Meine liebsten Jahreszeiten, in denen ich gern unterwegs bin, sind Frühling und Herbst. Meist sind sie nur kurz, äußerst flüchtig und stellen eigentlich eher Übergänge dar. Dennoch sprechen mich deren Temperaturen und Farbgewalt am meisten an. Der Sommer ist mir meist zu heiß und der Winter zu kalt. Nur dazwischen gibt es diese Tage, die einfach perfekt sind. Perfekt zum Draußensein, zum Leben, zum Wandern. Und wenn ich schonmal hier bin, werde ich heute eben entlang der Lahn wandern.
Die Lahn, so viel noch vorneweg, ist ein Nebenfluss des Rhein und durchquert auf seinen gut 245 Kilometern drei Bundesländer und mindestens fünf Gebirge. Von der Quelle bei Nepthen bis zur Mündung bei Lahnstein in der Nähe von Koblenz führt ein Weitwanderweg. Der überwindet auf einer Länge von 295 Kilometern gut 7.000 Höhenmeter und feiert dieses Jahr sein 10-jähriges Bestehen. Für mich Anlass genug, mir einen der wohl schönsten Abschnitte anzuschauen: die 17. Etappe von Balduinstein bis nach Obernhof.
Auf dem Lahnwanderweg entlang der Lahn wandern
Obwohl die Sonne noch tief steht und es früher Vormittag ist, versprechen die Temperaturen jetzt schon großartiges Wanderwetter. Nur vereinzelt ziehen kleine Wolken über das strahlende Blau des Himmels, ein sanfter Wind streichelt angenehm über die Haut und bringt die Bäume zum Rauschen. Auch in Balduinstein schläft man noch, startet der Ort ruhig und entspannt in den neuen Tag. Über den Häusern, auf einem Felsen oberhalb des Tals, thront eine alte Burg, von der man Fluss und Wege seit Jahrhunderten gut im Blick hat.
Unterhalb der Burg führt der Wanderweg in den Wald und das erste Mal steil bergauf. Bis zum Gabelstein, dem ersten Aussichts- und Höhepunkt sind es nur zwei Kilometer. Die verlaufen zumeist auf gemütlichen Wegen durch dichten Mischwald. In jenem singen die Vögel und so höre ich neben Spatzen und Amseln auch Kernbeisser und Zeisige heraus. Unterbrochen werden sie nur vom lauten Klopfen eines Spechts und den Jagdrufen eines Bussards.
Am Gabelstein mache ich meine erste Rast. Der Ausblick, überdacht und auf einem vorstehenden Felsen gelegen, ist magisch schön. Im Tal fliesst die Lahn in einer großen Kehre und über den Hängen kann ich bis weit über die Hochebene sehen. Schon jetzt habe ich einen ersten Eindruck und kann sagen: es ist super-schön entlang der Lahn wandern zu gehen.
Von Aussicht zu Aussicht
Und das wird sich auch die nächsten Kilometer nicht ändern. Nur wenige Kilometer später heißt es nämlich durch dichten Wald steil bergab gehen, auf einer Holzbrücke einen plätschernden Bach überqueren, ein paar Mücken verjagen und auf der gegenüberliegenden Seite wieder stramm bergauf wandern. Eine Stimmung wie im Urwald. Umgefallene und ineinander verschachtelte Bäume tragen zum Gesamtbild bei und bieten Schatten, während der Frühling beginnt, sich in Sommer zu verwandeln.
Dabei erfahre ich, dass es nicht der letzte Sturm war, der die Bäume umwarf, sondern die zunehmende Trockenheit daran schuld ist. Flachwurzelnde Bäume finden im weiter austrocknenden Boden nicht genügend Halt und rutschen weg oder fallen einfach um. Ich vermute, der Klimawandel wird unsere Umwelt noch sehr viel stärker verändern als wir uns das aktuell überhaupt vorzustellen wagen.
Herr Goethe war auch schon an der Lahn wandern
In Laurenburg führt der Wanderweg erst kurz hinab ins Tal und damit direkt an den namensgebenden Fluss, bevor er auf der anderen Seite wieder steil bergauf verläuft. Hier ändert sich die Landschaft. Aus dichtem Laubwald werden sonnige, fast mediterrane Abschnitte, die kaum bewaldet sind. Und das hat seinen Grund. Wie sich herausstellt befand sich an dieser Stelle die Schutthalde der Mine Holzappel. Die gehörte bis zu ihrer Schließung im Jahre 1952 zu einem der wichtigsten Blei- und Zinkbergwerke Deutschlands und trug maßgeblich zum Reichtum der Region bei. Selbst Johann Wolfgang von Goethe soll die Wichtigkeit der Grube erkannt und ihr einen Besuch abgestattet haben. Obwohl ich manchmal glaube, so viele Orte, wie der Mann in seinem Leben bereist und besucht hat, hätte er eigentlich bei den damaligen Fortbewegungsmitteln zwei oder drei Leben gebraucht. Wo der überall schon war!
