Meine Wanderung zu den Wiesen bei Greifswald beginnt direkt am Geburtshaus von Caspar David Friedrich in der Greifswalder Altstadt. Das dient derzeit als Informationsstätte und Museum rund um die Familie und die Seifensiederei des Vaters. Diese kann man sich im Keller auch anschauen und nebenbei etwas über die Familie erfahren.
Von dort führt der Weg zunächst zum Dom St. Nikolai, in welchem der Maler zwei Tage nach seiner Geburt getauft wurde und vorbei an der 1456 gegründeten Universität. Weiter geht es entlang der Stadtmauer zum Haus des ältesten Bruders. Hier entstanden mit Blick auf die Altstadt die ersten Zeichnungen, die jedoch nicht zu einem großen Gemälde ausgearbeitet wurden.
Auf dem Weg zu den Wiesen bei Greifswald
Über den Karl-Marx-Platz und durch die Unterführung geht es ein ganzes Stück an einer viel befahrenen Hauptstraße entlang. Wenn man die „Wiesen bei Greifswald“ sehen will, muss man wohl irgendwie an dieser Straße entlanglaufen. Einen anderen Weg zum Aussichtspunkt gibt es leider nicht. Dafür ist der Fußweg aber auch breit und führt ein Stück von der Straße weg. An der Abzweigung zum parallel verlaufenden Jakobsweg halte ich mich rechts in Richtung Neuer Friedhof. Kleiner Tipp: an der Ampel unbedingt den gelben Knopf drücken. Sonst wartet man wie ich ewig auf Grün.
Belohnt werde ich für das laute, urbane Treiben mit dem originalen Caspar-David-Blick auf die Silhouette der Greifswalder Altstadt. Ich habe Glück. Oder Pech, je nach Sichtweise. Pech, weil der Blick über die Greifswalder Wiesen, wie er sich Caspar David Friedrich bot, von einem Bauzaun umgeben ist und offenbar gerade renoviert wird. Glück, weil das Wetter mitspielt. Sankt Nikolai und die Pfarrkirche ragen über die Wiesen und ich habe einen wunderbaren Blick auf die Silhouette der Altstadt. Wären da nicht die Neubauten im Vordergrund. Wenn die nämlich nicht wären, würde ich mich für einen Moment um fast 200 Jahre zurückversetzt fühlen.
Zurück nach Greifswald und entlang des Hafens
Zurück von den Wiesen bei Greifswald geht es zunächst wieder auf der viel befahrenen Hauptstraße – Buh-Rufe aus dem Off – in Richtung Altstadt, um kurz davor nach links zum Ryck abzubiegen. An diesem Fluss, kurz vor seiner Mündung in die Ostsee, wurde Greifswald gegründet und bereits am 14. Mai 1250 erhielt die noch junge Ortschaft das Stadtrecht.
Mit Planen geschützt liegen Segler und Boote im Greifswalder Hafen. Am Ufer des Ryck steht braun das Gras des letzten Sommers, einsam treiben herrenlose Eisschollen in Richtung See. Am gegenüberliegenden Ufer stehen moderne Bauten, deren Charakter wohl an alte Zeiten erinnern soll.
Der weitere Weg schlängelt sich immer am Ryck entlang. Je näher ich der Mündung und damit der Ostsee komme, desto mehr rieche ich die salzige Luft. Und desto leiser werden die Geräusche der Stadt hinter mir. Einsam tuckert ein Motorsegler über das teilweise zugefrorene Wasser.
Wieck & die Ostsee
In Wieck, dem Dorf direkt an der Mündung, duftet es nach geräuchertem und gebackenem Fisch. Gegenüber auf der anderen Flussseite liegen die Hafenräucherei und die Fischer-Hütte, zwei beliebte Restaurants, die den fangfrischen Fisch direkt vor Ort weiterverarbeiten. Ergänzt durch kleine Cafés und Imbisse, Eisdielen und unzählige Restaurants ist das hier ein wahrhaft idyllischer Ort. Über dem Fluss kreischen lautstark die Möwen – richtig schön ist es hier. Anders als bei den Wiesen bei Greifswald, aber auch schön.
Laut Hochwassermarke am Hafenamt würde ich allerdings am 13. November 1872 hier knietief im Wasser stehen. Auch 1995 drückte die Flut so stark in den Wiecker Hafen, dass ringsum alles unter Wasser stand. Kaum vorstellbar.
Und dann: das Meer. Ganz hinten am Horizont schimmert die Insel Rügen im fahlen, winterlichen Mittagslicht. Kleine Eisschollen treiben am Ufer und ein frischer, kühler Minuswind weht mir um die Nase. In meinem Rücken wärmt die Wintersonne und der Greifswalder Bodden plätschert angenehm ruhig vor sich hin. Hier soll Friedrich Inspiration für seine „Lebensstufen“, eines seiner letzten Gemälde, gefunden haben. So steht es jedenfalls auf der Informationstafel, die wie alle anderen an gut einsehbaren Stellen entlang des Weges aufgestellt ist.
