Meine Tour auf den Grünten im Allgäu startet eigentlich in Immenstadt. Denn mitten im Zentrum des Ortes gibt es neben dem Bahnhof der Regionalbahn auch einen für Busse. Und gelangt man von hier recht einfach und schnell in die Bergwelt des Allgäus. Die Linie 81 bringt mich in kürzester Zeit an den Startpunkt meiner Wanderung. Da ich nicht direkt in Rettenberg starten möchte, wähle ich die Station Goimoosmühle als Haltepunkt. Kleiner Tipp: die Haltestelle liegt direkt hinter dem Kreisverkehr und wird vom Fahrer gelegentlich übersehen.
Durch verschlafene Weiler auf den Grünten im Allgäu
Von der Haltestelle geht es dann auch direkt auf eine kaum befahrene Nebenstraße. Von der habe ich einen super Blick auf meine heutige Herausforderung. Mächtig und erhaben stemmt sich der 1.737 Meter hohe Berg wie aus dem Nichts direkt vor mir in die Höhe. Nicht umsonst wird er aufgrund seiner exponierten Lage auch als „Wächter des Allgäu“ bezeichnet. Wer ihn so sieht, weiß warum.
Noch etwas verschlafen ruht das Dorf Wagneritz im Schatten des Berges. Und kurz frage ich mich, ob im Winter hier überhaupt Sonne hingelangt. Selbst jetzt im Spätsommer wirft der Berg an diesem Tag noch lange seinen Schatten auf den Ort.
Doch Wagneritz ist schnell durchquert. Direkt dahinter beginnt dann aber auch schon der Aufstieg. Und wird der bis zum Gipfel stetig weiter steigen. Knappe 1.000 Höhenmeter wollen überwunden werden und fordern vom Startpunkt weg ein gemächliches Tempo. Wer bisher ungeduldig durchs Leben ging, wird hier wohl eine neue Seite an sich entdecken müssen. Nur im Gleichgewicht von Anstrengung und Voranschreiten kann dieser Gipfel erreicht werden. Mit einer Seilbahn allerdings nicht. Der Grünten ist einer der Berge, die über keine öffentliche Bahn oder Straße angeschlossen sind. Alles Handarbeit hier. Oder vielmehr Fuß-Arbeit.
Gemächlichen Schrittes auf den Grünten im Allgäu
Rasch finde ich meinen Tritt und mein eigenes Tempo. Schritt für Schritt taste ich mich so an den Berg und seine Höhenmeter heran. Immer wieder wollen Zäune und Gatter umgangen werden, da das Weidevieh jetzt im Spätsommer noch immer genüsslich auf den Almen grast.
An einigen dieser Zäune knistert es. Ich habe ja echt großen Respekt vor der dabei verlegten Elektrik. Da weiß man nie, mit welch professioneller Hand die angebracht wurde. Prompt komme ich dann natürlich beim Berühren eines Drehgatters kurz an den haltenden Pfahl und just darauf heftigst eine gewischt. Eigentlich ist das Erschrecken darüber viel schlimmer als der Stromschlag an sich. Trotzdem spüre ich meinen Herzschlag in diesem Moment etwas schneller werden. Und bin ich von einem Augenblick auf den anderen hellwach. Wenn Kaffee also nicht mehr helfen sollte: ein elektrischer Zaun am Grünten im Allgäu tut es auf jeden Fall.
Eine erste Möglichkeit zur Rast bietet sich an der Alpe Kammeregg. Die liegt schon auf 1.200 Höhenmetern und ist so früh am Tag bereits geöffnet. Hier stoßen auch weitere Gleichgesinnte dazu. Denn kurz unterhalb der Alpe gibt es einen Parkplatz. Der wird unter anderem auch von jenen genutzt, die sich die ersten 400 Höhenmeter sparen wollen. Da ich aber gerade so schön meinen Rhythmus gefunden habe, halte ich nicht an, sondern laufe weiter.
Streitbare Kunst unterhalb des Gipfels
Immer am Waldrand entlang führt der Wanderweg über eine breite Wiese. Im Zick-Zack-Kurs steige ich folglich die Höhenmeter hinauf. Gefühlt ist das hier mehr Treppensteigen als Wandern, macht aber trotzdem richtig viel Spaß. Erst auf der Weggabelung unterhalb einer echt schön gelegenen Bank mache ich meine erste Rast.
