Abschied auf dem Monte Piana – #RoadToAlps

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Vom Dürrensee aus führt ein Wanderweg auf den Doppelgipfel des Monte Piana/Monte Piano und damit direkt ins hart umkämpfte Herz des Ersten Weltkriegs in den Dolomiten. Das Freilichtmuseum auf seinem Plateau weiß von Schicksalen und bitterer Kälte zu berichten.
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Auf halber Strecke zwischen Dürrensee und Monte Piana erhasche ich einen kurzen Blick auf den Forc Colfiédo
Auf halber Strecke zwischen Dürrensee und Monte Piana erhasche ich einen kurzen Blick auf den Forc Colfiédo

Schon Roger Whittaker besang in einem seiner besseren Lieder den Abschied als ein scharfes Schwert. Nie hätte ich gedacht, dass es so sehr schmerzen kann, eine Landschaft loslassen zu müssen. Und eigentlich bin ich auch gar nicht bereit dafür. Ich mag einfach noch nicht abreisen. Die Kräfte und Energien, die von den Dolomiten ausgehen, haben mich komplett verzaubert und vollends in ihren Bann gezogen.

Kurzentschlossen verlängere ich direkt beim Frühstück meinen Aufenthalt im Hotel Garni Hofer in Sexten. Nach wie vor als einziger Gast ist die Herbergsmutter mir äußerst zugewandt, versteht meine neu gewonnene Liebe und gewährt mir einen weiteren Tag. Und einen weiteren Berg. Einen, auf dessen Gipfel ich unbedingt stehen möchte, seit ich seine Geschichte zum ersten Mal gehört habe. Einen, der ursprünglich mal ganz anders aussah und erst durch Menschenhand in seine heutige Form gebracht wurde. Oder besser gesagt: gesprengt wurde. Denn auch er war Teil der Verteidigungs- und Angriffslinie im Ersten Weltkrieg und von strategischer Wichtigkeit.

Der Dürrensee, mehr Tümpel als See, aber smaragdgrün
Der Dürrensee, mehr Tümpel als See, aber smaragdgrün
Oberhalb der Baumgrenze wir der Weg zuweilen etwas ausgesetzt. Trittsicherheit genügt aber.
Oberhalb der Baumgrenze wir der Weg zuweilen etwas ausgesetzt. Trittsicherheit genügt aber.

Aufstieg zum Monte Piana (2.324m)

Das Auto lasse ich am Dürrensee stehen, der flach wie eine Flunder und zu dieser Jahreszeit eigentlich gar kein See mehr ist. Eher ein Tümpel großen Ausmaßes. Mit gerade mal 3 Meter Tiefe könnte man zwar in ihm schwimmen, aber so richtig einladend wie der Pragser Wildsee wirkt er nicht. Und Schwimmen soll ja heute gar kein Ansporn sein. Vielmehr erheben sich direkt am Ostufer die Flanken des Doppelbergs, den ich erwandern möchte.

Die ersten Meter gehen flott und verlaufen entlang des Ufers idyllisch schön. Bis zum Abzweig in den Touristensteig. Ab da wird klar, was die nächsten Kilometer angesagt ist. Wie konnte ich das nur übersehen? Obwohl ich die letzten Tage in den unterschiedlichsten Ecken der Sextener Dolomiten unterwegs war, vergesse ich bei jedem Ziel aufs Neue, dass Bergwandern doch etwas ganz anderes meint als Wandern. Und das, was sich hier andeutet, ist keines von beiden. Das nennt sich ab jetzt ganz einfach und ungeschönt: Bergsteigen.

Entlang des Touristensteigs

Was auf der Karte nach einer gemütlichen Wanderung aussieht entpuppt sich nun bei näherer Betrachtung als pure Schinderei. Seit drei Kilometern gibt es nur eine Art des Vorankommens: Treppensteigen. Die Füße brennen, der Oberschenkel krampft, doch Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Körperliche Grenzen, die sich unterwegs auftun, wusste ich schon immer ganz gut zu verschieben. Oder zu verdrängen. So gönne ich mir zwar eine längere Pause, gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass das ja irgendwann auch mal ein Ende haben muss. So ein Berg ist ja schließlich nicht endlos.

Wenige ungesicherte Stellen später, die nochmals deutlich machen, dass die Gipfel in den Alpen zum großen Teil auch psychisch errungen und einem nicht geschenkt werden, erreiche ich die Baumgrenze und wenig später auch den ersten Unterstand. Kriegsspuren trifft man hier zuhauf. Und da wären wir auch schon bei der schicksalhaften Geschichte dieses Bergs. Während der Nordgipfel (Monte Piano, 2.305m) zu Beginn des Ersten Weltkriegs von Österreichern besetzt war, verschanzten sich die angreifenden Italiener auf dem Südgipfel (Monte Piana, 2.324m). Im weiteren Kriegsverlauf verschoben sich die Stellungen zwar nur um Zentimeter, dafür verloren dennoch weit über 14.000 Soldaten hier ihr Leben. Noch heute sind einstige Schützengräben zu besichtigen und können durchlaufen werden. Der gesamte Gipfel ist ein Freiluftmuseum und vermittelt einen eindringlichen Einblick in den damaligen Kriegsalltag.

Einstige Schützengräben durchziehen das Hochplateau
Einstige Schützengräben durchziehen das Hochplateau

Auf dem Gipfel des Monte Piana

Aber nicht nur traurige Geschichte ist dem Monte Piana eigen, sondern auch ein fantastischer Ausblick. Nach Osten schauend erhasche ich noch einmal einen Blick auf die berühmten Drei Zinnen, bevor sie gänzlich hinter Wolken verschwinden. Mittlerweile ist der Himmel zugezogen und ein frischer Wind fährt mir um die Nase. Regen bahnt sich an. Dennoch lasse ich mir Zeit. Über das Gipfelplateau mag ich nicht so einfach hinweg rennen.

Mich bewegt die Geschichte des Berges und damit verbundener Schicksale. Zu authentisch sind die Relikte, vom Stacheldraht bis zum eingefallenen Schießstand. Auch im Hinterkopf habend, dass die Italiener den Gipfel des Berges nach siegreicher Einnahme komplett sprengten und ihm damit seine heutige Form als Hochplateau verpassten, lässt mich schaudern. Einmal ratzekahl den Schädel bitte. Wozu Menschen fähig sind, wenn ein falscher Führer ihnen Flausen in den Kopf setzt…

Ein letzter Blick auf die Drei Zinnen, schön wars.
Ein letzter Blick auf die Drei Zinnen, schön wars.

Rückweg über den Pioniersteig

Während mich mein Weg erst zum Nordgipfel des Monte Piano und wenig später bergab über den Pioniersteig führt, beginnt es klammheimlich zu nieseln. Für meine innere Stimmung des Abschiednehmens genau das passende Wetter. Eine Trennung ohne Tränen wäre aber auch zu unglaubwürdig.

Vorbei an eingestürzten Ständen und verrosteten Seilwinden, wird mir auf dem Rückweg bewusst, dass dies mein vorerst letzter Tag in den Dolomiten sein wird. Ab morgen führt mich meine RoadToAlps wieder mehr in Richtung Norden und damit retour in fast schon heimatliche Gefilde. Ganz spontan fällt mir pas­sen­der­wei­se noch eine weitere Textzeile aus dem eingangs erwähnten Schlager ein: „Du willst es nicht hören, weil: einmal geht auch die schönste Zeit vorbei, ooh.“ Wobei mir das „Ooh“ hierbei besonders wichtig erscheint…

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