Während der Wind durch die Gitterstäbe des Geländers pfeift und sie launisch zum Klingen bringt, stehe ich am östlichsten Punkt dieser Wanderung mit Blick auf Rügen und die Ostsee. Einfach schön, dieser Moment.
Von Wieck zum Strandbad Eldena
Zurück an der Mole führt der Weg über die uralte Klappbrücke, die bei Bedarf in der Mitte – wie der Name schon sagt – hochgeklappt werden kann, um durchfahrenden Schiffen Platz zu machen. Geradeaus geht es am Strandbad vorbei. Von dem ist leider nicht wirklich was zu sehen, da ein aufgeschütteter Damm die Sicht versperrt allerdings dem Hochwasserschutz dient.
Bevor der Weg nach rechts in Richtung Eldena abzweigt, steige ich doch noch die Stufen zum Deich hinauf und bekomme einen Blick in das eingezäunte Strandbad. Auch hier steht ein Caspar-David-Friedrich-Schild, nur leider hinter dem Zaun. Lesen = Fehlanzeige. Dumme Geschichte, aber ein wirklich schöner Ort zum Baden. Bei wärmeren Temperaturen vielleicht.
Während sich vereinzelt Spaziergänger auf das vereiste Ufer wagen, lassen sich die Enten und Vögel, die an den Rändern der Schollen hocken, nicht weiter beeindrucken. Die Köpfe tief im Fell versteckt sitzen sie da und harren des Winters, scheinen auf den Frühling zu warten. Ich befürchte, der wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.
„Wiesen bei Greifswald“ (1821/22)
Bereits um 1790 zeichnete Caspar David Friedrich erste Skizzen und unternahm als Privatschüler unter Anleitung von Professor Johann Gottfried Quistorp auch Spaziergänge und Wanderungen in der pommerschen Landschaft. Diese Spaziergänge festigten sein Heimatgefühl und ließen ihn in seinem späteren Leben immer wieder dorthin zurückkehren.
Das wohl um 1821/22 entstandene Gemälde Die Wiesen bei Greifswald [1] fasst diese Eindrücke zusammen. Die Silhouette der Stadt Greifswald markiert den symmetrischen Übergang von den Wiesen zu einem stark idealisierten Himmel. Im stark religiösen Bezug des Malers kann auch in diesem Bild die menschliche Schöpfung als Mitte zwischen Natürlichem und Himmlischem verstanden werden.
[1] Caspar David Friedrich, 1821/22, Wiesen bei Greifswald, Öl auf Leinwand, 34,5 x 48,3 cm, bpk / Hamburger Kunsthalle / Elke Walford | Inv. Nr. HK-1047, Caspar David Friedrich artist QS:P170,Q104884, Caspar David Friedrich’s Wiesen bei Greifswald, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons.
Nach den Wiesen bei Greifswald noch das Hauptmotiv: die Klosterruine Eldena
Entlang der Wolgaster Landstraße, die ebenso wie die vorherige Hauptstraße stark befahren ist, gelange ich wenig später zu dem Motiv, das der Maler neben den Wiesen bei Greifswald sehr häufig in seinen Bildern verwendet hat: die Ruine des Klosters Elena. Auch hier habe ich etwas Pech. Auch sie ist eingezäunt und wird gerade restauriert. Trotzdem wage ich mich auf das Gelände und bekomme einen kleinen Eindruck von dem, was den Maler schon vor über 200 Jahren beeindruckt hat.
Es muss ein ziemlich großes Kloster gewesen sein. Zumindest wenn ich mir die Ausmaße des einstigen Grundrisses anschaue, der nur noch vereinzelt von roten Backsteinmauern flankiert wird. Das noch erhaltene Portal der gotischen Abteikirche ist riesig. Ich verstehe, dass es ihn so beeindruckt haben muss, dass er die Klosterruine Eldena in einem seiner Gemälde sogar ins Riesengebirge versetzt hat.
Stadtwanderung Greifswald: Rein ins Geschehen
An der Klosterruine Eldena verlasse ich den ursprünglichen Themenweg. Dieser führt nämlich wieder zurück zum Ryck und damit auf den gleichen Weg, auf dem ich hergekommen bin. Aber ich möchte Greifswald noch ein wenig erkunden. Deshalb wähle ich hier einen Weg durch wenig befahrene Nebenstraßen und Parkanlagen. Der führt mich letztlich auch wieder zurück in die Greifswalder Altstadt. Ein kleines Gefühl für die Stadt möchte ich dann nämlich doch noch bekommen.
Durch den kleinen Vorort Eldena führt der Weg vorbei an Einfamilienhäusern zum Elisenhain. Wer noch nicht genug vom Wandern hat, kann sich diesen schönen Hochwald, der heute ein Naturschutzgebiet ist, noch zusätzlich ansehen. Rechts führt ein kombinierter Fuß- und Radweg in Richtung Greifswalder Innenstadt. Durch eine Unterführung geht es direkt von einem Waldgebiet ins nächste. Nun befinde ich mich im Stadtpark von Greifswald und hier setzt sich der wirklich sehr schöne Rad-/Wanderweg fort.
