Los geht’s: Vom Parkplatz Kaiserau auf den Kalbling
Stille. Das hatte ich so nicht erwartet. Ich stehe auf dem Hochplateau in der Nähe des alten Schlosses Kaiserau im Nationalpark Gesäuse, und es ist fast mucksmäuschenstill um mich herum. Ein kühler Wind schiebt sich hin und wieder durch die Baumwipfel und bringt die noch jungen Triebe zum Rauschen. Ab und zu summt eine Biene über die Blüten der ersten Frühjahrsblüher, und nur hin und wieder ist das Zwitschern eines Vogels auf der Suche nach Liebesglück zu hören. Darüber hinaus ist es still. Entsprechend laut knirscht der trockene Kies unter meinen Schuhen, als ich meine Wanderung auf den Admonter Kalbling hier auf der Kaiserau starte.
Neben dem alten Schloss, das leider nicht zugänglich ist, und einer riesigen Photovoltaikanlage beherbergt das weite Hochtal noch einen alten, wie es scheint, verrosteten und ungenutzten Sessellift. Da fallen mir kurz die Worte meiner Gastwirtin ein, die in einem Nebensatz das Ausbleiben des diesjährigen Winters beklagte. Zwar seien die Gipfel der umliegenden Berge von meterhohem Schnee bedeckt gewesen, aber ins Tal habe er sich nicht getraut. Da die Kaiserau auf knapp 1.100 Höhenmetern liegt, blieb er wohl auch hier aus und der Lift blieb diese Saison ungenutzt.


Der Weg nach oben: So läuft die Tour zum Gipfel
Die ersten Meter folge ich noch dem breiten, schottrigen Forstweg, doch schon bald zweigt ein schmaler, steiler Trampelpfad ab, der mich im Zickzack über eine Wiese führt. Kurz darauf geht es über ein ausgetrocknetes Flussbett hinab und auf der anderen Uferseite wieder hinauf. Der Wald, mal dicht, mal licht, spendet wohltuenden Schatten. Die Sonne brennt vom Himmel, und mit jeder Minute, die der Tag älter wird, steigt die Temperatur in Richtung 30 Grad. Für mich ist es fast schon zu warm, denn der Anstieg allein bringt mich schon ordentlich ins Schwitzen.
An der Klinke-Hütte angekommen, lege ich eine erste Rast ein. Da es erst Ende April ist und die Hütte noch nicht bewirtschaftet wird, ist sie geschlossen. Daher halte ich mich auch nur kurz hier auf. Direkt dahinter führt der Trampelpfad durch ein verwinkeltes Gatter und über eine breite Wiese, bevor er sich schmal und in Serpentinen den südlichen Hang des Admonter Kalblings hinaufquält. Meter um Meter laufe ich den ausgetretenen Schotterpfad entlang, steige über Wurzeln und ausgespülte Steine und habe trotzdem das Gefühl, keinen einzigen Meter voranzukommen.
Dafür ist die Stille hier allgegenwärtig. Wo kein Baum mehr steht, kann auch nichts rauschen. Das milde Lütchen schafft es nicht, die schweren Latschenkiefern zum Säuseln zu bringen. Wie immer falle ich dabei in einen meditativen Schritt und nutze das langsame Vorankommen, um über gegenwärtige Fragen nachzudenken. Während ich in meinem persönlichen Lauftempo ein- und ausatme, gewinnt die Ruhe in mir die Oberhand und erhalte ich erste Antworten. Genau das liebe ich am Bergwandern: Diese Momente der inneren Einkehr, in denen das Monotone der körperlichen Anstrengung Raum für Gedanken lässt. Und sich mir die Möglichkeit bietet, diese auch mal zu Ende denken.


Unterwegs wartet die pure Bergidylle
Und den Ausblick natürlich auch. Den liebe ich auch. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter erstreckt sich ein wunderschönes Bergpanorama vor mir. Ich lasse meinen Blick über die Berge und Täler und in die Ferne schweifen. Das Muster der umliegenden Berggipfel verschmilzt mit der dunstigen Mittagsluft zu einem Kunstwerk, das ich mir am liebsten in meine Wohnung hängen würde. Unterhalb der steil abfallenden Wand am Admonter Kalbling nutze ich eine schattenspendende Bank für eine ausgiebige Rast und schaue mutigen Kletterern dabei zu, wie sie den Gipfel auf ihre ganz eigene, herausfordernde Weise erklimmen. Schön ist es hier.
Der Pfad schlängelt sich weiter, teils ausgesetzt und schmal, dafür stets unterhalb der imposanten südlichen Steilwand des Admonter Kalblings entlang. Unaufhörlich geht es bergauf. Auf über 1.800 Metern Höhe trotzen letzte Schneefelder dem Frühling. Überbleibsel eines Winters, der hier oben in Hülle und Fülle präsent war, während das Tal darunter leer ausging. Da schon viele vor mir diesen Weg gegangen sind, nutze ich ihre Spuren im Schnee. Im Wechsel von Schnee und Geröll erreiche ich kurz nach Mittag den Bergsattel zwischen Riffel und Kalbling. Wer möchte, kann von hier aus auch den Gipfel des Riffels erklimmen und zusammen mit dem Sparafeld eine anspruchsvolle Drei-Gipfel-Tour daraus machen. Doch für meine heutige Wanderung reicht mir der Kalbling.


