Der Malerweg Sächsische Schweiz beginnt auf einem asphaltierten Parkplatz direkt neben einer trostlosen Industrie-Ruine. Leere, scheinbar vom Einsturz bedrohte Gebäude stehen inmitten eines schmalen Tals. An dessen Flanken erheben sich grau-gelbe Sandsteine wie schützende Mauern und halten die Strahlen einer niedrig stehenden Sonne ab. Wie passend, denke ich bei mir. Steht doch die Romantik für die Gegenbewegung zur industriellen Entwicklung. An dieser Stelle startet somit ein Weg, welcher Malern als Inspiration diente, in quasi umgekehrter Reihenfolge – vom einstigen Fließband in die romantische Welt.
Nachhaltiges Liebethal
Entlang steinerner Zeugnisse vergangener Zeiten hangelt sich der Malerweg Sächsische Schweiz auf seiner ersten Etappe von Liebethal kommend immer tiefer hinein in den gleichnamigen Grund. Jetzt im Winter dringen die Sonnenstrahlen kaum noch zu Boden und erzeugen stimmungsvolle Lichtspiele im kargen Wald. Mit jeder Menge Laub bedeckt bereitet er ein raschelndes Vergnügen. Direkt daneben plätschert ein Fluß, der nach dem Ende der letzten Eiszeit dieses Tal in den einstigen Meeresboden gegraben haben muss. Sein Name: Wesenitz. Vom sorbischen Wort für „Ulme“ abgeleitet gehört er mit seinen knapp 83 Kilometern eher zu den längeren Zuflüssen der Elbe, in die er bei Pirna dann auch mündet. Sozusagen ein Gruß aus dem Lausitzer Gebirge an die benachbarten Sandsteine.
Weiter ins Tal hineinwandernd stößt der aufmerksame Wanderer immer wieder auf industrielle Relikte. Obwohl: so richtig aufmerksam muss er gar nicht sein. Die werden einem recht malerisch direkt vor Augen geführt und ich komme einfach nicht drumherum, sie wahrzunehmen. Jede Biegung des Weges offenbart neue Eindrücke, die zurecht der Romantik als Vorlage dienten. Netter Nebeneffekt: Angestaut konnte dem Fluß bereits um 1920 Energie abgerungen werden. Wasserkraft-Turbinen schafften es, das nahegelegene Liebethal mit Strom für die Straßenbeleuchtung zu versorgen. Nachhaltige Energie also. Und das bereits vor 100 Jahren!
Richard Wagner und der Malerweg Sächsische Schweiz? Unbedingt!
Im weiteren Verlauf wird es musikalisch. Kurz vor der Ruine der Lochmühle, die gerade Baustelle und damit nur schlecht passierbar ist, thront im Schatten meterhoher Sandsteine die Statue des romantischsten aller deutschen Komponisten: Richard Wagner. In Form eines 12 Meter hohen Denkmals blickt er recht finster auf den Wanderer herab. Ursprünglich als Denkmal für den Großen Garten in Dresden gedacht, macht er an dieser Stelle eine eindrucksvolle Figur. Schließlich soll Wagner als Gast der Lochmühle Teile seiner Oper Lohengrin hier komponiert haben.
Dem Denkmal gegenüber befindet sich eine Sitzgruppe, an dessen Rand eine Klanginstallation auf ihren Einsatz wartet. Beim Drücken des entsprechenden Knopfes wird passend zum Ort die Overtüre dieses wunderbaren Stückes abgespielt, was unheimlich und schön zugleich ist. Mich zieht die Musik und die Energie des Liebethaler Grunds sofort in ihren Bann. Ja, kann ich mich auch schon mal outen: ich mag die Wagnerschen Extasen. Wofür sie geschichtlich stehen dagegen nicht so. Aber manchmal kann man auch guten Gewissens seiner Ambivalenz nachgeben. Bayreuth tut es ja auch.
