Ich war noch niemals in New York, Simbabwe und an einem Fjord in Norwegen. Nun, letzteres stimmt nicht mehr. Diesen Sommer verschlug es mich und meine Freundin an einen dieser unzähligen Einbuchtungen, die das Meer, die Zeit oder wer auch immer oftmals kilometerlang in die norwegische Küstenlandschaft gegraben hat. Mitsamt der Familie suchten wir etwas Ruhe und Abgeschiedenheit in unbekannter Gegend. Genauer am Kap Lindesnes. Nicht nur, dass wir das Gesuchte fanden, wir lernten obendrauf auch noch ein Land kennen, das so ganz anders ist als die Heimat… und dann auch wieder nicht.

Ankunft am Kap Lindesnes
Regen empfängt uns, als wir nach 2-stündiger Überfahrt mit der Fähre in Stavanger anlegen. Für mich erstaunlich, wie viele Menschen, Autos und Lastkraftwagen auf solch einem schwimmenden Geschoss überhaupt Platz finden. Und trotzdem war da noch mehr Raum, trat man sich nicht auf die Füße und ging — Gott sei Dank — auch nicht unter. Weitere 75 Kilometer später in westlicher Richtung fahrend, kommen wir nach insgesamt 16 Stunden Reise endlich am Zielort, im kleinen Nest Gronsfjord an. Beschaulich schmiegen sich die Häuser ans Wasser und die bergauf ragende Landschaft. Jede Menge Wasser, auch als Regen — willkommen in Norwegen.

Fischen im Gronsfjord
Meinen Lebtag habe ich noch keinen Fisch gefangen und trotz der täglichen Versuche soll es wohl auch dabei bleiben. Die Worte des Bootsverleihers noch im Ohr, der meinte in den Fjorden welchenh zu fangen, käme einer Meisterprüfung gleich, müssen wir ihm wohl Recht geben. Hier mal eine Lachsforelle, wahrscheinlich ausgebüchst aus einer nahe gelegenen Farm, dort ein Köhler, zu klein um verspeist zu werden. So richtig fangen wir tagelang nichts.
Doch dann, als hätte Petrus ein Einsehen, wagen wir uns aufs offene Meer hinaus und werden belohnt. Während das kleine Boot von den Wellen hoch und runter geschaukelt wird, fangen wir endlich Fische. Noch immer auf der Nordsee mit Blick in die norwegischen Fjorde, ist dann endlich auch mir das Glück hold: Makrelen. Ein ganzer Schwarm muss sich unter uns befinden und wir holen eine nach der anderen aus dem Wasser. Holla, wir haben Essen!

Chillen am Gronsfjord
Die Sonne scheint, das Boot tuckert träge vor sich hin, ich meditiere auf dem Wasser. Fragen tauchen auf: Wie kommt es eigentlich, dass der Gronsfjord nur 500 Meter breit, dafür aber 124 Meter tief ist? Haben Fische, die gefangen an der Leine zappeln Angst? Ist die Lachsforellen-Zucht inmitten des Fjords überhaupt ökologisch vertretbar? Manchmal weiß ich nicht, ob das menschliche Tun, das irdische Treiben wirklich so gut ist oder ob sich das nicht alles irgendwann einmal rächt… Mit anderen Worten: hier ist viel Freiheit. Eine solche zum Erholen, zum Entspannen, zum Chillen und zum Nachdenken. Jeder wie er mag.

Wandern am Kap Lindesnes
Und dann, bei tollstem Wetter, noch tollerer Luft und super-toller Begleitung wagen wir uns hinaus aus der Idylle des Fjords, raus aus dem Dorf, rein ins bunte Treiben der Touristen. Das Ziel: Kap Lindesnes. Der südlichste Punkt Norwegens und nur 2.814 Kilometer vom nördlichsten entfernt. Beide verfügen über Leuchttürme, der in Lindesnes ist allerdings der Ältere.
Und so nutzen wir das schöne Wetter, schlüpfen in die Wanderstiefel und erkunden auf Schusters Rappen das Kap und seine Umgebung. Norwegen at it’s best. Solch einen traumhaft schönen Ort bekommt man sicher nur selten zu Gesicht.

Meine Woche am Kap Lindesnes
Tja, die Woche in Norwegen war schneller vorbei als gedacht. Meine Freundin und ich dürfen uns ungekrönte Fischfänger des Jahres nennen (ich sage nur FÜNF auf einen Streich! 😉 ), stellen fest, dass das schönste am Fischfang immer noch der Verzehr ist (alles andere harte, zumeist auch eklige Arbeit) und wünschen uns eines Tages wiederzukommen. Norwegen ist toll, beeindruckend und das, obwohl ich nur einen kleinen Ausschnitt des Südens sah. Und ja, Antworten habe ich auch gefunden: Fische haben Angst. Große sogar. Zappeln sie nämlich schmerzerfüllt an der Leine, scheißen und pissen sie was das Zeug hält, machen sich sprichwörtlich in die Hose. Nein, der Fischfang zählt nicht zu meinen Lieblingshobbys. Aber wer ihn essen will, muss darüber hinwegsehen lernen.