Auf dem Weg zu den Drei Zinnen in den Sextener Dolomiten
Ein frischer Wind treibt vereinzelt graue Wolken vor sich her. Trotzdem die Sonne noch wärmt, ist der nahende Winter bereits deutlich zu spüren. Doch das allerwichtigste an diesem Herbsttag im Jahre 2018 ist nicht das, was bald kommt, sondern das, was gerade ist. Und das ist perfektes Wanderwetter. Die Lärchen stehen in goldener Pracht, von einem leicht bewölkten Himmel scheint die Sonne und nach dem gestrigen Regentag habe ich große Lust, ein für mich neues Highlight in den Dolomiten zu entdecken.
Doch zuvor heißt es steile Serpentinen überwinden. Was mit meinem völlig untermotorisierten Gefährt leider nur so mäßig funktioniert. Wer wird schließlich gern von Campern überholt, während er versucht, im ersten Gang mit ihnen Schritt zu halten. Doch wenn die recht hohe Maut für die Straße hinauf zur Auronzo Hütte erst einmal gezahlt ist, verschwindet auch die größte Frust. Normalerweise hätte ich zwar von Toblach aus den Bus zu echt moderaten Preisen genommen. Doch mit Beginn der Nachsaison wird dieser bis zum nächsten Frühjahr eingestellt. Zu teuer ist die zu entrichtende Straßengebühr für die Handvoll erwarteter Touristen.
Rundwanderung Drei Zinnen
Ich bin nicht allein. Zwar ist in der Nachsaison nicht ganz so viel los, wie im Hochsommer, doch auch hier haben sich eine Menge Wanderfreunde eingefunden. Deren Ziel – genau wie meines – einmal die berühmten Drei Zinnen sehen. Doch von der Auronzo Hütte aus betrachtet schauen sie gar nicht so typisch aus. Mir scheint, es sind dann doch etwas mehr, und ich beginne sie zu zählen. Bei 21 höre ich auf. Das sind deutlich mehr als nur drei. Dennoch: imposant sind sie allemal.
Vorbei an der Cappella degli Alpini, einer kleinen Kapelle auf gut 2.300 Höhenmetern, schlängelt sich der Weg entlang der Felsen immer höher. Kurz vorm Paternsattel machen die ersten Mitwanderer im Schatten der Lavaredohütte Rast. Genau wie viele andere Hütten der Dolomiten ist diese bereits geschlossen. Die Winter hier sind rau. Und kalt. Demenstprechend müssen die Hütten vorbereitet werden. Wenig später, genauer auf 2.450 Metern Höhe, mache ich eine Pause und genieße einen atemberaubenden Blick auf die Felsgruppe der Egal-wie-viele-Zinnen. An deren Gipfel hängen erste Wolken fest während sich die Menschen zu ihren Füßen wie Ameisen bewegen. Sie verschwinden in der Bedeutungslosigkeit alpiner Erhabenheit. Ein Abbild wahrhafter Größe.
Als Mutprobe wage ich einen kleinen Abstecher in den Klettersteig des Paternkofel. Dessen Gänge offenbaren auch heute noch Zeugnisse vergangener Weltkriege. Zum Teil ausgesetzt und direkt am Felsen entlang, später als höhlenartige Gänge vorbei an Schießscharten und rostigen Unterständen klettere ich mehr als das ich laufe. Da der Steig mich aber zu weit von meinem eigentlichen Weg abbringt, kehre ich nach einem guten Kilometer wieder um.
Zu Füßen der Drei Zinnen
Da auch die Sommersaison der Drei Zinnen Hütte bereits beendet und sie somit geschlossen ist, verweile ich bei ihr nur einen kleinen Moment. Etwas unterhalb der Hütte verbirgt sich hinter einer schützenden Mauer ein kleiner Schrein. In seiner Nische steht eine Kerze, ein Foto, ein kleiner Text hängt an der Wand. Von Freunden für Freunde gedacht, erinnert er an vergangene Zeiten die ein trauriges Ende fanden. Auch wenn der Wanderweg sehr gut ausgeschildert und ziemlich einfach zu laufen ist, erinnert dieser Ort daran, wie gefährlich alpines Gelände mitunter auch sein kann. Den herumfliegenden Dohlen scheint das jedoch egal. Sie interessieren sich nur für meine Brotzeit. Eine recht unterschiedliche Gewichtung an diesem idyllischen Ort.
