Durch’s Lausitzer Gebirge – Tag 2

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Tag 2 auf der Mehrtageswanderung durchs Lausitzer Gebirge. 72 Kilometer in 5 Tagen. Bericht der Etappe 2: von Krompach nach Jedlová.
Sven Becker
  Inhalt

Auf der 2. Etappe durchs Lausitzer Gebirge

Es regnet die ganze Nacht. Immer wieder schrecken wir durch taghelle Blitze auf, nur um vom leisen Trommeln des Regens auf dem Dach wieder müde und schläfrig zu werden. Eine unruhige Nacht. Am nächsten Morgen hat das Wetter sich beruhigt, aber die Wolken hängen tief und grau über der feuchten Erde. Wie gerädert quälen wir uns aus den Betten, nur um nach einem zünftigen Frühstück – komplett Böhmisch: Leberwurst auf Hörnchen — den zweiten Tag unserer Wanderung durchs Lausitzer Gebirge in Angriff zu nehmen. Die mittlerweile getrocknete Regenkleidung benötigen wir zwar nicht, aber einladendes Wanderwetter sieht irgendwie anders aus.

Von Krompach nach Jedlová (18km)

Und so bringt uns die erste Steigung des Tages hinauf auf die Lausche, auf den höchsten Berg des Zittauer Gebirges, zum Glück ganz schön ins Schwitzen. Auf ehemaligen Grenzpfaden, betoniert und gepflastert inmitten der Wälder, wäre es sonst ziemlich kühl geworden. Der Weg führt uns die Höhenmeter hinauf und damit immer weiter von Krompach fort. Außerhalb des Ortes umgibt uns eine angenehme Ruhe. Kein Mensch ist unterwegs oder verrichtet sein Tagwerk.

Selbst im nahen Dolní Světlá herrscht ausgesprochene Gemütlichkeit, eigentümliche Stille. Diese wird nur noch überboten von der Ruhe auf dem Gipfel des 792 Meter hohen Berges. Auf der Lausche ist gut lauschen. Nur leider hören wir kaum etwas. Das leise Rauschen der Bäume weht zu uns herauf, hin und wieder das Gezwitscher eines Vogels. Die Wolken hängen noch immer tief, versperren die Sicht. Eine Stimmung fast meditativ.

Lauschen auf der Lausche (793m): ein leises Rascheln der Blätter im Wind, hin und wieder das Zwitschern eines Vogels. Viel mehr gibt es nicht zu lauschen an diesem lauschigen Plätzchen. Also genau richtig für ein ursprüngliches Naturerlebnis.
Lauschen auf der Lausche (793m): ein leises Rascheln der Blätter im Wind, hin und wieder das Zwitschern eines Vogels. Viel mehr gibt es nicht zu lauschen an diesem lauschigen Plätzchen. Also genau richtig für ein ursprüngliches Naturerlebnis.
Was gibt es Schöneres, als im Sommer zu wandern? Wenn die Sonne den Boden unter dichten Bäumen wärmt, der Wald nach Pilzen und Blättern riecht, und Äste unter Stiefeln knacken? Nichts. Gar nichts.
Was gibt es Schöneres, als im Sommer zu wandern? Wenn die Sonne den Boden unter dichten Bäumen wärmt, der Wald nach Pilzen und Blättern riecht, und Äste unter Stiefeln knacken? Nichts. Gar nichts.

Aussteigerin in Lesné

Erst als wir den Berg verlassen und uns damit wieder auf tschechischen Boden begeben, reißt der Himmel auf und die Sonne kommt durch. Mit jedem Schritt immer stärker. Als hätte sie die ungemütliche Nacht wieder gut zu machen. Komisch, wie wichtig plötzlich das Wetterempfinden. Im Alltag ein eher am Rande bemerkter Umstand wird inmitten der Natur fast richtungsweisend. In Shirt und kurzer Hose wandert es sich bei Sonnenschein nun mal um einiges angenehmer als noch heute morgen.

So verfliegen die Kilometer bis nach Lesné, wo wir entspannt zu Mittag speisen. Das Restaurant, von einer Niederländerin geführt, taugt auch als Campingplatz und Pension. Vor zehn Jahren, als sie ihren Urlaub das erste Mal im Lausitzer Gebirge verbrachte, muss sie sich wohl in diese Gegend verliebt haben. Sie blieb. Der Wohnwagen – natürlich! – steht noch immer auf dem Hof, daneben wenige Zelte. Das Essen: original Pannenkoeken. Köstlich! Eine Empfehlung.

