Reisetipp: Kalabrien im Süden Italiens

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Der Süden Italiens ist wie gemacht für Sonnenanbeter und Entdeckungsreisen. In Kalabrien erfährt der Reisende sinnenhafte Eindrücke.
Sven Becker
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Santa Domenica di Ricadi
Mit Blick aufs westliche Mittelmeer, zu Füßen die kleine Stadt Santa Domenica die Ricadi.

Die älteste Erwähnung von Kalabrien fand mal nicht urkundlich, sondern in einer Überlieferung oder besser in einer Geschichte, einem Märchen, einer Sage statt. Homers Odysseus, der kräftezehrend den Sirenen trotzte, mit Zyklopen kämpfte und schönen Frauen widerstand, machte nach der Eroberung Trojas zunächst mit der Meerenge von Messina Bekanntschaft, bevor er an der kalabrischen Küste Schiffbruch erlitt und ihn an einen der hiesigen Sandstrände spülte. Verborgen in einer traumhaft idyllischen Bucht wurde er von der schönen Königstochter Nausikaa gerettet und zum Volke der Phäaken gebracht. Auch wenn Odysseus in persona keine Spuren auf diesem Fleckchen Erde hinterließ, waren es doch seine Landsleute, die ab dem 8. Jhd. v.Chr. hier siedelten. Danach kamen noch die Römer, die Byzantiner, die Staufer, Österreicher, ein oder zwei Sachsen und voila, fertig war ein weiteres kulturelles Highlight. Willkommen auf einer historischen Entdeckungsreise.

Ein kleiner Abriss kalabrischer Geschichte

Nachdem die Griechen auch heute noch existierende Städte wie Rhegion, Sybaris und Kroton gründeten, brauchten die Römer nicht lange und eroberten das südliche Italien um… naja …. etwa 600 Jahre später. Das wird Pythagoras gar nicht gefallen haben, denn der lebte seit 532 v.Chr. in Kroton und konnte miterleben, wie diese Stadt zum wichtigsten Zentrum der Region heranwuchs. Aber was soll‘s, futsch und vorbei. Ab diesem Zeitpunkt gab es römisches Recht. Das hielt dann schon mal etwas länger, genaugenommen 800 Jahre.

Um 536. n.Chr. war damit jedoch Schluss. Der Byzantiner Belisar besiegte die Ostgoten und riss sich damit Süditalien unter den Nagel. Das gefiel den Langobarden wiederum überhaupt nicht und da konnte es schon mal passieren, dass man sich gut 4 Jahrhunderte lang um die Macht stritt. Wo zwei sich streiten freut sich ein Dritter und voila, fertig war das Normannenreich. Gegründet um 1015 n.Chr. und mit Lehensrecht eingebunden in die unteritalienischen Staaten Apulien und Sizilien, kämpften ab 1059 die Brüder Robert Guiskard und Roger I. gegen die verbliebenen Byzantiner und Sarazenen. Und das ziemlich erfolgreich. Mit der Krönung Roger II. wuchs das unteritalienische Reich zum Königreich Sizilien zusammen, zu welchem Kalabrien von nun an als fester Bestandteil gehörte.

Tropea
Mächtig und gewaltig erheben sich die Bauten der mittelalterlichen Stadt Tropea.

Das Mittelalter Kalabriens

Ja, und dann ging es so richtig los: die Staufer kamen. 1194 wurde Heinrich IV. zum König von Sizilien gekrönt, woraufhin sein Sohn Friedrich II. erst König des Normannenreiches, damit auch Kalabriens wurde und kurze Zeit später (1220) auch noch Kaiser. Bei so viel Tüchtigkeit ging es natürlich ratzfatz voran und Süditalien blühte kulturell gesehen richtig auf. Nur leider nicht lange. Friedrich II. starb 30 Jahre später. Seine Söhne Manfred und Konrad IV. versuchten noch das Erbe und den Titel zu verteidigen, jedoch ohne Erfolg. Karl von Anjou aus Frankreich besiegte die Normannen und der Papst ernannte ihn fortan zum König von Sizilien. Ach, hatte ich die französische Herrschaft eingangs nicht erwähnt? Kommt noch besser.

In Folge der Sizilianischen Vesper wurden die Franzosen 1282 schon wieder aus kalabrischem Gebiet vertrieben. Als Nachfolger setzte der Papst einen gewissen Peter III., Schwiegersohn Manfred’s, aus dem Hause Aragon ein und dann wurde es richtig wild. Es kam zu einem Krieg mit den französischen Anjou’s, die noch immer Neapel als ihres betrachteten. Der wurde zwar gewonnen und die Franzosen waren damit endgültig aus dem Rennen, aber kurz darauf kam es zu ein paar heftigen Bauernaufständen gegen die neue aragonische Herrschaft, worauf der spanische König Karl V. auch noch König vom Königreich Sizilien, später sogar Kaiser wurde. Anschließend noch ein Krieg gegen die herannahenden österreichischen Truppen, der allerdings verloren ging. Jubel folgte auf Trubel und umgekehrt. Nichtsdestotrotz ging Neapel-Sizilien nun endgültig an die österreichischen Habsburger. Es schlossen sich Unruhen an, Aufstände, jede Menge Reformen, die alles gefürchtete Pest und ein schreckliches Erdbeben mit über 30.000 Toten (1783).

