Startpunkt Karsdorf im Triasland
Es kommt nur noch selten vor, das der Landgasthof Karsdorf im Triasland Gäste beherbergt. Wir sitzen beim gemütlichen Frühstück und unterhalten uns mit dem Inhaber. Gestern als letzter im Bett steht er schon wieder seit Stunden in der Küche – für uns, seine einzigen Gäste. Er berichtet von einst besseren Zeiten. Als er den Gasthof vor über 40 Jahre übernahm, bot das Kieswerk jede Menge Arbeitsplätze und steckte die Gemeinde noch voller Leben.
„Es gab zwei große Abwanderungswellen hier“ weiß er zu berichten. „Die erste, direkt nach der Wende, als alle Jungen gen Westen gingen um gutes Geld zu verdienen. Und die zweite jetzt, wenn die Alten hinterher ziehen, weil die Infrastruktur inzwischen komplett weggebrochen ist.“ Ein Ort, einstmals über 4.000 Einwohner groß, beherbergt heute nur noch einen Bruchteil davon. Nach dem letzten Zensus im Jahre 2016 genau 1.610 und ist damit in den letzten 25 Jahren um gut zwei Drittel geschrumpft. „Ein Großteil der Häuser steht leer, verfällt“ gibt er zu Bedenken.
Viel schlimmer und persönlich härter trifft ihn jedoch, dass der Landgasthof die eigene Rente sichern sollte. Ausgebaut und zu stattlicher Größe entwickelt, wirft er mittlerweile nicht einmal mehr genug ab, um laufende Kosten zu decken. Seit auch das örtliche Kieswerk keine Firmenfeiern mehr ausrichtet fehlt es an allen Ecken und Enden. Wer also mit einen Gasthof samt angeschlossenem Restaurant was anzufangen weiß, in Karsdorf gäbe es ein recht gemütliches.
Auf die Höhe der Unstrut-Berge
Der Weg aus Karsdorf hinaus, führt unmittelbar um das Kieswerk herum. Auch dieses hat schon bessere Zeiten gesehen. Dank Optimierung der Arbeitsabläufe wirken in ihm nur noch eine Mindestzahl an Mitarbeitern. Der Rest, wie mittlerweile fast überall, läuft computergesteuert und autark. Auch wenn es nicht der schönste Anblick ist, die Wucht und Größe des Baus hinterlassen Eindruck.
Am Sportflughafen Laucha vorbei, der vorwiegend von Segelfliegern genutzt wird, dringen wir unmerklich tiefer in das nördlichste Weinbaugebiet Deutschlands, das professionell betrieben wird. Die gelbbraune Färbung der Blätter beginnt zu dominieren, und unser Herz für gut schmeckenden Wein höher zu schlagen. Kleine Dörfer und Weiler, die so illustre Namen wie Dorndorf oder Weischütz tragen, fügen ihren Teil zum Gesamteindruck bei.
Frisch gegoren ist halb genossen: Weinzeit
In Weischütz scheint die Oktobersonne goldenwarm und frohlockt ein frisch gekühlter Weißwein. Direkt am Wander- und Radweg gelegen lädt das Weingut Köhler-Wölbling mit Extravaganzen ein. In der angeschlossenen Straußwirtschaft kann man nämlich nicht nur Altbekanntes probieren sondern auch völlig Neues entdecken. Der Eigentümer selbst, Gerd Wölbling, steht am Tresen und lädt uns ein in sein mehr oder weniger fruchtiges Eldorado, je nach persönlichem Geschmack. Wir verkosten Grau- und Weißburgunder, Riesling und Müller-Thurgau aber auch eher unbekannte Sorten wie Bacchus oder Kernling. Besonders letztgenannter hat es uns angetan und die bei ihm georderte Flasche ist wenig später auch schon wieder leer getrunken. Wäre ja sonst auch nur unnützes Gepäck und bis zum nächsten Weingut sind es immerhin noch stattliche vier Kilometer.