Geschichtliches auf der Ruine Tolštejn

Wir ziehen weiter, der nächste Berg ruft. Der Tolštejn, einstmals eine Burg, hat schon einiges an Geschichte erlebt. Auf knapp 670 Metern gelegen zeugen heute nur noch liebevoll instand gesetzte Mauerreste von der einstigen Besiedelung. Dank einer seit 1865 betriebenen Gastwirtschaft taugt die einstige Schutzburg als Ausflugsziel. Romantik des Mittelalters inklusive. Inmitten der Restaurierungsarbeiten tobt eine Schulklasse. Geschichtlich interessierte Kinder, Eis naschende Mädels, sich balgende Buben. Für einen Moment wünsche ich mich in meine Kindheit. Bis am Ende wieder eines von ihnen heult und wir zurück in der Gegenwart schnell weiter ziehen.

Auf dem Tolštejn begegnen uns die Reste aus fast 700-jähriger Geschichte. Und natürlich eine wahnsinnig schöne Aussicht ins Lausitzer Gebirge und auch den nächsten Gipfel: den Jedlová.
Auf dem Tolštejn begegnen uns die Reste aus fast 700-jähriger Geschichte. Und natürlich eine wahnsinnig schöne Aussicht ins Lausitzer Gebirge und auch den nächsten Gipfel: den Jedlová.
Die Burg auf dem Tolštejn beherbergte so manches: Adel, Ritter, Diebe. Und heute eben Touristen.
Die Burg auf dem Tolštejn beherbergte so manches: Adel, Ritter, Diebe. Und heute eben Touristen.
Das Schöne am Wandern ist die philosophische Nähe zum Leben: es geht immer bergauf und ab. Stets haben wir das nächste Tal genauso vor Augen, wie den nächsten Gipfel. Hier: den Jedlová.
Das Schöne am Wandern ist die philosophische Nähe zum Leben: es geht immer bergauf und ab. Stets haben wir das nächste Tal genauso vor Augen, wie den nächsten Gipfel. Hier: den Jedlová.

Weiter bis zum Tagesziel

Vom Tolštejn nur durch ein Tal getrennt liegt der knapp 100 Meter höhere Jedlová. Als dritthöchster Berg des Lausitzer Gebirges – des Lužické hory – ist er eher Ausflugsziel als geschichtlich interessant. Schiller soll hier gewesen sein, auch Kaiser Joseph II. Aber das war es dann auch schon wieder. Dafür genießt er allerdings den Ruf, die schönsten Ausblicke zu bieten. Und so erkennen wir, obwohl fast 40 Kilometer entfernt, den Lilienstein im Westen oder auch die Schneekoppe im Osten, den höchsten Berg des Riesengebirges knapp 60 Kilometer entfernt. Alles Gipfel, auf denen wir schon standen. Gemeinsam. Hier wird Entfernung messbar, auch die zeitliche.

Da die Pension in der Jedlová-Baude schon ausgebucht ist, begeben wir uns auf gut Glück ins gleichnamige Dorf. Immer am Lift entlang und dann links weg verläuft der Wanderweg. Sagt die Karte. Denkste: die Natur sagt da etwas anderes. Trotz Karte und Kompass, ja sogar trotz GPS verlaufen wir uns. Das gab es auch schon länger nicht mehr. Immer weiter driften wir ab, verlieren sogar den Weg unter den Füßen. Wir straucheln über Stock und Stein, mühen uns durch hochgewachsenes Gras.

Eine Entscheidung muss her. Immer der Nase nach haben wir Glück: wie aus dem Nichts stehen wir plötzlich vor einem Gebäude mit Swimmingpool. Und genau dieses entpuppt sich auch noch als Pension. Wir haben unser Bett für diese Nacht gefunden. Als einzige Gäste müht die Betreiberin sich zwar etwas – nur eine Nacht wäre den Aufwand nicht wert, sagt sie – gibt uns aber dann doch noch ein Zimmer. Und den Zugang zum Pool. Der Tag ist gerettet. Manchmal birgt das Verlaufen auch etwas Gutes.

Zum großen Teil wandern wir im Lausitzer Gebirge auf gut markierten und ausgebauten Waldwegen. Und hin und wieder auch auf dem E3.
Zum großen Teil wandern wir im Lausitzer Gebirge auf gut markierten und ausgebauten Waldwegen. Und hin und wieder auch auf dem E3.
Im Gastraum der heutigen Pension heißt es Kopf einziehen. Sonst bimmelt und bammelt es ohrenbetäubend aus allen Richtungen.
Im Gastraum der heutigen Pension heißt es Kopf einziehen. Sonst bimmelt und bammelt es ohrenbetäubend aus allen Richtungen.
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