Imposant und eindrucksvoll hängt sie über der Schlucht: die Elbbaude.

Rundtour durch das wilde Riesengebirge in Tschechien

Dreitägige Wanderung durchs Riesengebirge in Tschechien: Spindlermühle - Elbquelle - Schneekoppe - Spindlermühle. Bericht von Tag 1.

Inhalt

Willkommen im Riesengebirge in Tschechien

„Dobrý den.“ So begrüßt uns der Kellner in einem Lokal im schönen Spindleruv Mlyn. Mit seinen Speisen bepackt raunt er uns im Vorbeigehen noch schnell ein fast unverständliches „Ich bin gleich bei Ihnen“ zu, bevor er mit den Tellern um die Ecke verschwunden ist. Zeit, sich umzuschauen. Urgemütlich, so würde man wohl die Inneneinrichtung beschreiben, die nur das widerspiegelt, was der Rest des Ortes schon vorgegeben hat.

Und das nicht ohne Grund. Die Ortschaften an den Hängen des kleinsten Hochgebirges der Welt, sowohl auf der polnischen als auch auf der tschechischen Seite, sind architektonisch verdächtig nahe den Bauten des Alpenraumes. Eben urig. Und da steht er auch schon wieder vor uns und fragt: „Wollen gute Knödel? Mache gute Preis. “ Wir geben ihm zu verstehen, dass wir nicht essen sondern eigentlich nur Geld tauschen wollen, woraufhin er lächelt: „Ahh! Mache auch gute Kurs.“ Wir tauschen jeder für die nächsten drei Tage, verlassen das Lokal und stellen beim Nachrechnen fest: der Kurs in der Bank war besser. Aber die hatte leider schon zu.

Tag 1: Spindleruv Mlyn – Elbquelle – Martinsbaude (19km)

Wir starten unsere Wanderung bei strahlendem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen. Wir, das sind einmal mehr mein Bruder und ich, diesmal jedoch begleitet von seinem Sohn, was ja dann wohl mein Neffe ist. Zwei Generationen einer Familie, unterwegs auf unbekannten Wegen. Das ist neu, das muss gefeiert werden.

Erst auf 1.000 Höhenmeter, aber schon über der Baumgrenze. Da geht es vielen Menschen ähnlich. Erst Mitte 30 und oben auch schon nichts mehr drauf…

Nur ein Kilometer weiter, am Zusammenfluss der weißen und der schwarzen Elbe, biegt der Weg linkerhand ab und führt fortan steil bergauf. Immer wieder kommen uns Ausflügler entgegen, leicht bepackt doch trotzdem durchgeschwitzt. Manchmal zu zweit, manchmal als Gruppe. Auch mit einem Kinderwagen. Die Frage, wie sie diesen hinauf bekommen haben verkneife ich mir in Unkenntnis der fremden Sprache, rätsele dennoch und wundere mich über die Hingabe zum Kind. Die Steigung hat mittlerweile alpinen Charakter, die Wege sind ausgetreten und unbefestigt. Das mit einem Kind ist sicher schon schwer genug, mit einem Buggy hochgefährlich.

Zur Elbbaude und damit Richtung Quelle

Die Baumgrenze haben wir längst hinter uns gelassen, was eigenartig ist, sind wir doch erst auf 1.000 Höhenmetern. Doch dann endlich, gefühlte Stunden und unzählige Pausen später, kommen wir an der eindrucksvollen weil imposanten Elbbaude an, ein mächtiger Bau sozialistischer Zweck-Architektur, der sich beeindruckend über das Tal erhebt.

Es ist kurz vor fünf Uhr nachmittags und uns dürstet es nach einem starken Kaffee oder wahlweise einer Cola. Ich verspüre zudem einen leichten Hunger und die tröstende Aufmunterung meines Bruders, hier gebe es bestimmt etwas zu essen, war Ansporn genug, mich die letzten Serpentinen hinauf zu treiben. Die Gastwirtschaft scheint offen, ein Schild verspricht bis 17 Uhr, doch außer einer feudelnden und unfreundlichen Putzfrau ist niemand mehr da, der Kiosk schon geschlossen. Na so wird das nichts mit dem EU-Beitritt. Erst große Versprechungen machen und dann nichts halten. Vielen Dank aber auch.