Ab da geht es bergab. Zumindest in Summe und was die Höhenmeter betrifft. Nach einem schnellen Abstieg führt der Weg auf der anderen Talseite recht schnell wieder hinauf. Was letztlich irgendwie ganz gut ist. Sonst wären die knapp zehn Kilometer ja auch viel zu einfach. So komme ich ganz nebenbei in den Genuss einer hochalpinen Wanderung, die ich vorzugsweise und total beeindruckt mit Staunen und Fotografieren verbringe. Dabei merke ich gar nicht, wie die Zeit vergeht. Siehe da: noch ehe ich auf der anderen Seite der Drei Zinnen ankomme, ist es bereits Nachmittag. Und ja. Von hier sehe ich sie auch in all ihrer Pracht. Ich verstehe, warum es sommers wie winters Tausende in ihren Bann zieht. Dennoch bin ich der Meinung, dass sich da jemand ordentlich verzählt hat.
Rückweg zur Aronzo Hütte
Die Langalm Hütte, etwas unterhalb der Rienzquelle gelegen, ist ebenfalls schon geschlossen. Zwar wär ich jetzt in genau der richtigen Stimmung für ein uriges Weizen, aber geschlossene Hütten haben eben auch ihren Reiz. Auch wenn heute ziemlich viele Ausflügler unterwegs sind, habe ich dennoch ein paar Momente für mich allein. Und genieße die Ruhe und die Stille, die dieser Ort bietet. Einziges Trostpflaster: wer in der Nachsaison bei seiner Umrundung der Drei Zinnen eine Toilette benötigt, muss seine Notdurft zwangsläufig im Freien verrichten. Und das ist gar nicht so einfach. Bäume, hinter denen man sich verstecken kann, gibt es genauso wenig, wie die paar Felsen, die herumliegen, ausreichend Schutz bieten. Man hockt quasi auf dem Präsentierteller. Wer hier zu viel Schamgefühl besitzt, muss sich dann eben bis zur Auronzo Hütte in Körperbeherrschung üben.
Die Sonne steht bereits tief, als ich am späten Nachmittag wieder an der Auronzo Hütte und damit am Auto ankomme. Mittlerweile ist der Parkplatz fast leer. Nur in vorderster Reihe haben sich Camper und Vans aufgereiht, um erst den Sonnenuntergang zu genießen und vermutlich später die ganze Nacht hier zu verbringen. In diesem Moment würde ich mein kleines Gefährt gern gegen solch einen Kraftboliden mit Übernachtungsmöglichkeit eintauschen. Zu groß ist die Lust, jetzt zu verweilen und es ihnen gleichzutun. Denn die Energie und Erhabenheit, die vom Sonnenuntergang an den Drei Zinnen ausgeht, wäre es allemal wert, einfach noch ein bißchen länger zu bleiben.
So fahre ich zurück und genieße erneut typisch italienische Pasta am Lago die Misurina. Von seinem Ufer aus erblicke ich die Drei Zinnen ein letztes Mal und werde bei ihrem Anblick etwas melancholisch. Bereits fünf Tage bin ich nun in den Dolomiten unterwegs und muss mich wohl langsam mit dem Abschied anfreunden…
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
– Von Sexten aus mit dem Bus Nr. 446 bis Toblach Bahnhof und von dort mit dem Bus 444 zur Auronzohütte. Achtung: der Bus fährt nur in den Sommermonaten von Ende April bis Mitte Oktober.
– Mit dem Auto direkt bis zum Parkplatz an der Auronzohütte. Davon ist aber aus zweierlei Gründen abzuraten: 1.) ist der gerade in den Sommermonaten megamäßig überfüllt und 2.) muss man dafür eine Maut entrichten, die ganz schön happig ist (PKW: 30,- € / Stand: 2020).
AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es lediglich etwas Ausdauer und ein wenig Schwindelfreiheit, sollte man mal in den Paternkofel eintauchen wollen.
UNTERKUNFT.
Empfehlenswert und als Ausgangspunkt für diese Wanderung sind sowohl die Auronzohütte als auch die Drei Zinnen Hütte.
ESSEN & TRINKEN.
Da es sich durchaus um eine Tageswanderung handelt, wären Essen und Trinken vor allem im Sommer nicht verkehrt, dabei zu haben. Muss man aber nicht. In den Sommermonaten haben alle Hütten rund um die Drei Zinnen geöffnet und lohnt eine Rast mit Blick auf die alpinen Giganten. Empfehlung hier: Drei Zinnen Hütte und Langalm.
BESONDERER TIPP.
Ruhig mal eine Nacht auf den Hütten rund um die Drei Zinnen übernachten. Die Sonnenuntergänge sind spektakulär und die urige Atmosphäre ist echt einmalig. Zudem lohnt sich bei Schwindelfreiheit auch ein Abstecher in den Paternkofel. Im Ersten Weltkrieg wurde ein Tunnel durch den gesamten Berg geschlagen, der unheimlich und gruselig schön zugleich ist.