Weiter geht’s, die nächste Aussicht wartet bereits. Von der Schutthalde bei Laurenburg – von der man auch einen wunderbaren Blick ins Lahntal genießen kann – sind es nur noch drei Kilometer bis zur Wolfslei. Und hier braucht es etwas Aufklärung, wenn nicht gar Klugscheißerei. „Lei“ (oder auch „ley“) bezeichnet nämlich in dieser Region vornehmlich einen Felsen oder hoch- bzw. freistehenden Stein. So ist damit die Lore-ley genauso gemeint wie eben hier die Wolfs-Lei oder aber auch die Liebes-Lei. Auf die komme ich dann später nochmal zurück. Diese Lei hier, die Wolfslei, bietet jedoch einen fantastischen Ausblick, der durchaus als Instagram-Hotspot taugt. Toller Ausblick!
Von der Lei auf den Punkt
Ab hier jagt eine Lei die nächste. Nach der Wolfslei komme ich an der Pfingslei vorbei und direkt danach an der Liebeslei. Ich versprach bereits, diese extra zu erwähnen. Das hat seinen Grund. Von dieser Aussicht, idyllisch verpackt und durch Bäume schielend, genießt man nicht nur einen wunderbaren, aber versteckten Blick aufs Lahntal. Man kann zudem auch händchenhaltend auf der bereitstehenden Bank pausieren und mit der oder dem Liebsten den malerisch schönen Ausblick genießen. Traumhaft!
Hat man sich dann genug geliebt, führt der Weg hinter Dörnberg auf dem Kamm in südwestliche Richtung. Und damit zu einem wirklich großartigen Highlight. Denn, na klar, auch hier war der Herr Goethe schon. Beim Blick vom freistehenden Felsen in Richtung der Täler muss ihm dabei so warm ums Herz geworden sein, dass er befand, der Ort sei „zum Sterben schön“. Ich weiß jetzt nicht, ob man hier gleich sterben muss, aber schön ist er. Richtig schön sogar, dieser Goethepunkt. Da muss ich dem Dichter schon beipflichten.
Zum Lahn wandern kommt jetzt Lahn klettern
Vom Goethepunkt ist es zwar nur noch ein reichlicher Kilometer bis ans Ziel, aber der hat es ganz schön in sich. Denn ab hier heißt es nicht mehr im Lahntal wandern, sondern so ein klein bisschen klettern. Immer entlang des Bergrückens führt der Weg über steile Felsen und durch verkrüppelte Kiefern. Magisch schön. Und eigentlich auch gar nicht gefährlich. Schwierige Passagen sind mit Stahlseilen oder in den Felsen geschlagenen Haken gesichert. Was für andere einen Klettersteig in der Schwierigkeit A wie einfach darstellt, lässt bei mir auch so ein bisschen Elbsandstein-Feeling aufkommen. Mag ich sehr.
Letzten Endes heißt es noch eine kleine Eisenleiter herunterstolpern und voila – schon stehe ich oberhalb der Weinhänge Obernhofs. Die sind zwar teilweise vernachlässigt worden und in ihrer Fläche ganz schön geschrumpft, werden aber zurzeit wieder weiträumig rekultiviert. Zwischen Hängen, die junge Knospen grünenden Weines tragen, stehen große Bagger. Die steilen Hänge müssen erst wieder begehbar und anschließend urbar gemacht werden. Was für ein Aufwand! Denn die Rede ist hier von einer Steilhanglage. Und zwar richtig steil. Allein schon mein Versuch, ein geeignetes Fotomotiv nebst Wein zu erhaschen, fordert meine ganze Trittsicherheit, um nicht in die Tiefe zu rutschen.
Ankunft in Obernhof
Eine extra durch die Hänge verlaufende Steintreppe führt mich nach all den wunderbaren Ausblicken und Eindrücken meinem Ziel immer näher. Und Obernhof weiß mich zu empfangen. Die Sonne steht mittlerweile wieder tiefer und färbt die umliegenden Hänge in rotgelb. Das Fachwerk des Ortes und der Campingplatz auf der anderen Flussseite wissen zusätzlich zu verzaubern. So genehmige ich mir im Schatten direkt an der Lahn ein Kaltgetränk und lasse meinen Blick über die Ortschaft und ihre Weinhänge schweifen.