Oben am Admonter Kalbling: Panorama, Pause, pures Glück
Nach weiteren 200 Höhenmetern erreiche ich endlich den Gipfel des Admonter Kalblings, der sich dann doch recht einfach über den anfangs steilen, später sanft ansteigenden Nordhang erreichen lässt. Was für ein atemberaubender Ausblick! Admont im Tal wirkt wie eine filigrane Miniaturstadt auf einer detailverliebten Modelleisenbahnplatte, während die umliegenden Gipfel diese Szenerie mit majestätischer Erhabenheit und wilder Schroffheit überragen. Im Osten erstrecken sich die zerfurchten Berggipfel des Gesäuses, die wie uralte Wächter über die Landschaft wachen, während im Westen das Tote Gebirge in der hochstehenden Mittagssonne glänzt. Nur das kleine, eiserne Gipfelkreuz steht etwas windschief über all dem.
Ich setze mich auf einen Felsbrocken, hole mein Pausenbrot hervor und lasse die majestätische Landschaft auf mich wirken. Obwohl ich den Gipfel mit anderen Wanderern teile, umfängt mich hier eine seltene Stille, die ich auf den Höhen der Alpen nur selten finde. Nur ein paar kecke Dohlen, die frech nach meinem Picknick schielen, reißen mich aus meinen Tagträumen und holen mich spielerisch in die Gegenwart zurück.


Zurück ins Tal – und vielleicht noch auf einen Kaiserschmarrn?
Es ist schon früher Nachmittag, als ich wieder aufbreche und denselben Weg zurückwandere. Dabei geht es wieder über den sanften Nordhang, über Schnee und Schotter, auf ausgesetzten, schmalen Pfaden, und immer mit dem Blick in Richtung Tal. Viel schneller als gedacht bin ich zurück an der Klinke-Hütte, in deren Schatten es sich ein paar Wanderfreunde gemütlich gemacht haben. Die Strapazen dieses warmen Wandertages sind in ihren Gesichtern ebenso deutlich abzulesen wie in meinem. Die Haut in meinem Gesicht spannt ganz schön und kann ich grad noch nicht sagen, ob es abklingende Aufregung ist oder erste Zeichen eines Sonnenbrands sind.
Nach einer kurzen Pause gelange ich schnell zurück auf das Plateau beim alten Schloss Kaiserau. Der Sessellift steht noch genauso unberührt da wie vermutlich seit Monaten und die kleine Hütte auf der Anhöhe versprüht noch den gleichen Charme wie heute Vormittag. Nur eines hat sich geändert: Die Sportalm hat geöffnet, und auf ihrer Terrasse sitzen Wanderer und Biker bei einem kühlen Drink. Na, das passt ja ganz wunderbar, denke ich. Gerade jetzt habe ich nämlich große Lust auf einen Kaiserschmarrn. Quasi als Belohnung für die Anstrengungen von heute, die gefundenen Gedanken und das Glück, die Wanderung auf den Admonter Kalbling im Frühling unternommen zu haben. Ein Erlebnis, das mich nachhaltig ins Herz trifft. ☀





Tipps & Informationen
ANREISE
↠ Es gibt zwar eine Busverbindung bis zum Abzweig zur Kaiserau, die fährt allerdings nicht zu Zeiten, die für Wandernde von Vorteil wären. Daher empfehle ich diesmal ausnahmsweise eine Anreise mit dem Auto. Wer es trotzdem versuchen möchte: Die Bus-Linie 915 fährt bis zur Haltestelle Kaiserau, Nagelschmiede und kann die Wanderung von dort starten (ca. 2 km länger).
↠ Mit dem Auto immer in Richtung Kasierau fahren und gibt es einen großen, gebührenpflichtigen Parkplatz direkt an der Sportalm Kaiserau.
AUSRÜSTUNG
Für diese Wanderung sind Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und festes Schuhwerk mit griffiger Sohle auf jeden Fall erforderlich. Der Pfad ist mittelschwer und mit einem roten Punkt ausgezeichnet. Bei sonnigem Wetter ist auch ausreichender Sonnenschutz wichtig, da der Weg fast ausschließlich in Südlage verläuft und es kaum Schatten gibt. Bei größeren Schneefeldern braucht es Grödel*.
WEGEQUALITÄT
Zunächst sind es breite Forstwege oder Trampelpfade, später führt der Weg steil ansteigend über Geröll und Schotter. Am Gipfel erwartet einen steiniges Karstgelände. Geklettert werden muss nicht, dafür ist der Weg aber manchmal ausgesetzt und es geht am Wegesrand manchmal ziemlich steil bergab.
ESSEN & TRINKEN
↠ An Start- und Endpunkt der Wanderung wartet die Sportalm Kaiserau auf müde und durstige Gipfelstürmer. Öffnungszeiten im Vorfeld checken!
↠ Knapp einen Kilometer nach dem Start (oder vor dem Ende) der Wanderung gibt es noch die Klinke-Hütte. Sie wird vom Österreichischen Alpenverein betrieben und ist meist von Ende Mai bis Anfang Oktober geöffnet.
!— BESONDERER TIPP —!
Kleine Snacks oder Tapas einpacken und einfach auf dem Gipfel ein ausgiebiges Picknick machen. Dabei kann man den Blick über den Nationalpark Gesäuse schweifen lassen und bei guter Sicht sogar Admont im Tal zum Greifen nah erblicken. // OBENDREIN: Wer sich ein paar Höhenmeter sparen möchte, kann mit dem Auto auch bis zur Klinke-Hütte fahren und dort parken. Aber Achtung! Für diese Strecke wird eine Maut fällig und die ist nicht gerade günstig. // DAS AUCH NOCH: An der Sportalm Kaiserau gibt es auch einen Spielplatz, auf dem Kids, die noch überschüssige Energie haben, diese loswerden können.
Wanderkarte
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