Und lasse mich von einem Kunstobjekt mit Streitwert beeindrucken. In bester Lage hat ein Künstler einen zwei Meter hohen Phallus aus Holz errichtet, der seit einiger Zeit die Gemüter erhitzt. Als Tourist finde ich diesen Umstand ziemlich spaßig und wenig anstoßend. Viel schwieriger finde ich, dass der Holz-Penis da so allein steht. Direkt daneben bräuchte es eigentlich noch eine hölzerne Vulva in gleicher Größe. Das wäre dann eher im Sinne einer Gleichstellung der Geschlechter.
Entspannt lasse ich meinen Blick über das Umland schweifen. Vom flachen Vorland bis hinauf in die Allgäuer Berge reicht der Blick. Und streift dabei die Ostflanke des Grünten. An dieser zieht sich in Serpentinen der weitere Weg bergauf. Anfangs entlang der breiten Skipiste, später dann als schmaler Pfad den Hang hinauf. In Scharen kämpfen sich die Wandernden auf den Gipfel und kommen dabei nur langsam voran.
Ich schließ mich ihnen an und gehe weiter. Zwar sind es nur noch 800 Meter bis zum Gipfel, auf denen aber nochmal über 100 Höhenmeter überwunden werden. Eine gute halbe Stunde brauche ich dafür. Doch in dem Moment, in dem ich auf dem Gratweg ankomme und bereits das Grünten-Denkmal sehen kann, sind alle Strapazen des Aufstiegs vergessen. Himmel ist das schön hier oben.
Wandern im Allgäu
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Endlich auf dem Gipfel
Auch wenn ich nicht der einzige auf dem Gipfel bin – für einen Samstag ist dann doch überraschend viel Platz auf dem Plateau – genieße ich das Ergebnis meiner Bemühungen. Der 360-Grad-Panoramablick entlohnt alle, wirklich alle Mühen und ist atemberaubend schön. Bis weit ins Tiroler Land sehe ich die Berge und kann sogar am Horizont die Wildspitze, den höchsten Berg Tirols in den Ötztaler Alpen erkennen.
Viele meinen, der Sendemast würde die Aussicht vom Grünten im Allgäu ja etwas trüben. Irgendwie kann ich mich dieser Meinung nicht so recht anschließen. Vielmehr unterstützt sie sogar noch die außergewöhnliche Lage und Form des Gipfels und taugt als sehenswertes Fotomotiv. Wie auch immer: an der muss ich vorbei. Denn erst dahinter zweigt der Weg in Richtung Tal und nächstem Highlight ab.
Abstieg durch die Starzlachklamm
Dabei führt der weitere Weg vornehmlich als Bergpfad direkt am Grüntenhaus vorbei. Nicht nur, dass hier zutrauliche Hühner frei herumlaufen, die sich zudem von mir streicheln lassen, sondern war das Gebäude obendrein mal das allererste Hotel in den Allgäuer Alpen. Diese Atmosphäre trägt es auch heute noch so ein bisschen in sich und mache ich hier eine weitere Rast. Dabei überdenke ich kurz, welche Strapazen die Urlauber damals mitsamt ihrem Gepäck auf sich nehmen mussten, um hierher zu gelangen. Keine Seilbahn und keine Straße führt auf diese Hütte, die immer noch auf knapp 1.500 Höhenmetern liegt und einen fantastischen Ausblick in Richtung Nagelfluhkette bietet.
Knapp 4 Kilometer und 600 Höhenmeter später folgt der nächste Höhepunkt. Denn dort beginnt die Starzlachklamm. Zwischen hochaufragenden Felsen und in einem schmalen Bett schlängelt sich die Starzlach feucht und wild. Ein Eldorado für Liebhaber des Canyoning.
Eine ganze Gruppe kommt mir in voller Montur entgegen und steigt oberhalb des Wanderwegs in den Fluss ein. Kletternd, rutschend, schwimmend und springend werden sie die knapp 600 Meter Weglänge zurücklegen. Auf einem gut abgesicherten begleite ich sie oberhalb und schaue ihnen bei ihren Mutproben zu. Erst am Wasserfall treffen wir wieder aufeinander und sehe ich ihnen den Spaß und die Anstrengung gleichermaßen ihren Gesichtern an. Nun heißt es aber, mich zu sputen. Der Zielort Burgberg ist nicht mehr weit und möchte ich gern die anvisierte Busverbindung noch erreichen.
