Überraschendes tut sich auf in Wolmirstedt. Die Kirche St. Katharina, im Jahre 1877 nach Entwürfen des Kreisbaumeisters Schmidt im Stil der Neugotik gebaut, wurde in Zeiten des real existierenden Sozialismus‘ eine besondere Fürsorge zu Teil. Erwartet man beim Betreten der heiligen Gemäuer im Schiff der Kirche zu stehen, wird man hier auf ganzer Linie enttäuscht. In der Mitte ein Gang, links die Toiletten, rechts die Büroräume. Im Zuge der Umgestaltung 1976 wurde – warum auch immer – eine Zwischendecke eingezogen, welche die Kirche fortan in zwei Etagen teilt. Im Erdgeschoß das triste Ambiente eines ostdeutschen Finanzamtes, im Obergeschoß, um ein vielfaches verkleinert, der eigentliche Gottessaal. Was die Architekten sich wohl dabei gedacht haben? Das Ganze ist so bizarr, das muss man einfach gesehen haben.
Wolmirstedt – Mittellandkanal – Magdeburg (25km)
Nur 6 Kilometer weiter erwartet uns die nächste Überraschung. Der Jakobsweg zieht sich entlang eines Kanals, der den Rhein mit der Oder verbindet und auf dem tagtäglich Tonnen an Gütern auf Lastschiffen und Schleppern transportiert werden. Hier in Hohenwarthe kreuzt er dabei die Elbe. Auf einer Trogbrücke, die über 900 Meter lang ist, folgen wir einem dieser Frachtkähne, während unter uns ein Kohleschlepper seine Bahnen auf der Elbe in Richtung Hamburg zieht. Ein solch beeindruckendes Monument neuzeitlicher Ingenieurskunst habe ich schon lange nicht mehr gesehen. So staunen wir mehr als das wir wandern. Die längste Kanalbrücke Europas, ein Hingucker allemal.
Ziel des Jakobswegs Sachsen-Anhalt: Magdeburg
Immer dem Elberadweg folgend gelangen wir schließlich über den wunderschönen Landschaftspark Herrenkrug in Magdeburg an. Die Ruhe und Stille der vergangenen Tage liegt hinter uns, denn die Hauptstadt Sachsen-Anhalts empfängt uns mit Quirligkeit und Verkehr. Dem entziehen wir uns kurzerhand, indem wir einfach den Wegweisern in Richtung Altstadt folgen.
Eine Sehenswürdigkeit jagt dabei die nächste. Wallonerkirche, Petrikirche, Kloster „Unser Lieben Frauen“ – zwölf Kirchen und mehr müssen es im Mittelalter gewesen sein, die das linke Ufer der Elbe säumten und schon von Weitem eine beeindruckende Silhouette gebildet haben müssen. Doch davon ist heute leider kaum noch etwas zu sehen. Nach dem 2. Weltkrieg wurden viele davon abgetragen und abgerissen. Die Trennung zwischen Staat und Kirche, in der DDR wurde sie gelebt.
Deutsche Geschichte im Dom von Magdeburg
Herausragendes Highlight: natürlich der Magdeburger Dom. Sämtliche Kriege unbeschadet überstehend wurde er nach über 300-jähriger Bauzeit 1520 eingeweiht. Er gilt als ältester und erster gotischer Kirchenbau auf deutschem Boden. Noch vor Trier, Marburg und Köln. In ihm, in einem wuchtigen aber schlichten Sarkophag begraben, liegt Otto I., Begründer des deutschen Reiches, Vorfahr europäischer Vereinigung. Wenige Meter daneben, um einiges pompöser beheimatet, seine Gemahlin Editha.
Noch einen letzten Blick auf die kostbare Innenausstattung, die Heilig-Grab-Kapelle und die Paradiespforte erhaschend, verlassen wir an dieser Stelle den Jakobsweg in Richtung Bahnhof. Vier ereignisreiche Tage liegen hinter uns, fast 120 Kilometer geschichtsträchtiger Wege. Das Schöne am Jakobsweg ist ja, dass es auch immer ein Weg durch die Geschichte ist. Und die beabsichtigen wir auch fortzusetzen. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.