Der nächste Morgen: vereinzelt Vogelgezwitscher, leiser Regen. Wir werden vom steten Tropfen an der Dachrinne direkt vorm Fenster wach. Noch hängen die Wolken zwar tief zwischen den Felsen, aber die Sonne gibt sich Mühe und hat nun mitten im Sommer genügend Kraft, um das Wetter innerhalb weniger Minuten sich wechseln zu lassen. Und so scheint sie nach einem ausgiebigen Frühstück warm und einladend, so dass wir gegen 9 Uhr morgens auch schon wieder auf dem Weg durch das Lausitzer Gebirge, nunmehr die Böhmische Schweiz sind.
Durch das Lausitzer Gebirge von Na Tokáni nach Mikulášovice (20km)
Wenige Meter hinter Na Tokáni sind wir auch schon wieder allein unterwegs. Der Pfad führt uns immer auf gleicher Höhe bleibend rund um den Vosí vrch, den Wespenberg, immer tiefer durch die Sandsteinfelsen, bis wir an der Abzweigung zur Jungferntanne ankommen. Der Sage nach soll an dieser eine Jungfer Schutz vor ihrem Verfolger gefunden haben und eben jene seither ihr Antlitz tragen. Sich das zu Überzeugen dürfte schwer fallen, denn die ursprünglich namengebende Tanne fiel einem Sturm zum Opfer und wurde erst vor ein paar Jahren wieder neu gepflanzt. So können auch zukünftig Jungfrauen hier möglichen Schutz finden.
Vorbei an auffälligen Felsformationen folgen wir der Wegmarkierung hinunter in Richtung Černá brána und damit in die Schluchten des Gebirges. Dieses „Schwarze Tor“ wird von herabgefallenen Steinen geformt und ist dem im Uttewalder Grund sehr ähnlich. Jedoch bildete es über viele Jahre hinweg die Grenze zwischen der Tschecheslowakei und der DDR und war damit für den Wanderer gesperrt. Nur Grenzer oder Schmuggler versuchten hier ihr Glück.
Da die Grenze aber mittlerweile nur noch obligatorisch existiert, wagen wir uns durch das Felsentor hindurch, waten barfüßig durch die Kirnitzsch, nur um auf der anderen Uferseite den alten Pfad, der mittlweile zugewuchert ist, wieder auf den markierten Wanderweg hinauf zu kraxeln.
Vom Lausitzer Gebirge in die Sächsische Schweiz
Diesem folgen wir in Richtung Kirnitzschklamm und lassen uns zur Erholung einige Meter mit dem Kahn befördern. Auf dem Wasser inmitten der Felsen ist es angenehm kühl, da die Sonne mittlerweile ihrem hochsommerlichen Ruf mehr als gerecht wird. An der nördlichen Anlegestelle tummeln sich die Tagestouristen in einer ziemlich langen Schlange, so dass ich hiermit die offizielle Empfehlung ausspreche, die Tour auf keinen Fall von dort zu starten.
Wir folgen von nun an der roten Markierung, die uns an so illustren Orten wie der Niedermühle, der Obermühle (Achtung: Restaurant Mittwochs geschlossen) und der Schäferräumicht (Achtung: gar kein Restaurant mehr) ohne Pause vorbei führt. Die genehmigen wir uns etwas später auf dem Aussichtsturm des Weifberg. Der ist hoch genug, so dass er einen tollen Rundumblick, unter anderem auch auf unser Tagesziel Mikulášovice, bietet.
Zurück im Lausitzer Gebirge auf tschechischem Boden
Der Weg folgt von nun an einer kleinen asphaltierten Forsttrasse, auf der uns ein greiser Bauer auf seinem betagten dreirädrigen Gefährt entgegenkommt. Auf dem Anhänger thront seine mindestens genauso alte Gefährtin. Wie sich herausstellt hat hier – wieder zurück im tschechischen Teil – bereits die Kartoffelernte begonnen.
Wenig später kommen wir am Ortseingang an und nutzen das dort befindliche Schwimmbad, um eine weitere Pause einzulegen. Mittlerweile ist es Nachmittag und die Temperaturen haben sich bei angenehmen 25 Grad eingependelt. Kinder toben im Wasser, Jugendliche spielen Fußball und vereinzelt wagen sich neugierige Enten in ihre Nähe. Ein kleines Paradies direkt hinter der Grenze.
Ankunft in Nixdorf (Mikulášovice)
Da wir auch heute unsere Übernachtung, wie alle anderen der letzten Tage ebenfalls, nicht im Vorfeld gebucht haben, finden wir Unterschlupf in einer ehemaligen Jugendherberge. Diese wird im Sommer von Schülern des Ortes in ihren Ferien betrieben. Und so fühlen wir uns auch. Nachdem wir unser Zimmer im Obergeschoss bezogen haben und zum Duschen die Räumlichkeiten zwei Türen weiter aufsuchen müssen (die Toilette wäre dann die Tür schräg gegenüber), scheint diese Wanderung auch irgendwie eine Zeitreise zu sein. Zurück in die Jugendtage des Sozialismus, als gemeinschaftliches Miteinander scheinbar wichtiger war, als Individualität.
Auch beim Rundgang durch den Ort stoßen wir auf viele Relikte: verlassene Häuser, graue Fassaden, ein verwittertes Kino. Hinterlassenschaften einer Zeit, die wohl nie mehr zurück kommen wird. Ein kühles Bier in der untergehenden Abendsonne lässt den Tag ausklingen und erschöpft aber zufrieden ob der letzten Tage finden wir erst viel zu spät den verdienten Schlaf.