Chiemsee Urlaub statt Wandern
Beim Aufwachen beschließe ich, das dies mein letzter Tag in den Chiemgauer Alpen sein wird. Die Wetter-App meines Handys sagt für den gesamten Alpenraum auch weiterhin spätsommerliches Wetter voraus und ich möchte gern mehr von den Alpen sehen. Die Chiemgauer Berge sind toll, keine Frage, aber seit dem Aostatal bin ich irgendwie auch angefixt von der Höhe. Und da ist hier im Chiemgau bei unter 2.000 Metern nunmal Schluss. So recht weiß ich allerdings noch nicht, wohin meine persönliche Alpenreise, meine Road to Alps weitergehen wird. Es gibt so viele Gebiete, die schon länger auf meiner Agenda stehen. Aber eine Wahl habe ich noch nicht getroffen. Daher mache ich das scheinbar Vernünftigste und statte zur Abwechslung einfach mal dem drittgrößten See Deutschlands einen Besuch ab. Vielleicht überkommt mich ja dabei eine kleine Inspiration.
Das Auto lasse ich auf einem kleinen Wanderparkplatz, der komplett kostenlos ist stehen. Die Parkplätze in Prien, besonders der an der Anlegestelle zur Chiemsee-Schifffahrt, sind mir einfach zu teuer. So komme ich wenigstens in den Genuss, an einem von mir liebevoll bezeichneten „Urlaubstag“ dann doch noch ein paar Kilometer laufen zu können. Oder zu müssen. Hätte ich vorher gewußt, dass der Weg, der anfänglich recht idyllisch entlang des Ufers verläuft, letztlich die ganze Zeit an der Straße entlang führt, wären mir die knapp 4,50 € Parkgebühr egal gewesen.
Jetzt fahr’n wir über’n See, über’n See…
Einen Fußweg entlang der Straße zu laufen hat auch immer den Vorteil, dass man recht zügig voran kommt. So brauche ich für die reichlich drei Kilometer gerade mal eine halbe Stunde und darf mich wenig später in die Schlange an der Kasse der Chiemsee-Schiffahrt einreihen. Aller 30 Minuten legt eine Fähre ab und kurz darauf schippere auch ich über den Chiemsee. Die frische Brise, die mir dabei um die Nase weht, ist äußerst angenehm. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Mitte Oktober bei gut 23 Grad im T-Shirt meine Wandertouren laufen konnte und genieße den Augenblick sehr. Das Boot ist halb besetzt und kurz überkommt mich bei der Vorstellung, die Fähre wäre in der Hauptsaison knackenvoll, ein unangenehmer Schauer. Die MS Edeltraud zum Beispiel fasst bis zu 1.000 Personen.
Auf der Insel Herrenchiemsee legt die Fähre an und ich steige hier aus. Die Insel scheint größer, als von mir gedacht, benötige ich doch länger als erwartet bis zum Schloss. Dabei schlendere ich durch wunderbar herbstlich gefärbte Wälder und wundere mich, warum es so wenige mir gleichtun. Obwohl die Kutschfahrt von der Anlegestelle bis zum Anwesen für mein Empfinden einfach zu teuer ist, nutzen sehr viele die Möglichkeit, sich nicht selbst fortbewegen zu müssen.
Spaziergang auf Herrenchiemsee
Zum Schloss kann ich gar nicht so viel sagen. Außer in den Vorraum, wo sich Kasse und ein überdimensionierter Shop befinden, gelangt man ohne Eintritt bezahlen zu müssen gar nicht weiter hinein. Auch die Brunnen vor dem Bau werden gerade instand gesetzt und wirken so ohne Wasser wenig einladend. König Ludwig der II. von Bayern erwarb die Insel 1873 bei einem Chiemsee Urlaub, um auf ihr ein Schloss nach dem Vorbild Versailles zu errichten. Er selbst hat die Vollendung des Baus jedoch nicht mehr erlebt. Offenbar benötigten die Bauherren rund um den Architekten Georg Dollmann dann doch zu lange für die Planung.
Da ich kein Freund touristischer Aufläufe bin, wende ich mich von der Sehenswürdigkeit ab und suche im Spaziergang über die Insel meine Zuflucht. Vom Grand Canal, der ursprünglich als Bootsanlegestelle geplant war, führt ein kleiner Feldweg in Richtung Augustiner Chorherrenstift. Teile davon wurden bereits im Spätbarock um 1649 errichtet und laden frisch renoviert zu Speis & Trank ein.
Daran vorbei laufend gelange ich im äußersten Norden der Insel zu einer kleinen Kapelle und bin hier erstmals seit Betreten der Insel allein. Idyllisch liegt das Gotteshaus unter Bäumen an einem kleinen Strand, der im Hochsommer sicher zum Verweilen und Baden einlädt. Auch ich komme kurz in Versuchung mich abzukühlen, lasse es aber bei einer Wassertemperatur von knapp vierzehn Grad dann doch lieber bleiben.
Wie geht es weiter?
Und dort, im Schatten der Bäume kommt mir plötzlich die erhoffte Eingebung. Beim Blättern durch Instagram taucht immer wieder dieser eine, ganz besondere Alpensee auf. Inmitten hoher Berge gelegen scheint dieser wohl ein richtig waschechter Alpensee zu sein und ein angesagter Hotspot obendrein. Instagrammer und Influencer jeglicher Couleur tummeln sich an ihm und auf den abgebildeten Fotos. Kurioserweise steht er ebenfalls auf meiner Bucketlist. Nur war mir der Weg bisher immer zu weit. Doch diesmal nicht. Nicht von hier zumindest. Gute 200 Kilometer quer durch Österreich und dann wäre ich schon da. Ich brauche daher nicht lange zu überlegen. Meine Road To Alps wird immer mehr zu einem emotionalen Weg – allein durch mein Bauchgefühl geleitet. Und dem folge ich jetzt.