Inzwischen steht die Sonne tief und wirft lange Schatten. Wie gut, dass das Wetter wieder mal mitspielt. Sah es heute Morgen noch grau und regnerisch aus, kam im Laufe des Tages die Sonne durch und machte diese Stadtwanderung zu etwas ganz Besonderem. Und das nicht nur, weil sie authentisch auf den Spuren Caspar David Friedrichs führt.
Universitätsstadt Greifswald seit 1456
Nach all dem Wald wird es wieder etwas städtischer. Vorbei am Freizeitbad tauchen nach und nach immer mehr Gebäude auf. Und siehe da: schließlich erreiche ich die Greifswalder Innenstadt. Vor der zentralen Universitätsbibliothek merkt man deutlich, dass Greifswald eine Universitätsstadt ist. Gegenüber der Bibliothek steht die aus Glas und Stahl gebaute Mensa, links davon die Universitätsmedizin – von diesem Platz geht eine ganz besondere Energie aus.
Vorbei am Zentrum für Mikrobiologie sowie dem Institut für Physik und dem Institut für Biochemie gehe ich immer weiter in Richtung Altstadt. Stets auf dem komplett verkehrsbefreiten Rad-/Wanderweg. Als ich wenig später die Greifswalder Stadtmitte erreiche, haben sich graue, schwere Wolken vor die Sonne geschoben. Trotzdem mache ich noch einen Abstecher zur Marienkirche und zu den letzten beiden Punkten des Caspar-David-Friedrich-Themenwegs.
Zurück in der Altstadt von Greifswald
Über den Markt, dessen Fassaden farblich aufeinander abgestimmt sind, gelange ich schließlich zur letzten Station: dem Pommerschen Landesmuseum. Ab dem 28. April sind hier bis ins nächste Jahr hinein Sonderausstellungen zu Caspar David Friedrich zu sehen, die abwechselnd Heimatstadt, Sehnsuchtsorte und Lebenslinien präsentieren.
Was für mich dann wohl heißt, dass ich noch einmal hierher kommen muss. Diese Stadtwanderung, dieser Themenweg, ist wirklich abwechslungsreich und total schön. Besonders im Winter. ◆
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
↠ Am besten gelangt man mit der Bahn nach Greifswald Bahnhof. Die fährt zum Beispiel von Berlin aller 2 Stunden.
↠ Das Auto lässt man am besten entweder auf dem Parkplatz am Theater oder am Hansering stehen. Die sind zwar kostenpflichtig (wie übrigens alle Parkplätze in der Innenstadt), kosten aber nur max. 5,- € pro Tag. Außerdem liegen die beiden Parkplätze direkt vor den Toren der Altstadt und kann man die Wanderung dann auch direkt dort starten. Eine Übersicht der freien Plätze ist auch auf der Webseite der Parkraumbewirtschaftung von Greifswald zu finden.
AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung ist keine besondere Ausrüstung erforderlich. Schuhe, mit denen man sowohl auf Asphalt als auch auf Parkwegen gehen kann, sollten ausreichen.
UNTERKUNFT.
Als Übernachtungsmöglichkeit mitten in der Greifswalder Innenstadt kann ich die Wohnung der Familie Möbius empfehlen. Ich habe dort ein verlängertes Wochenende verbracht und fand gerade die Nähe zur Gastronomie und die verkehrsberuhigte Innenstadt absolut top. // Wer lieber im Hotel übernachtet: In der gleichen ruhigen Gegend befindet sich das Hôtel Galerie, in dem aktuelle Künstler ausgestellt werden. Da ich dort nicht übernachtet habe, kann ich nur auf die aktuellen Google-Bewertungen verweisen (2023: 4,6 ★).
ESSEN & TRINKEN.
Da es sich durchaus um eine Tageswanderung handelt, ist es gerade im Sommer nicht verkehrt, Essen und Trinken mitzunehmen. Unterwegs gibt es viele Möglichkeiten für ein Picknick, sei es auf den Wiesen bei Greifswald, im Greifswalder Hafen oder am Bodden. Aber auch zum Einkehren gibt es viele Möglichkeiten. Besonders in Wieck (etwa auf halber Strecke) lohnt sich ein Fischbrötchen mit frischem Fisch aus dem Greifswalder Bodden. Schauen Sie doch einfach im Reusenhaus oder in der Fischerhütte vorbei.
Besonderer Tipp
Im Sommer: Badesachen einpacken! Der Weg führt direkt am Strandbad Eldena vorbei, wo man eine ausgiebige Badepause einlegen kann. In den anderen Jahreszeiten bietet sich ein Zwischenstopp im Greifswalder Freizeitbad an. Es ist sehr beliebt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und man könnte die Wanderung auch hier enden lassen und mit dem Bus zurück zum Bahnhof oder Parkplatz fahren. // OBENDREIN Am Hafen steht eines der ältesten Gebäude Greifswalds, der Fangenturm. Er kann besichtigt werden und bietet interessante Einblicke in die Hansezeit Greifswalds.