Die Quelle der Elbe im Riesengebirge Tschechien

Da es hier nichts zu holen gibt und mir die Unfreundlichkeit in Person den Appetit verdorben hat, gehen wir weiter in Richtung Elbquelle, um dort bei frischem Quellwasser unsere Notration anzuknabbern. In einen Betonring eingefasst wird das Wasser aus dem Boden gedrückt und schlängelt sich zu einem schmalen Bach in Richtung Abhang. Daneben sind an einer Steinmauer die Wappen der größeren Städte angebracht, durch die dieses Wasser einmal fließen wird. Dresden, Magdeburg und Hamburg sind ebenso vertreten wie auch Decin und Melnik auf tschechischer Seite.

Aus dem Erdreich quillt das Wasser hervor, sammelt sich in diesem Betonring und trägt fortan den Namen Elbe.

Abgerundet wird die Wichtigkeit dieser Quelle und des aus ihr entspringenden Flusses von einer Statue in Form einer lasziv liegenden Frau. Ihr Hinterteil in den Himmel gestreckt soll sie wohl Symbol der Weiblichkeit dieses Flusses sein, lädt aber mehr zu Anzüglichkeiten ein. Naja, vielleicht geht aber auch nur die Fantasie mit mir durch und das Gebilde ist eigentlich nur eine Wurzel. Wie auch immer.

Ziel: Martinsbaude im Riesengebirge Tschechien

Die Schatten werden immer länger, das Tageslicht erreicht nur noch vereinzelt die Täler, es beginnt Abend zu werden. Noch ein paar letzte Kilometer dann haben wir es geschafft und erreichen bei untergehender Sonne die 6 Kilometer entfernte Martinsbaude. Meine Befürchtungen, wir würden wohl kein freies Bett mehr bekommen, verflüchtigen sich schlagartig, als uns der Hüttenwirt zusichert, wir bekommen sowohl ein Zimmer als auch noch ein warmes Mahl. Was will man mehr, der Abend ist gerettet und morgen ist noch weit entfernt.

Tag 2: Martinsbaude – Schneekoppe / Sněžka (1.602m) – Wiesenbaude (24km)

Die Vögel vor dem Fenster, erstaunlich das es auf dieser Höhe überhaupt welche gibt, wecken uns auf ihre eigene charmante Weise. Ihr Gesang holt uns beizeiten aus den Federn, auch wenn ich – mal wieder – der letzte bin, der wach wird. Nach einem schmalen, aber sättigenden Frühstück auf der Hütte verlassen wir die Baude mit den ersten Sonnenstrahlen, die sich über die Bergkämme erheben. Die Tour, nicht minder anstrengend als der gestrige Aufstieg, soll uns heute auf dem Kammweg in Richtung Sněžka (deutsch: Schneekoppe) immer mal wieder ins polnische Land wechselnd auf den höchsten Berg des Riesengebirges führen. Mit 1.602m ist er im Vergleich mit Bergen der Alpen eine Lachnummer, soll aufgrund der Ausgesetztheit aber nicht minder anstrengend sein. Na, ich bin gespannt.

Direkt hinter der Martinsbaude (Martinova Bouda) führt der Wanderweg einen kleinen Anstieg zum Kamm hinauf, der 4 Kilometer später auch fast mühelos erreicht ist. Da wir noch den ganzen Tag Zeit haben, genehmigen wir uns an dieser Stelle eine erste Pause und schauen ein paar Studenten beim Packen ihrer Sachen zu. Das kleine Hüttchen an der Weggabelung dient wohl schon seit jeher als Unterschlupf für unerschrockene Wanderer, denn hier oben kann es auch im Sommer des Nächtens ziemlich kalt werden. Mitunter bis zum Gefrierpunkt sinken auch im Juli und August die Temperaturen und bestärken einmal mehr den alpinen Charakter dieses Gebirges.

Hüben wie drüben das gleiche Bild. Grenzen haben mehr einen symbolischen Charakter.

Den Kamm entlang wandernd, wechseln wir immer wieder die politischen Territorien. Mal auf der polnischen, mal auf der tschechischen Seite, führt uns der Weg auf Fels und Stein recht mühsam bergauf und -ab. Es strengt auf Dauer an, mit zum Teil unsicheren Schritten den Weg zu laufen, würde uns nicht stets eine fantastische Sicht bis weit ins polnische Land hinein begleiten. Wälder, Wiesen und Bergseen geben den Rahmen vor, der nur von kleinen Flecken Zivilisation unterbrochen wird.