Ein Highlight jagt das nächste
Ab hier wird es dann aber knifflig. Der weitere Verlauf des Malerweg Sächsische Schweiz ist an der Lochmühle zur Zeit gesperrt und mit Baugittern verriegelt. Die nicht weiter ausgezeichnete Alternative führt eigentlich über die Richard-Wagner-Straße durch Lohmen und damit früher aus dem Tal heraus als mir lieb ist. Da ich mich in meiner Kindheit von genug Mauern hab aufhalten lassen, schiebe ich das Gitter schnell zur Seite und setze meinen ursprünglichen Weg einfach fort. Würde ich nicht jedem empfehlen, zumal das Betreten der Baustelle strafbar sein kann.
So vorzugehen verlängert den Weg im Tal um noch einmal 500 Meter, führt aber an anderer Stelle ebenfalls auf die bereits erwähnte Straße. Und damit leider aus dem romantischen Tal heraus. Schade. Dafür werden in einem der Häuser oberhalb lukullische Waren feilgeboten. Honig aus nachhaltiger Produktion, vom eigenen Bienenvolk hinter dem Haus hergestellt und unschlagbar günstig noch dazu. Also greife ich zu, werfe mein Geld in die bereit gestellte Kasse des Vertrauens und komme so in den Genuss eines geschmacklichen Andenkens von der ersten Etappe des Malerweg in der Sächsischen Schweiz.
Lohmen ist schnell durchquert. Danach führt der Weg in einem kleinen Umweg um den Rest das Oberdorfes herum und direkt an einem Koordinatenstein vorbei. Der ist insofern einzigartig, da sich an genau dieser Stelle der 51. Breitengrad Nord und der 14. Längengrad Ost ganz sauber kreuzen. Das da auch noch ein Wanderweg vorbeiführt, dürfte deutschlandweit fast schon einmalig sein. Und überhaupt: hier kann ich wunderbar eine Pause machen und das Wechselspiel von Sonne und Wolken genießen, welche die Landschaft in malerische Farben und Schatten tauchen. Nur die Temperatur verkürzt meine Rast und macht deutlich, dass noch kein Frühling ist. Bei knapp 3 Grad über Null wird mir recht schnell kalt und wandere ich schon nach wenigen Minuten weiter.
Nicht jedes Tor ist gleich ein Tor!
Das Felsentor zur Sächsischen Schweiz klingt pompöser als es ist. Wieder im Tal angekommen, diesmal im Uttewalder Grund, muss ich mich inmitten enger Sandsteinfelsen klein machen. Herabgefallene Brocken versperren einen Teil des Weges. Oder zumindest den Teil, der in Kopfhöhe liegt. Als hätte man sich bei der Kirche Inspiration geholt, wird der Wanderer an dieser Stelle gezwungen, demütig und gebückt in die Sächsische Schweiz einzutreten. Was auch schon alles ist. Keine Taufe, keine grandiose Besonderheit – das Felsentor ist einfach nur ein Sandstein, festgeklemmt im schmalen Spalt. Hätte man auch mehr erwarten können. Dagegen das Prebischtor verdient seinen Namen. Das ist nämlich riesig und heißt nicht nur so.
„Felsentor im Uttewalder Grund“
(um 1800)
Im Sommer 1800 zog es den Maler Caspar David Friedrich für eine lange Woche in die Tiefen des Uttewalder Grunds nahe Lohmen. Er war damals gerade mal 25 Jahre alt und begegnete auf seinen Spaziergängen und Wanderungen nur sehr wenigen Menschen. Es verwundert daher etwas, dass er dennoch zwei Personen in die Bildmitte unterhalb des Felssturzes auf seinem Gemälde positionierte. Vermutlich war es ihm wohl wichtiger, die Dimensionen dieses „Felsentors“ zum Ausdruck zu bringen, als die Einsamkeit der Landschaft.
In einem sehr viel später entstandenen Gemälde greift Friedrich die Dramatik dieses Ortes erneut auf. Das sehr viel düsterer angelegte Werk „Uttewalder Grund“ (1825) verzichtet allerdings auf die Darstellung des Felsentors und gibt sich voll und ganz der Szenerie im Mondschein hin. Während das „Felsentor im Uttewalder Grund“ im Museum Folkwang zu besichtigen ist, hängt der „Uttewalder Grund“ im Dom Museum Wien.