Aquädukt
Überreste der römischen Zeit: ein Aquädukt von irgendwo ins nirgendwo.

Aufbruch in die Neuzeit

Und dann kam schon wieder ein Franzose. Das muss so um 1806 gewesen sein. Der wollte diesen Teil des Mittelmeeres einfach für sich und kleingewachsene Männer hatten offenbar schon immer einen Hang zum Größenwahn (siehe Hitler.) Aber wer genau? Natürlich: Napoleon. Ging auch wieder nicht gut. 50 Jahre später führte der berühmte und als Volksheld noch heute verehrte Giuseppe Garibaldi die Bevölkerung im „Zug der Tausend“ gegen die Franzosen und leitete damit das endgültige Aus ihrer Herrschaft auf italienischem Boden ein. Als Folge dessen wurde 1861 das Königreich Italien vereint und bekam mit Vittorio Emanuele II. seinen ersten König.

Napoleon wollte diesen Teil des Mittelmeeres einfach für sich und kleingewachsene Männer hatten offenbar schon immer einen Hang zum Größenwahn.

So, jetzt sind wir schon im 19. Jhd. und dann auch fast durch. Das neue Jahrhundert begann erst einmal traurig. Bis 1905 fand ein Exodus größtmöglichen Ausmaßes statt, bei dem wohl jeder dritte Kalabrese emigrierte. Die fanden das neue Königreich offenbar nicht so toll. Traurig ging es auch für die italienische Politik weiter. Sie schlug sich im spanischen Bürgerkrieg auf die Seite Franco‘s und kurz darauf wurden alle Italiener Nazis. Naja, kann man mit dieser Vorgeschichte ja auch irgendwie verstehen. Eine Menge aufgestauter Frust, jahrhundertelange Fremdherrschaft durch fast alle Völker Europas, keine eigene Identität. Da kann schon ein klein wenig Hass aufkommen. Aber nur ein klein wenig, denn ab 1943 besonnen sich die Italiener oder ließen sich von Alliierten überreden, je nachdem. Auf jeden Fall schlugen sie sich auf die andere Seite und erklärten Deutschland den Krieg.

Kalabrien nach dem zweiten Weltkrieg

1946, der Zweite Weltkrieg hatte auch hier tiefe Wunden hinterlassen, wurde Italien zur Republik. Es folgten Landreformen, Enteignungen, weitere Emigrationen aus Kalabrien nach Norditalien oder ins Ausland, kurzum den Menschen ging es schlecht. Sicherer Nährboden für regionale Gruppierungen. Die bekannteste von ihnen ist wohl die ´Ndragheta, die kalabrische Mafia. Tja, und da wären wir auch durch mit dem kleinen Abriss der kalabrischen Geschichte. Der Rest dürfte bekannt sein. Berlusconi, jede Menge Korruption und immer mal wieder die Mafia. Aber Sie können beruhigt sein, der Tourist bekommt nichts davon mit. Insofern: folgen Sie mir, ich lade Sie ein. In den nächsten Tagen werden hier einige historische Sehenswürdigkeiten Kalabriens vorgestellt und in die eben genannte Geschichte eingeknüpft. Auf Richtigkeit der Angaben wird verzichtet und das alles auch noch ohne Gewähr. Na, das ist doch mal was.

Nicotera
Enge Gässchen zu Hauf: das atemberaubend liegende Nicotera.
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[…] An den Hängen des mittelalterlichen Städtchens Zungri, auf einem Plateau des Monte Poro gelegen, wurden in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dutzende, zum Teil tief in den Fels geschlagene, Höhlen entdeckt. Zwar heute touristisch erschlossen, sind sie aber genauso wie damals nur über einen steilen Weg zu erreichen. Eine ganze Kultur musste sich hier verschanzt und den Jahrhunderten getrotzt haben. Italienische Forscher fanden bei Ausgrabungen heraus, dass es sich hierbei um einen übrig gebliebenen Kulturkreis der griechischen Epoche handeln musste. Offenbar waren die einstigen Mönche vor den Römern oder den später folgenden Byzantinern in die Berge geflohen und hatten sich im Schutze der Felsen unbemerkt und ungesehen eine neue Bleibe, ein neues Kloster aufgebaut. Siehe auch: Ein kleiner Abriss kalabrischer Geschichte. […]

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