Das Schöne an jedem neuen Frühling ist sicher das Aufbegehren neuen Lebens nach einem kalten und langen Winter. Goethe wusste das zu schätzen, galt doch der Thüringer Wald neben Italien zu seinen liebsten Wandergegenden. Ob er jedoch auch im Vessertal unterwegs war ist nicht überliefert. Gefallen hätte es ihm sicher. Zeigt sich doch hier die Natur in all ihrer Ursprünglichkeit.
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Die Familie ist gewachsen und mit jedem neuen Sprössling gibt es mindestens ein Fest pro Jahr mehr zu feiern. Da meine Familie mittlerweile weit verstreut lebt komme ich doch so ganz nebenbei in den Genuss, neue Wandergegenden zu erkunden. Dieses Mal überließ ich es meinem Bruder uns ein unbekanntes Herzstück herauszusuchen, ist der Thüringer Wald doch seit Jahrzehnten seine neue Wahlheimat. Meine Wanderung auf dem Rennsteig, dem 170 Kilometer langen Kammweg, liegt nun auch schon wieder zehn Jahre zurück und so freue ich mich riesig über seine Empfehlung. Auf geht’s ins Vessertal.
Da sich quasi die ganze Familie zum diesjährigen Osterfest verabredet hat, mutiert die Wanderung recht schnell zum gemeinsamen Familienausflug. Mitgehangen, mitgefangen wurde auf diese Weise nie deutlicher gelebt. Genug Zeit für Gespräche, Eindrücke und Lebensweisheiten die so wahrscheinlich eher selten zu Tage gefördert werden. Scheint anfangs noch die Sonne und macht diese Wanderung nicht nur sprichwörtlich zum Osterspaziergang, werden wir wenig später noch einmal mit der gesamten Härte eines nachklingenden Winters konfrontiert.
Im Tale grünet Hoffnungsglück
Während wir gemächlich die Höhenmeter hinauf wandern – es sind immerhin 300 davon pro Richtung – ziehen graue Wolken auf und beginnt es wenig später zu regnen. Wie Anfang April auch nicht anders zu erwarten, fühlt sich der Niederschlag nach eisiger Kälte an und zieht die Feuchtigkeit recht schnell unter die Kleidung. Sehr zum Unmut einiger Mitwanderer.
Am Stutenhaus vorbei, in welchem man recht urig speisen und übernachten kann, geht es im strömenden Regen die letzten Kilometer bis nach Vesser. Hier ist ein Tisch reserviert und kehren wir genau zur richtigen Zeit ein. Auf knapp 740 Höhenmetern kann aus einem Schauer zu dieser Jahreszeit auch ganz gern mal Schneefall werden.
Entlang des Flüsschens Vesser, welches sowohl für den Ort als auch das Biosphärenreservat namensprägend ist, dringen wir tiefer in die Ursprünglichkeit sich selbst überlassener Natur. Inmitten dichter Tannen haben sich letzte Schneefelder gehalten und tauchen das Tal in frostige Kühle. An heißen Sommertagen wäre diese Wanderung auf jeden Fall eine erfrischende Empfehlung.
Der alte Winter, in seiner Schwäche
Auf dem Rückweg durch das Vessertal begegnen wir nicht nur Zeugen der Vergangenheit. Die Naturschanze zum Beispiel war bis vor kurzem noch in Betrieb und versprüht Wettkampfflair inmitten der thüringer Berge. Vielmehr treffen wir auch auf Hinterlassenschaften des jüngsten Sturmtiefs, welches im Januar diesen Jahres über Mitteldeutschland hinwegfegte. Das zwingt uns zum Klettern, zuweilen in die tiefe Hocke oder auch über die Wiesen des Flußbetts. Ein abenteuerlicher Weg, der in dieser Form nicht zu erwarten war.
Am Ende stehen wir wieder am Anfang. Die als Rundweg konzipierte Wanderung ist eindrucksvoll, erlebnisreich und dank gut ausgebauter Wege eigentlich zu jeder Zeit machbar. Danke für die Empfehlung! Danke für die Gastfreundschaft.