[1] Caspar David Friedrich, vermutlich um 1801, Das Felsentor im Uttewalder Grund, Sepiatusche über Graphitstift. 70,6 x 50 cm / Public domain, via Wikimedia Commonsals gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons.
Obwohl nicht direkt auf dem Malerweg Sächsische Schweiz gelegen empfehle ich einen Abzweig in den Teufelsgrund. Das ist nicht nur ein Nebental des Uttewalder Grunds sondern ein recht eindrucksvoller Sandstein-Parcours. Über Eisenleitern und enge Steige kann man am kurz darauf erreichten Abzweig einen Rundweg in schönstes Elbsandstein-Terrain wagen. Wer gut zu Fuß ist sollte das auch problemlos schaffen. Und Kinder haben ja eh ihre hellste Freude in dieser zutiefst romantischen Welt.
Ziel Etappe 1 auf dem Malerweg Sächsische Schweiz: Stadt Wehlen
Wieder zurück im Uttewalder Grund führt der Weg gemächlich bergab bis in die Stadt Wehlen. Als offizielles Ende der ersten Etappe lasse ich mich hier ein wenig treiben. Auch die Burgruine oberhalb des Ortes wird gerade gebaut. Doch wie schon an der Lochmühle halten mich provisorische Absperrbänder auch hier nicht wirklich auf. Der Blick von den Mauern ist nämlich beeindruckend schön, zumal gerade jetzt die Dämmerung einsetzt und sich die Lichter der Stadt beginnen, in der Elbe zu spiegeln. Bevor ich allerdings mit der Fähre auf die andere Seite übersetze, genieße ich noch ein wenig die Ruhe und Einsamkeit dieses Ortes. Ganz im Gegensatz zum Sommer ist hier im Winter kaum etwas los. Es mangelt an Mitwanderern genauso wie an Schnee. Ich hoffe nicht, dass letzteres so bleibt. Denn gerade im Winter kann man nochmal einen ganz besonderen Eindruck vom Malerweg und der Sächsischen Schweiz gewinnen… ◆
Tipps & Infos
HINKOMMEN.
↠ S-Bahn S1 bis Bahnhof Pirna, von dort mit dem Bus G/L bis Liebethaler Grund in Liebethal.
↠ Mit dem Auto macht keinen Sinn, da wir an den Startpunkt nicht mehr zurückkommen.
AUSRÜSTUNG.
Für diese Wanderung benötigt es lediglich etwas Ausdauer. Festes Schuhwerk kann allerdings nicht schaden, da es zuweilen schon rechts unwegsam auf- und abgeht.
UNTERKUNFT.
Empfehlenswert und als Ausgangspunkt für diese Wanderung ist das Jugendgästehaus Liebethal. Am Zielort empfehle ich das Hotel Wehlener Hof direkt am Marktplatz.
ESSEN & TRINKEN.
Da es sich um eine Tageswanderung handelt, wären Essen und Trinken vor allem im Sommer nicht verkehrt, dabei zu haben. Denn: unterwegs gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit zum Einkehren – das Gasthaus Waldidylle im Uttewalder Grund (KM 10).
Zum Ende der Etappe kann ich aus vollstem Herzen das Hotel & Café Richter empfehlen. Gerade im Sommer sitzt man auf der Terrasse mit Elbblick richtig schön und lohnt sich ein frisch gebackener Kuchen.
BESONDERER TIPP.
Der Sonnenuntergang von der Burgruine Wehlen mit Blick über die Elbe ist einmalig.
Karte & Überblick
Empfehlungen zum Weiterlesen:
Audrey im Wanderland ist im Spätsommer 2019 den Malerweg vom Anfang bis ans Ende gewandert. Ihre Eindrücke verdienen, mit Muße gelesen zu werden.
Auch Jörg Thamer vom Blog Outdoorsüchtig ist den Malerweg bereits in seiner Gänze gewandert. Seine Eindrücke und Infos sind ebenfalls eine Empfehlung wert.