Pause auf dem E3 in Richtung Schneekoppe

Hin und wieder machen wir Rast, treffen auf Wanderer unterschiedlichster Nation. Da Deutschland nicht weit weg ist, auch auf Thüringer. Mit einem Rentnerpaar kommen wir ins Gespräch. Sie erzählen von ihrer Wanderung auf dem Europäischen Fernwanderweg 3, der von Istanbul bis zur spanischen Atlantikküste führt. Ein Teil verläuft auf dem Jakobsweg, ein anderer hier auf dem Kammweg des Riesengebirges. Nein, sie wollen den Weg nicht komplett gehen, hatten sich aber entschieden, zumindest Teile davon zu erwandern, und die schönsten Abschnitte ausgewählt. Das bestätigen wir ihnen gerne: Der Weg im Riesengebirge ist wunderschön und sehenswert. Wir wünschen ihnen alles Gute – bis Istanbul ist es noch ein Stück. Bald verlieren wir sie aus den Augen.

Am Horizont begleitet uns schon seit dem Morgen der Gipfel der Schneekoppe, doch so lang wir auch laufen, er will einfach nicht näher kommen. Dafür gesellen sich hin und wieder Tagesausflügler zu uns. Von Bussen an den Kammbauden ausgespuckt gehen sie ein Stück des Weges, nur um an einer anderen Hütte wieder eingesammelt zu werden. Das ist moderner Tourismus, Hauptsache wir waren dabei. Auffällig ist und bleibt: wandern wir in Deutschland, scheinen wir die Jüngsten zu sein. Wandern wir hier sind wir unter altersgleichen. Viele Jugendliche, Studenten und Mittdreißiger sind unterwegs. Genau wie wir, mit dem Rucksack bepackt, ein Abenteuer erlebend. Das kenne ich so aus der Heimat nicht, offensichtlich wird in Polen und Tschechien mehr und selbstverständlicher gewandert.

Aufstieg zum Gipfel

Wolken sind herangezogen, der Wind hat aufgefrischt. Aus dem Tal kriecht erster Nebel die Hänge hinauf, doch noch scheint alles im Bereich des Machbaren. Am frühen Nachmittag erreichen wir das Schlesierhaus, den Dom Śląski, zu Füßen der Schneekoppe. Ein reges Treiben, Ansammlungen von Menschen und Massentourismus feinster Güte treffen wir an, selbst die Toilette wird zum lohnenden Geschäft. Na klar, der Bus kam gerade erst an.

Leicht bekleidet, mitunter in Sandalen, machen sie sich die Serpentinen hinauf und blockieren den Aufstieg. Alle 200 Meter bilden sich kleine Inseln verschnaufender Menschen, die völlig außer Atem ein wenig pausieren. Der Weg ist steil und schmal, zum Abhang hin mit einem Geländer gesichert. So wird der Berg auch für Oma Trude möglich. Hier darf offenbar jeder nach seiner Façon. Es steht zwar jedem frei auf die Berge zu steigen, wie er es möchte, aber dort der erste Kratzer, woanders der umgeknickte Fuß sprechen da eine ganz andere Sprache. Wer nicht hören will muss eben fühlen.

Der Aufstieg zieht sich. Marcus rennt vorneweg und mein Bruder und ich dringen mit jedem weiteren Meter tiefer in den Nebel hinein. Inzwischen liegt der Gipfel komplett in den Wolken und verhindert die Sicht auf das opulente und beeindruckende Gebäude auf polnischer Seite. Das kleine Kirchlein ist geschlossen, doch das Postamt hat geöffnet. Nein, dieser Berg mag so beeindruckend sein, wie er will, er ist und bleibt vornehmlich eine Touristenattraktion. Aus diesem Grunde verweilen wir nicht allzu lang, stärken und wärmen uns nur kurz im Restaurant, um uns anschließend auf den Abstieg zu begeben.

Von der Schneekoppe zur Wiesenbaude

Zurück am Schlesierhaus verlassen wir den Kammweg und biegen links in Richtung Wiesenbaude ab. Über ausgetretene Feldwege, abwechselnd mit Brettern verfestigten Brücken, dringen wir tiefer in das Moorgebiet rund um die weiße Elbquelle ein. Nur sehen können wir leider nichts. Mittlerweile hat der Nebel das Gebirge fest im Griff und es beginnt leicht zu regnen. Ein paar Kilometer später kommen wir an der Hütte an, suchen uns ein Zimmer und verbringen den Abend abermals bei Skat und gutem Essen in der warmen Gaststube. Draußen regnet es in Strömen, hoffentlich lässt das bis morgen nach.