Die Hänge der Unstrut wieder hinauf wandernd folgt inmitten eines altertümlichen Dorfes gelegen das nächste Weingut. Der Eigentümer Bernard Pawis tut es seinen Nachbarn gleich, scheint nur um einiges wirtschaftlicher zu sein. Seine Straußwirtschaft bietet Speis und Trank für jeden Geschmack. Da die Sonne mal wieder hinter dicken Wolken verschwunden ist und es stark nach Regen ausschaut, kehren wir ein, um uns für die letzten Kilometer Kraft anzutrinken. Da das am besten mit einem Roten geht, einen Weißen hatten wir ja heute schon, nutzen wir die so gewonnene Pause zur Auffrischung. Besonders der Barrique-gereifte Dornfelder ist eine ausdrückliche Empfehlung. So tief und vollmundig, so voller Brombeeren und fruchtiger Schwere trank ich nur selten einen Rotwein. Gut, die knapp 40 Euro für die Flasche sind jetzt sicher kein Pappenstiel, lohnen sich aber.
Wenn der Himmel weint, aber das Herz lacht
Leicht beschwingt gehen wir frohen Mutes die letzten Kilometer an, nur um wenige Meter hinter dem Weingut von plötzlich einsetzendem Starkregen auch schon wieder aufgehalten zu werden. Da es ja kein schlechtes Wetter sondern nur unpassende Kleidung gibt, schlüpfen wir in der kleinen Kirche von Zscheiplitz in unsere Regenkleidung und kommen nebenbei noch mit der Geschichte des kleinen Dorfes, dem Kloster und damit dem ältesten Weinkeller der Unstrut in Berührung. Leider muss ich gestehen, scheine ich ganz schön angetrunken gewesen zu sein, denn mir mangelt es komplett an Erinnerung daran. Tut mir leid, als großer Fan unterhaltsamer Geschichte bin ich hier ausnahmsweise mal raus. Der Link klärt neugierige Leser aber bestimmt auf: Pfalzgrafenhof & Kloster Zscheiplitz.
Im strömenden Regen schweben wir entlang der Unstrut die letzten Kilometer des Tages der Stadt Freyburg entgegen. Vom anderen Ufer hallen Jazz-Songs verführerisch über die Unstrut herüber und wir ärgern uns nur kurz, dass wir ausgerechnet auf dieser Seite des Flusses entlang gehen. Knapp zwanzig Meter entfernt scheint eine richtig tolle Party im Gange zu sein. Mit Einsetzen der Dämmerung ist uns jedoch augenblicklich mehr nach einer warmen Dusche als noch mehr Alkohol. Und so streben wir dem heutigen Tagesziel entgegen und sind hoch erfreut, als wir endlich völlig durchnässt in der vorab gebuchten Herberge bei Familie Ratzsch, der Ferienwohnung Jana ankommen.
Letzten Endes eine Warnung fürs Triasland
Nachdem wir uns in Wohnung und Dusche wieder aufgewärmt haben – es schüttet mittlerweile seit Stunden ohne Unterlass – nutzen wir eine Regenpause, um der Empfehlung unserer Gastwirtin zu folgen und gehen in Freyburg Essen. Ihre wohlwollenden Worte, es wäre in diesem Lokal günstig und reichhaltig, noch im Ohr folgen wir ihrer Empfehlung und besuchen die Gaststätte Zur Haldecke. An dieser Stelle gern eine Warnung. So schlecht, wie in besagtem Gasthaus, haben wir noch nie gegessen. Sämtliche der von uns bestellten Speisen scheinen tiefgefroren in der selben Fritteuse aufgewärmt zu sein. Egal ob Schnitzel oder Zander, Bratkartoffeln oder Kroketten; es schmeckt alles gleich. Genaugenommen gleich widerlich. So dürfte es auch kein Wunder sein, dass gegen neun Uhr, als wir die Gaststätte wieder verlassen, wir auch die einzigen sind, die den Abend dort verbracht haben. Alle anderen Restaurants rundherum, selbst der Grieche direkt gegenüber, sind immer noch bis zum letzten Platz gefüllt. Offenbar hat sich wohl herumgesprochen, das ausgerechnet unser Restaurant keine gute Empfehlung ist.
Mit Blei im Magen gehen wir beizeiten zu Bett und verdauen eine ganze unruhige Nacht an der Mahlzeit. Tut mir leid. Eigentlich finde ich meist auch immer im Schlechtesten noch etwas Positives. Aber hier bleibt mir nur die nüchterne Bilanz: Liebe Haldecker, ändert etwas! Den Wirt, die Bedienung, den Koch – am besten alles. Das Lokal als solches ist nämlich urgemütlich und charmant rustikal. Aber die Speisen sind leider überhaupt keine Empfehlung.