Abreise vom Grünten im Allgäu
Ich folge dem Weg der Himmelsstürmer Route durch den Ort und lande wenig später an der Haltestelle in der Ortsmitte. Zwar ist der Bus der Linie 11 nicht der letzte am Tag, aber bei den späteren Verbindungen müsste ich umsteigen und bräuchte für die gleiche Strecke deutlich länger. So freue ich mich über den eingerichteten Service und habe anschließend noch genug Zeit, ein wenig durch Immenstadt zu bummeln.
Doch Achtung: laut angeschlagenem Plan fährt 18:11 Uhr dann tatsächlich die letzte Verbindung, um von Burgberg wieder nach Immenstadt zu kommen. Danach bliebe nur noch, in dem schönen Ort zu nächtigen oder sich ein Uber/Taxi zu rufen. By the way: gibt’s das hier überhaupt?
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
↠ Mit den Bussen der Linien 11 und 81 von Immenstadt bis zur Haltestelle Goimoosmühle, Rettenberg. Fahrtzeiten via Mona-Allgäu.
ZURÜCKKOMMEN.
↠ Mit dem Bus der Linie 11 von der Haltestelle Burgberg, Sonthofener Str. wieder zurück nach Immenstadt oder in die Gegenrichtung nach Sonthofen. Fahrtzeiten via Mona-Allgäu.
AUSRÜSTUNG.
↠ Für diese Wanderung benötigt es festes Schuhwerk und etwas Schwindelfreiheit. Der Aufstieg zum Grünten ist zwar eine anstrengende Bergwanderung, aber nie ausgesetzt oder alpin. Einzig die exponierte Lage des Gipfels könnte etwas Unsicherheit hervorrufen.
↠ Der Rückweg durch die Starzlachklamm kann je nach Wetterlage durchaus rutschig und damit auch so ein klein wenig gefährlich werden. Wer hier über keine griffigen Sohlen an den Schuhen verfügt, könnte unliebsam ausrutschen und sich verletzen. Klamm halt.
↠ Zudem empfehle ich vor allem im Sommer einen ausreichenden Sonnenschutz. Ein Großteil des Weges verläuft oberhalb der Baumgrenze ist man gerade am Gipfelgrat recht starker Strahlung ausgesetzt.
ESSEN & TRINKEN.
Unterwegs gibt es wie beschrieben die Alpe Kammeregg und das Grüntenhaus, die sich beide hervorragend für eine Pause eignen. Aber Achtung: auf jeden Fall vorher die Öffnungszeiten checken. Zwischen Winter und Sommer gibt es im Frühjahr und im Herbst Zeiten, an denen die Hütten geschlossen sind.
UNTERKUNFT.
In Immenstadt habe ich mehrere Tage im nigelnagelneuen Hotel Bollwerk verbracht. Obwohl nur 100 Meter vom Bahnhof entfernt ist diese ehemalige Bank ein echtes Highlight. Die Zimmer sind groß, modern und total gemütlich. Und vor allem digital! Es gibt keine Rezeption, alles funktioniert über eine App. Das lässt sich das Zimmer mit dem eigenen Handy öffnen. Megacool und meine dringende Empfehlung!
Wanderkarte
BESONDERER TIPP.
Der Weg zum und über den Grünten ist Teil der Himmelsstürmer Route der Wandertrilogie Allgäu. Genau genommen ist das die Etappe 8 von Rettenberg nach Burgberg. Den kompletten Überblick gibt es in dem Kompass Wanderführer* „Wandertrilogie Allgäu, 84 Touren“
Hinweis in eigener Sache (Disclaimer)
Meine hier beschriebenen Eindrücke durfte ich auf Einladung der Allgäu GmbH sammeln. Dabei sind mir Unterkünfte und Verpflegung zur Verfügung gestellt worden, wofür ich mich recht herzlich bedanken möchte. Auf meine abschließende Meinung wurde kein Einfluss genommen. Diese entspricht ausschließlich meiner persönlichen Sicht.
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