Was für ein Wandertag! In Summe kann ich zwar nicht sagen, ob die 17. Etappe tatsächlich auch die schönste auf dem Lahnwanderweg ist. Aber eine der schönsten, die ich je gewandert bin, ist sie allemal. Und wenn die anderen Etappen auch nur halb so abwechslungsreich sind, sollte ich mir eigentlich mal den ganzen Weg vornehmen. Im Lahntal wandern ist einfach einzigartig und überraschenderweise immer noch ein Geheimtipp. Aber: psst! Das sollte sich vielleicht lieber doch nicht so schnell ändern…
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Viele weitere Infos und Entdeckungsmöglichkeiten rund um den Lahnwanderweg gibt es auf – ja, ist ziemlich naheliegend: – lahnwanderweg.de
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
↠ Start- und Endpunkt dieser Wanderung sind hervorragend mit der Bahn zu erreichen. Sowohl in Balduinstein als auch in Obernhof gibt es Bahnhöfe, die täglich und vor allem regelmäßig angefahren werden.
↠ Mit dem Auto geht’s zwar auch. Aber da man dann ja eh mit der Bahn wieder zum Auto zurückmuss, kann man ja auch gleich hin und zurück mit dieser fahren. Gell?
AUSRÜSTUNG.
Festes Schuhwerk ist Pflicht! Der Weg führt ganz schon rauf und wieder runter und stellenweise auf über felsige Abschnitte. Darüber hinaus ist ein Sonnenschutz zu empfehlen. Man wandert zwar meistens durch Wald, aber gerade die Aussichtspunkte liegen schattenfrei der Sonne zugewandt.
UNTERKUNFT.
Sowohl in Balduinstein als auch in Obernhof gibt es Unterkünfte für jeden Geldbeutel. Da ich aber keinen vor Ort probiert habe, kann ich hier auch keine Empfehlung abgeben.
ESSEN & TRINKEN.
Unterwegs kommt man an so vielen wunderbaren Ausblicken vorbei, da wäre es töricht, keine Verpflegung einzupacken und nicht auf einer der Aussichtspunkte eine längere Rast zu machen. Falls aber keine Lust besteht und man lieber unterwegs einkehren möchte, dem sei ein Abstecher in Laurenburg empfohlen. Dort gibt es einen leckeren Imbiss und einen Gasthof.
BESONDERER TIPP.
↠ Na klar: Alles fürs Picknick einpacken. Gerade auf der Wolfslei, der Liebeslei oder dem Goethepunkt macht eine Rast richtig viel Spaß und kann man so die Aussicht einfach länger genießen.
↠ Den Wandertag in Obernhof direkt an der Lahn ausklingen lassen. Direkt am Fluss gibt es nicht nur einen Imbiss mit Bootsverleih, auch daneben im Gasthof kann man gut speisen.
↠ Obernhof ist Weinbaugebiet. Warum nicht zum Abschluss bei einem der hiesigen Winzer in der Wirtschaft einkehren und vom letzten Jahrgang probieren? Der Wanderweg führt in Obernhof direkt beim Weingut Massengeil–Beck vorbei. Das klingt doch mal nach ‘nem Heurigen!
Karte & Überblick
WEITERLESEN.
Auch meine Bloggerkolleg:innen haben ihre Eindrücke rund um die Lahn festgehalten. Nachzulesen sind diese bei Lynn aka Lieschenradieschen-reist oder auch bei Jörg von Overlandtour.
Hinweis in eigener Sache (Disclaimer)
Meine hier beschriebenen Eindrücke durfte ich im Rahmen des 9. Bloggerwandern sammeln. Eingeladen und veranstaltet wurde dies von den Gastlandschaften der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH. Dabei sind mir Anreise, Unterkünfte und Verpflegung zur Verfügung gestellt worden, wofür ich mich recht herzlich bedanken möchte. Auf meine abschließende Meinung wurde kein Einfluss genommen. Diese entspricht ausschließlich meiner persönlichen Sicht.
[…] an der Lahn) Dina von Borderherz (Schwerpunkt Lahnwanderweg) Sven von The Backpacker (über Etappe 17 auf dem Lahnwanderweg) Jens von Overlandtour (über den […]