Tag 3: Wiesenbaude – Weißwasserbaude – Spindleruv Mlyn (12km)

Der Wettergott ist mit uns. Regnete es gestern Abend noch in Strömen erwachen wir heute bei strahlendem Sonnenschein. Nur vereinzelt ziehen kleine Wolken über die Wiesen der Elbe, doch die Sonne wärmt mit jeder Minute und vertreibt die letzten Nebelfelder. Gut gelaunt starten wir in den Tag, soll es doch der letzte bei unserer Tour durch das Riesengebirge sein. Heutiges Tagesziel ist dann auch wieder der Ausgangspunkt unserer 3-Tages-Tour: Spindlermühle an der Elbe.

Die Wiesenbaude, auf gut 1.400m Höhe gelegen, ist umgeben von Moorlandschaften. Laden diese im Winter zu Ski-Abfahrten ein, quillt im Sommer auf ihren Wiesen das Wasser aus dem Erdinneren und sammelt sich in einem kleinen See direkt oberhalb der Baude. Dieser Tümpel stellt dann auch die Quelle der Bílé Labe, der Weißwasser dar. Zwar trägt auch sie die Bezeichnung Labe (tschechisch für Elbe) in ihrem Namen, ist aber nicht die eigentliche Quelle. Offenbar muss man sich in Frühzeiten auf diese Unterscheidung geeinigt haben, denn Höhe der Quelle und Abstand zum Zusammenfluss sind mit der anderen ungefähr gleich.

Von der Quelle der weißen Elbe nach Spindlermühle

Ein Stück führt der Weg noch über die Wiesen, dann geht es hinab. Wie schon gestern wandern wir auch heute über Steine und Wurzeln. Immer entlang des Flusses werden wir von einem steten Rauschen begleitet. Wasserfälle und Windungen gaben dem Fluss ihren Namen, denn mehr als die aufschäumende weiße Gischt ist von dem Wasser nicht zu sehen. Eingerahmt von Sträuchern und Gestrüpp sucht sich das Nass seinen Weg ins Tal.

Die Baumgrenze ist schnell erreicht und fortan bieten Tannen und Kiefern spendenden Schatten. Ein Stück des Weges begleitet uns die Sonne noch, dann sind wir auch schon an der Weißwasserhütte, der Bouda Bílé Labe angekommen. Der Wald wird immer dichter und die Sonne kommt kaum noch zum Vorschein. Vereinzelte Wanderer kommen uns entgegen, rasten mit uns und ziehen weiter. Auch ein paar Mountainbiker. Die Wege aus dem Tal sind bis hierher gut ausgebaut, asphaltiert noch obendrein. Das ermöglicht vielerlei Arten der Fortbewegung.

Alles auf Anfang: am Zusammenfluss der Elbe in Spindlermühle

Eine letzte Rast genehmigen wir uns noch direkt am Fluss, bevor es dann endlich zu der Stelle geht, an der sich beide Quellen, beide Flüsse zur eigentlichen Elbe vereinigen. Ein letzter Blick, dann verschwinden wir im Gewusel von Spindlermühle. Dieser Ort verfügt über eine ganz besondere Geschichte. Wurde in früheren Zeiten auf den Wiesen des Gebirges das Getreide angebaut, konnte es hier gleich weiterverarbeitet werden.

Denn Spindlermühle, wie der Name schon sagt, bestand aus Mühlen. Die Nähe zum reißenden Strom der Elbe gab genug Kraft für eine Vielzahl von ihnen. Wie viele es dereinst genau waren? Man schätzt 18 oder mehr. Heute bestimmen alpine Bauten, die so auch im deutschen Alpenraum anzufinden sein dürften, das Bild und mischen sich mit neumodischem Schick.

Wir genehmigen uns noch einen Stadtbummel und ein abschließendes Mahl, bevor wir uns auf den Heimweg begeben. Das nächste Mal, wenn wir das Wasser der Elbe sehen werden, wird es ein breiter Fluss sein, werden Dampfer auf ihr fahren. Denn unser nächstes Ziel ist die Heimat, ist Dresden. Bye, bey Quelle der Elbe bei Spindlermühle.

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