Mit einem sanften Ruck kommt der Bus zum Stehen. Ein Teil der Fahrgäste schultert die Rucksäcke und steigt aus. Mit mir haben sie das gleiche Ziel: den Tegelberg, ein Gipfelerlebnis im Allgäu. Während sich die meisten in Richtung Talstation der Seilbahn bewegen, gehe ich nach Norden. Dort steht ein großer Holzpfahl aus einem alten Baumstamm, an dem unzählige Wegweiser befestigt sind. Ich prüfe sie ausgiebig und stelle fest, was ich eigentlich schon vorher wusste. Ab hier geht es nur noch bergauf. Und dürfte dementsprechend anstrengend werden. Kurze Überlegung, ob mir die Fahrt mit der Seilbahn nicht auch gefallen würde – nein, tut sie nicht. Ich gehe zu Fuß.
Von der Talstation der Bergbahn bis zum Gipfel des Tegelberg
Knapp 6 Kilometer lang ist der Weg auf den Tegelberg und sind dabei gut 800 Höhenmeter zu überwinden. Das macht nach meiner Rechnung etwa 130 Höhenmeter pro Kilometer. Klingt anspruchsvoll, ist aber kein Grund, die Seilbahn zu nehmen. Zumal ich schon kurz nach der Rohrkopfhütte fast wieder ganz alleine unterwegs bin. Bei einem kurzen Blick zurück entfaltet sich die Allgäuer Tiefebene um Forgensee & Co. und erhasche ich einen ersten Blick auf Schloss Neuschwanstein. Erhaben und stolz thront es über dem Tal. Aber nicht über mir, denn mittlerweile befinde ich mich schon etwas höher als das Schloss.
Am Ende des als Schutzengelweg markierten Wanderweges erreiche ich den Täfelessattel. Von diesem kleinen Plateau aus genießt man noch einmal einen herrlichen Rundblick fast für sich allein, bevor eine breite Schotterpiste die letzten Meter zum Gipfel des Tegelbergs hinaufführt. Und damit zurück in die Gesellschaft der Fahrgäste, die ursprünglich mit mir gekommen waren. Die sitzen längst im Schatten der Sonnenschirme auf der Terrasse des Tegelberg-Hauses und genießen den Panoramablick. Ein Berggipfel reiht sich an den nächsten, die Sicht ist diesig, aber die Mittagssonne scheint.
Über den Tegelberg zum benachbarten Branderschrofen
Da ich noch keine Lust auf eine längere Rast habe, folge ich der Beschilderung zum Branderschrofen. Das ist der direkte Nachbargipfel des Tegelbergs und liegt knapp 200 Meter höher. Ich verspreche mir eine noch bessere Aussicht und vor allem etwas mehr Ruhe. Denn an der Bergstation der Tegelbergbahn ist schon mächtig was los.
Führt anfangs noch ein schmaler und felsiger Bergpfad zum Gipfel, ist es ratsam, sich die letzten Höhenmeter mit dem angebrachten Stahlseil zu sichern. Auch wenn der Abschnitt nur kurz ist, fällt das Gelände teilweise steil ab und kann es hier durchaus gefährlich werden. Aber dafür bekomme ich auf dem Gipfel genau das, was ich ursprünglich gesucht habe. Ein Plätzchen zum Ausruhen für mich allein. Die wenigen Gipfelbesucher verteilen sich sehr angenehm. Obendrein gibt es einen herrlichen 360-Grad-Panoramablick, der bis weit ins Tiroler Hinterland reicht.
Auf dem gleichen Weg geht es vom Branderschrofen zurück zur Bergstation der Tegelbergbahn. Dort wartet schon eine lange Schlange auf die Gondel, die alle 15 Minuten fährt. Ich rechne kurz aus, wie lange ich vermutlich warten müsste, wenn ich auch mit der Seilbahn fahren wollte und komme zu dem Schluss, dass ich wohl schneller zu Fuß bin.
Abstieg über den Südgrat bis zum Königsschloss
Und das stellt sich als absolut richtige Entscheidung heraus. Auf einem schmalen, teilweise ausgesetzten Bergpfad geht es die Höhenmeter am Südgrat des Tegelbergs wieder hinab. In flachen Serpentinen schlängelt sich der Weg an schroffen Felsen entlang und gibt immer wieder Ausblicke in Richtung Straußberg, Säuling und Königsschlösser frei. Das ist nicht nur kurzweilig und abwechslungsreich, sondern auch atemberaubend schön. Außerdem bin ich ganz allein unterwegs und habe das Gefühl, den Weg für mich allein zu haben.
Doch damit ist es kurz vor Schloss Neuschwanstein vorbei. Gleich hinter der letzten Kurve treffe ich auf die Marienbrücke und somit auf jede Menge Touristen. Auch wenn der Blick von der Brücke auf das Schloss wirklich beeindruckend ist, die Menschenmassen auf der Brücke sind es nicht. Touri-Hotspot halt. Noch während ich mich durch die Menge dränge, lasse ich die Eindrücke des Weges auf mich nachwirken. Auch das Warten mit unzähligen anderen Menschen auf den Bus nach Hause nehme ich mit einer für mich ungewohnten Gelassenheit. Diese Wanderung ist wirklich ein Highlight. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Und sollte ich unbedingt wiederholen. Genau so. Ohne Seilbahn. Und in genau diese Richtung. ◆
Tipps & Infos
HINFAHRT.
↠ Mit der Buslinie 78 des Mona Allgäu ÖPNV bis zur Haltestelle Schwangau, Tegelbergbahn.
↠ Das Auto kann man am besten stehen auf dem Parkplatz der Tegelbergbahn stehen lassen. Dann muss man allerdings zwei Stationen mit dem Bus wieder hierhin zurückfahren. Da dies keine Rundtour ist, kommt man nicht an den Ausgangspunkt zurück. Die Parkgebühren betragen zurzeit (Stand: 2023) 5,- € für den ganzen Tag.
RÜCKFAHRT.
↠ Ebenfalls mit der Buslinie 78 des Mona Allgäu ÖPNV ab der Haltestelle Schwangau, Königsschlösser.
AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es festes Schuhwerk, da man teilweise in unwegsamen Gelände unterwegs ist. Für den Gipfel des Branderschrofen braucht es unbedingt Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Der Pfad ist ausgesetzt, steil und alpin.
ESSEN & TRINKEN.
Unterwegs bietet sich das Tegelberghaus mit seiner echt hübschen Aussicht für eine Pause an. Über eine solche verfügt auch das Panoramarestaurant an der Bergstation der Tegelbergbahn. Am Ende der Wanderung kommt man in Hohenschwangau an. Auch dort gibt es Restaurants und Imbisse, die sich für einen gebührenden Abschluss – oder zum Überbrücken der Wartezeit auf den Bus – lohnen.
BESONDERER TIPP.
Kleine Snacks oder Tapas einpacken und einfach auf dem Gipfel des Branderschrofen ein ausgiebiges Picknick machen. Der Ausblick ist echt ein Hammer und lohnt sich. // OBENDREIN Statt der Bergbahn lieber den hier beschriebenen Abstieg über den Tegeblberg-Grat wählen. Und dort etwas mehr Zeit einplanen! Das ist echt ein abwechslungsreicher und toller Abstieg, der Lust auf mehr macht.