnd vor sich hin
Auch auf 2.000 Höhenmetern grasen Schafe leise bimmelnd vor sich hin
Immer tiefer ziehen die Wolken und verstecken Licht und Tag
Immer tiefer ziehen die Wolken und verstecken Licht und Tag

Zurück in der Hütte stelle ich mich mental auf eine unruhige Nacht ein. Wolken, die gebündelt so schnell und so tief ziehen, verheißen selten etwas Gutes. Und irgendwie soll mein Bauchgefühl mal wieder recht behalten. Noch während die Wetter-App auf dem Smartphone für diese Nacht leichte Bewölkung voraussagt, beginnt es heftig zu regnen. Und zu gewittern. Laut knallt der Donner gleichzeitig mit dem Blitz, der inmitten der Nebelflut von einer Wolke zur anderen springt. Für den kurzen Moment ist es in meinem kleinen Zimmer taghell. Wer schon einmal mit einem Flugzeug durch ein Gewitter geflogen ist, hat sicher eine Vorstellung davon, was sich hier gerade abspielt. Allein der Gedanke, dass die Wildseeloderhütte bestimmt schon schlimmere Stürme überstanden hat, lässt mich dann doch irgendwann einschlafen.


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Meine Wanderung auf dem WaiWi wurde vom Tourismusverband PillerseeTal organisiert und unterstützt, wofür ich mich herzlich bedanken möchte.

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