In meinem bisherigen Wanderleben bin ich ja schon in vielen Gebirgen unterwegs gewesen. In solchen, die räumlich sehr nahe liegen wie der Sächsischen Schweiz oder dem Harz, aber auch in jenen, zu denen ich mich erst einmal auf den Weg machen musste wie den Alpen. Im Bayerischen Wald jedoch, der bisher immer irgendwie so dazwischen lag, war ich noch nie. Um so mehr freute ich mich, als mein Bruder auf die glorreiche Idee kam, diesem Gebirge doch mal einen Wanderbesuch abzustatten. Er kannte es zwar schon, aber nur im Winter. Dass der Böhmerwald, wie er sowohl bei unseren Nachbarn in Tschechien als auch in Österreich heißt, mehr als nur Abfahrtshänge zu bieten hat, wäre demnach auch für ihn neu.
Vom Großen Arbersee auf den höchsten Gipfel des Bayerischen Walds: Großer Arber (1.455m)
Startpunkt unserer Wanderung ist der Große Arbersee, der super mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar ist. Der fährt gerade in den Sommermonaten zu entsprechenden Zeiten recht häufig und sollte im Sinne der Nachhaltigkeit favorisiert werden. Mit dem Nachweis einer Gästekarte ist er sogar kostenlos. Was nochmal mehr für ihn spricht. Allerdings auch weil der Parkplatz vor Ort nur über begrenzte Kapazitäten verfügt und zudem kostenpflichtig ist.
Zum Warmlaufen gönnen wir uns erst einmal eine Rundwanderung um den See. Die ist dann auch schöne zwei Kilometer kurz und von entsprechender Idylle. Gerade die schwimmenden Inseln am Westende sind doch schon recht einzigartig und von sympathischer Schönheit. Während sich die Wolken noch dicht an dicht drängen und nur kurz die Sonne durchlassen, genießen wir die Runde am frühen Vormittag und ist sie ein gelungener Einstand in die kommende Anstrengung. So gemütlich wirds danach für lange Zeit erst einmal nicht mehr.
Grüß Gott, Wanderer!
Während der Große Arbersee noch auf entspannten 935 Höhenmetern ruht, was immerhin fast genauso hoch wie der höchste Berg des Thüringer Walds ist, thront sein Namensgeber nochmal gut 500 Meter über ihm. Und schon am Anfang des Wegs wird klar: ab hier geht es nur noch bergauf. Yippiee!
Via Serpentinen schlängelt sich der breite Forstweg die ersten Kilometer durch dichten Wald. Bienen summen um uns herum und suchen im Unterholz nach frischen Blüten, während im Geäst der Bäume Zaunkönig und Buntspecht einen Sing- und Klopfwettstreit veranstalten. Die Geräusche vom See werden merklich leiser und alsbald ist die Natur das Einzige, was neben dem rhythmischen Stampfen unserer Wanderschuhe, zu hören ist. Manchmal reden wir, tauschen uns über Neuigkeiten aus, meist aber lauschen wir zufrieden der friedvollen Natur. Als Stadtkind habe ich diese Momente eher selten.
Aber wir sind nicht allein. Hin und wieder kommen uns Gleichgesinnte entgegen, die vermutlich die Seilbahn auf den Gipfel genommen haben, um sich an dem entschieden leichteren Teil der Wanderung zu üben. Bergab. Mit einem fröhlichen „Grüß Gott!“ fliegen sie förmlich an uns vorbei und geben mir dabei unterschwellig das Gefühl, ich mache irgendetwas falsch. Vermutlich. Denn ich bzw. wir sind ja auch so blöd und wandern die knapp 5 Kilometer hoch statt einfach nur runter.
Gedränge am Gipfel des Großer Arber
Klammheimlich ist aus einem breiten Forstweg ein schmaler Wanderweg geworden, der zwar immer noch bergan, dafür aber mittlerweile über Wurzeln und Felsen führt. Dass wir uns so langsam auch der Baumgrenze nähern ist ganz nebenbei betrachtet richtig wunderbar. Inzwischen hat sich die Sonne nämlich durch die Wolken gewagt und taucht die Landschaft in herrlichste Sommerfarben. Außerdem gibt es immer wieder Ausblicke ins böhmische Hinterland, welche von uns ein ums andere Mal als dankbarer Zweck für eine kurze Pause angenommen werden.
Erst am Gipfel wird es wieder voller. Na klar, der ist ja wie bereits erwähnt auch mit einer Seilbahn zu erreichen. Von Klein bis Groß, von Zwei- bis Vierbeiner wird hier alles hochgekarrt, was genügend Geld im Portemonnaie und Lust auf ein wenig Fernsicht hat. Und die bietet der Gipfel haufenweise. Eines schonmal vorab: Großer Arber = 360-Grad-Panoramaberg. Von mehreren Plateaus inkl. dem des Gipfelkreuzes genießen wir diese als Belohnung unserer Mühe. Auch wenn der kühle Wind, der frisch und schnell über den Großen Arber hinwegfegt, unangenehm ist, entlohnen die weiten Landschaften all die Anstrengung, die es gekostet hat, diesen Berg zu Fuß zu erklimmen. Glücklicherweise gibt es unterhalb des Gipfels noch ein Gasthaus, in welchem wir den gelungenen Anstieg mit einem kühlen Bier feiern und uns gleichzeitig für den Abstieg stärken.
