„Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ von Paolo Cognetti – #Buchtipp

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Der neue Roman von Paolo Cognetti entführt recht bildhaft ins Dolpo, eine der abgelegensten Regionen Nepals. Buchtipp fürs Kopfkino.
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Paolo Cognetti „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“, Einband © Penguin Verlag, 2019
Paolo Cognetti „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“, Einband © Penguin Verlag, 2019

Der Gipfel ist das Ziel vs. Bergsteigen als Weg begreifen

Wenn man vom Bergsteigen redet, spricht man zumeist von den Gipfeln. Von der Schwierigkeit auf den letzten Metern, vom Erreichen des scheinbar Unerreichbaren. Egal wo, egal wie hoch – die Anstrengung, die körperliche Überwindung wird zur zweckmäßigen Herausforderung, der Berg und sein höchster Punkt zum eigentlichen Ziel. Auch wenn der Weg dahin fast 90% des eigentlichen Bergsteigens ausmacht, sprechen die wenigsten von ihm.

Nicht so Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren und seines Zeichens Dokumentarfilmer und Weltwanderer. In seinem neuen Buch nimmt er den Leser auf genau jene Wege mit, die Bergsteiger normalerweise gehen, um Gipfel zu erklimmen. Doch sein Buch, sein Weg führt eben nicht auf die Höhenzüge des Himalaja, sondern bleibt zwischen den Großartigen, zwischen den Mächtigen hängen. Das Dolpo, eine der abgelegensten Regionen Nepals, hilft ihm verstehen, dass nicht die Berge sein Ziel sind, sondern das Gehen. Das Wandern zwischen den Riesen. Das Verstehen von natürlicher Größe und individueller Winzigkeit.

Ausschnitt aus Paolo Cognetti „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ © Penguin Verlag, 2019
Ausschnitt aus Paolo Cognetti „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ © Penguin Verlag, 2019

Durchs Dolpo

Von Juphal aus folgen er, seine beiden Freunde Nicola und Remigio sowie Träger und Mitwanderer den uralten Pfaden durch dieses Gebiet. Der Blick streift dabei ungeahnte Höhen und findet doch viel besser Halt am kargen und steinigen Boden. Obwohl es zum Beispiel mit Peter Matthiessens Buch „Auf den Spuren des Schnee-Leoparden“ bereits literarische Vorlagen gibt, blieb die Region lange unbekannt und meist nur Expeditionen vorbehalten. Sein Werk von 1978 gibt aber auch hier die Route vor. Im Abgleich mit den Erinnerungen Matthiessens wird der Leser von Cognetti einfühlsam mit auf den Weg genommen. Auch wenn seiner letzten Endes davon abweicht.

Genau so eine Reise wünschte ich mir zu meinem vierzigsten Geburtstag, um den Abschied von einem ganz anderen verlorenen Reich, nämlich der Jugend zu feiern.

Paolo Cognetti

Die eigentliche Herausforderung für Cognetti jedoch sind nicht die zumeist unwirtlichen Wege. Genau wie beim Bergsteigen ist es die Höhe. Mehrere auf dem Weg zu querende Pässe befinden sich jenseits der 5.000 Höhenmeter. Da, wo in Europa schon längst alle Berge enden, beginnt für den Autor der ganz persönliche Konflikt. Körperliche Beschwerden fordern ihren Tribut…

Ausschnitt aus Paolo Cognetti „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ © Penguin Verlag, 2019
Ausschnitt aus Paolo Cognetti „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ © Penguin Verlag, 2019

Mein Eindruck vom Buch

Endlich mal ein junger Autor, der sich nicht in „Ich-bin-der-Geilste!“-Mentalität und egozentrischer Selbstdarstellung verliert. Einfühlsam und nachdenklich schildert er in seinem Buch das Erlebte und fasst Erfahrungen unterhaltsam zusammen. Dabei scheint seine Ausbildung zum Dokumentarfilmer hilfreich zu sein: selten wurden in einem Reisebuch so bildhafte Eindrücke beschrieben. Von eigener Hand gescribbelte Zeichnungen vervollständigen den Gesamteindruck, Kopfkino ist da vorprogrammiert.

Ich fasste mir an die Nase, der einzige Körperteil, der aus dem Schlafsack hervorsah und bereits zum Fremdkörper wurde.

Paolo Cognetti

Die 120 Seiten lesen sich flott, die Sprache ist ausführlich und auf den Punkt gebracht. Was auch vornehmlich an der Übersetzerin Christiane Burkhardt liegen dürfte, die mit sehr viel sprachlichem Feingefühl Cognettis Gedanken und Besonderheiten in anschauliche, leicht lesbare Worte übersetzt. Insgesamt ist dieses Buch eine rare Besonderheit. Wenn man also mal wieder ein ganz besonderes Geschenk suchen sollte, kann man hier getrost zugreifen.

Wer sollte das Buch lesen?
Freunde der Literatur von Reinhold Messner „Der nackte Berg“* und Joe Simpson „Sturz ins Leere“*

Für wen ist das Buch nichts?
Influencer und Backpacker auf Ego-Trip.

Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen
Paolo Cognetti
Erschienen bei Penguin Verlag
128 Seiten | Penguin Verlag | ISBN 978-3-3286-0108-1 | € 15,00 [D] | € 12,99 [eBook]

Vielen Dank an den Penguin Verlag/Random House für die Zur­ver­fü­gung­stel­lung des Rezensionsexemplars.


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