Die Macht des Augenblicks
Wenn eine fixe Idee beginnt Formen anzunehmen, zieht das zumeist abenteuerliche Folgen nach sich. So beginnt die Reise des Jakob Horvat, Journalist und Autor beim ORF, dem österreichischen Rundfunk, auch eher mittels Handschlag und einem Freund, der zieht, als aus Überlegung und Planung. Vor allem aber per Anhalter. Einer heutzutage ungewohnten Art zu reisen, die bei aller Gefährlichkeit für Nervenkitzel aber vor allem für Abwechslung sorgt. Graz, Mailand, Barcelona und schließlich Lissabon werden auf diesem Wege bereist, bevor es auf dem Atlantik weiter in Richtung Kanaren geht.
Manchmal reicht es als Belohnung, wenn man einen daran erinnern darf, dass ein dämmernder Tag ein Geschenk ist und keine Strafe.
Jakob Horvat
Erste Grenzerfahrungen werden gemacht. Körperliche zum Beispiel bei der achttägigen Überfahrt nach Teneriffa – nicht jedermann ist seemannstauglich. Aber auch geistige, ja spirituelle. Eine insofern unmittelbare Folge des Verlassens der eigenen Komfortzone. Denn es drängen sich Fragen auf, die mit ausreichend Zeit von ganz allein aufkommen und in ihrer Dringlichkeit um Antwort bitten: Wer bin ich wirklich? Wer will ich sein? Wo will ich hin? – Vier Tage kotzend über der Reeling hängend lassen genug Raum und Zeit für eben genau diese Gedanken. Und mögliche Antworten.
Die Suche nach dem Glück
Die Weltreise des Autors verschiebt sich im Laufe der besuchten Länder immer weiter in Richtung esoterischer Selbstfindung. Jeder aufgesuchte Ort bietet seinen ganz eigenen Anreiz zu Reflexion. Und ist doch nur Spiegel eines Selbst. Menschen, mit weniger Glück im Leben, werden kennengelernt und bieten Anstoss zum Überdenken des eigenen Anspruchs und Verhaltens. Mit jedem Kapitel entfernt sich Horvat nicht nur weiter von seiner Heimat, sondern ebenso auch von Ritualen und gelerntem Verhalten. In der Fremde lässt sich das eigene Ich besser mit Abstand betrachten, als Zuhause.
Schamanen im Amazonas, peruanische Völker, Aussteiger und Hippies, Yogis, Zen-Meister – sie alle trifft der smarte Österreicher auf seiner Reise und lässt sich von ihnen inspirieren, bilden, verführen. Das weiß der Hobby-Psychologe: offen zu sein für das Neue, auch wenn es bedrückt, ist eine Voraussetzung, um erlernte Muster zu überschreiben.
Obwohl mir im vergangenen Jahr so manch Absonderliches untergekommen ist, schleudert Indien mir unaufhaltsam Eindrücke entgegen, für deren Verarbeitung ich keine Werkzeuge habe.
Jakob Horvat
Doch die Gefahr lauert nicht in kulturellen Fettnäpfchen, sondern im Kontakt mit der Vergangenheit. Zu verführerisch ist für den Autor die Schönheit der kalifornischen Küste und braucht es erst den einen Schritt zurück um zwei davon vorwärts zu kommen. Der Absturz als unmittelbare Folge des Fortschritts. Und so verwundert es auch nicht, das über Irrwege auf Hawai letztlich dann doch das hochgelobte Land aller Spiritualisten angesteuert wird und zur Einsicht führt: Indien.
Yoga, vegane Ernährung, Meditation – seit Jahrhunderten dort praktizierter Weg zum eigenen Ich. Doch den gibt es nicht umsonst. Das Ich muss hart erkämpft und vor allem erarbeitet werden. Auch wenn alltägliche Asanas und Bewegungen schmerzen, führen diese neuen Rituale zu Demut und bisher unbekannter Ausdauer. Das Schöne daran: Jakob Horvat lässt nicht locker und nimmt den Leser mit auf seine Reise, lässt uns ungefiltert teilhaben an seiner Entwicklung, aber auch seinen Gedanken.
Ein Liebesbrief an das Leben: Mein Eindruck vom Buch
Heutzutage gibt es mehrere Formen, gemachte Reiseerfahrungen niederzuschreiben. Ein Autor hält sich zurück, ist eher Beobachter. Ein anderer erlebt Abenteuer und Irrwitziges, steht insbesondere als Persönlichkeit im Mittelpunkt. Ein Dritter dagegen ist sensibel und einfühlsam, beschreibt vornehmlich Seelenzustände und Gedankengänge. Der Autor Jakob Horvat, geboren 1986 in St. Pölten, Österreich, gehört eher zu letzteren. Selbstzweifelnd und sinnsuchend startet er eine Reise, von der er verändert zurückkehren wird. Das auch sprachlich mitzuverfolgen ist unterhaltsam und taugt mehr als nur zur Bettlektüre. Es will aufmerksam gelesen werden.
Manchmal vielleicht etwas zu naiv schmeißt der Ich-Erzähler sich ins Abenteuer, tut dies aber äußerst authentisch und vor allem emotional. Seine Begegnungen mit Menschen, die die Welt ein bißchen besser machen sind nahbar, mitfühlend und runden das Buch ab. Vermittelt wird ein sinnlicher Eindruck einer Weltreise, die hoffentlich nicht Horvats letzte bleiben wird.
Eine willkommene Erweiterung findet über QR-Codes© statt, die zu weiteren Inhalten im Internet verlinken. Zudem vermittelt der Autor am Ende jedes Kapitels seine gesammelten Erfahrungen in kleinen Denkanstößen, die zum Nachahmen anregen. Diese Synopsen erweitern das Buch und heben es damit über einen klassischen Reisebericht hinaus. Wem das zu viel des Guten ist, der kann diese Inhalte auch getrost überblättern und verpasst trotzdem nichts von der Geschichte.
Wer sollte das Buch lesen?
Vornehmlich Abiturienten, Twens und Junggebliebene. All jene, die ähnliches vorhaben und denen Backpacking in Thailand nicht sinnstiftend genug ist.
Für wen ist das Buch eher nichts?
Antagonisten esoterischer und spiritueller Denkansätze, voreingenommene Menschen mit Schubladendenken.
Weitere Eindrücke gibt es auf der Webseite des Autors: https://www.thousandfirststeps.com/
„Weltnah – Raus aus der Komfortzone, rein ins Leben“
Geschrieben von Jakob Horvat
Erschienen bei Kremayr & Scheriau
240 Seiten | Kremayr & Scheriau |
ISBN 978-3-218-01165-5 | € 22,00 [D, A]
Vielen Dank an den Verlag Kremayr & Scheriau für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.
Wer dem Instagram-Channel des Verlags folgen möchte kann das gern hier:
www.instagram.com/kremayrscheriau/.