Rückweg übers Mittagsplatzl
Nachdem wir genug von Aussicht und Trubel des Gipfels am Großen Arber haben, machen wir uns langsam auf den Rückweg. Der soll jedoch ein anderer sein als hinauf. Um uns nach der langen Sitzerei in der Eisensteiner Hütte wieder warm zu laufen, folgen wir vorher noch dem Gipfelrundwanderweg, der mit seinen ebenfalls zwei Kilometern wie geschaffen für eine leichte Erwärmung ist und zudem an allen Hotspots vorbei führt. Inklusive des Sendemasts und der NATO-Radaranlage, die noch immer in Betrieb und damit unzugänglich ist.
Von dort geht es genauso steil bergab wie -auf. Auch hier auf schmalen Wanderwegen, die über Wurzeln und Steine führen und bei aller Obacht ganz hervorragend zum Verlaufen einladen. Zweimal übersehen wir das Hinweisschild und merken erst im Abgleich mit der WanderApp unseren Irrtum. Nee, kann man schon mal machen, wär ja auch sonst zu langweilig. Und alles unter 10 Kilometern ist ja eh nur ein Spaziergang.
Obwohl es mittlerweile Nachmittag ist gönnen wir uns eine ausgedehnte Pause am Mittagsplatzl. Das ist ein ganz zauberhafter Ort oberhalb des Großen Arbersees und mit seinen knapp 1.340 Metern noch immer um einiges höher gelegen als das Gewässer weiter unten. Kleiner Tipp: sofern man wie wir vom Großen Arber kommt sollte man hier an der allerersten Bank ruhig noch drei Meter weiter und dann links um die Ecke gehen. Dort ist der eigentliche Aussichtspunkt. Da ich einfach zu ungeduldig bin, musste es in unserem Falle eben die erstbeste Bank sein und haben wir den tollen Ausblick erst beim Loslaufen entdeckt. Dafür kann ich die Wiese, auf die wir währenddessen geschaut haben, jetzt in aller Ausführlichkeit beschreiben. Auch schön.
Zurück am Großen Arbersee
Ab hier geht es dann recht gemütlich und entspannt, vor allem aber gemächlich bergab. Der Wald wird wieder dichter und spendet nun ausreichend Schatten. Das ist insofern wichtig da man eines unbedingt wissen muss: egal in welche Richtung man diese Rundwanderung läuft; man hat die ganze Zeit die Sonne im Nacken. Was unterhalb der Baumgrenze nicht wirklich von Interesse ist, aber darüber eben wesentlich. Unmerklich habe ich mir nämlich meinen Nacken mal so richtig schön verbrannt. Was ich leider erst jetzt merke. Es zieht und brennt ganz ordentlich im Genick und der oberen Schulterpartie. Kleiner Tipp: trotz Sonnencreme den Kopf- und Nackenschutz nicht vergessen!
Allerdings – und das sollte nicht unerwähnt bleiben – ist hier landschaftlich auch nicht mehr ganz so viel Abwechslung angesagt, wie beim Aufstieg. So darf es nicht verwundern, dass wir auf diesem Weg zeitweise allein unterwegs sind und für lange Zeit uns niemand entgegen kommt. Letzten Endes gelangen wir am späten Nachmittag wieder am Großen Arbersee an, der ja Ausgangspunkt unserer Wanderung war.
In Summe halte ich demnach fest: tolle Wanderung, wunderbare Panoramen mit Aussichten in weite Landschaften und ein Gipfelbier aus einer hiesigen Brauerei. Was will man mehr?
Tipps & Infos: Großer Arber
Hinkommen
Am besten mit dem ÖPNV. Der fährt von Furth i.W. (Linie 6080) und Bayerisch Eisenstein (Linie 6081) direkt bis zur Arber Bergbahn bzw. von Bodenmais (Linie 6198) auch bis zum Großen Arbersee. Mit einer Gästekarte sind Bus und Bahn zum Teil sogar kostenlos bzw. günstiger mit dem Bayernwald-Ticket zu nutzen.
Hochkommen
Es führen mehrere Wanderwege auf den Gipfel. Einer der schönsten ist der im Artikel beschriebene (siehe Wanderkarte rechts). Einfacher geht es mit der Fürstlich Hohenzollernsche Arber-Bergbahn hinauf und dann zu Fuß wieder runter. Oder umgekehrt. Je nach Belieben.
Essen & Trinken
Am Großen Arbersee gibt es das Arberseehaus, welches täglich von 10 bis 16 Uhr öffnet und wahlweise über einen riesigen Biergarten oder eine überdachte Terrasse mit wunderbarem Blick auf den See verfügt (Stand: Juli 2020).
Direkt an der Bergstation der Seilbahn steht das Arberschutzhaus. Dort können Indoor wie Outdoor Köstlichkeiten aller Art probiert werden.
Übernachten
Im Arberschutzhaus kann man bei rechtzeitiger Reservierung auch übernachten, was bei dem unglaublich schönen Blick unbedingt getan werden sollte.
Ebenfalls auf dem Gipfel allerdings mit Blick in Richtung Sonnenuntergang steht die Zwieseler Hütte. Die ist zwar eine Selbstversorgerhütte, steht aber auch Übernachtungsgästen außerhalb des Vereins, der sie betreibt, offen. Preise und Bedingungen sind aktuell auf der Seite nachzulesen.
Als Ausgangsort für Wanderungen im Bayerischen Wald empfehle ich das Zwieseler Waldhaus. Das ist nicht nur das älteste Gasthaus im gesamten Bayerischen Wald, urgemütlich sondern besticht obendrein mit zentraler aber vor allem ruhiger Lage inmitten der Berge.